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Spanien: Juan Carlos dankt ab: Was der spanische König hinterlässt

Spanien

Juan Carlos dankt ab: Was der spanische König hinterlässt

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    Zuletzt gab es immer mehr melancholische Augenblicke: Seit gestern ist die Regentschaft von Juan Carlos Geschichte. Auch für seine engere Umgebung kam der Rücktritt des 76-jährigen Königs von Spanien überraschend.
    Zuletzt gab es immer mehr melancholische Augenblicke: Seit gestern ist die Regentschaft von Juan Carlos Geschichte. Auch für seine engere Umgebung kam der Rücktritt des 76-jährigen Königs von Spanien überraschend. Foto: Pierre-philippe Marcou, afp

    Es war sichtlich die schwerste Ansprache des spanischen Königs an das Volk: „Ich habe entschieden, meine Regentschaft zu beenden und abzudanken“, erklärte ein bewegter König Juan Carlos per TV-Ansprache den Spaniern. Der 76-Jährige, der nach einer Reihe von Hüft- und Knieoperationen am Stock geht, saß im grauen Anzug hinter seinem Schreibtisch. Mit feuchten Augen und unruhigen Händen, die er immer wieder ineinander verschränkte, um sie nicht zittern zu lassen.

    Juan Carlos lobt seinen Sohn als würdigen Nachfolger

    „Heute verdient eine jüngere Generation, in erster Reihe zu stehen und jene Reformen voranzubringen, welche diese Zeit erfordert“, nuschelte Juan Carlos. Sein 46-jähriger Sohn Felipe sei ein gut vorbereiteter und würdiger Nachfolger. Und: „Ich habe immer das Beste für Spanien gewollt.“ Dann folgte die spanische Nationalhymne.

    Es war mittags gegen 13 Uhr, Spaniens 46 Millionen Bürger hielten den Atem an, Radio- und Fernsehapparate waren überall voll aufgedreht. Die Nation war Stunden zuvor gewarnt worden: Ein bitterernst ausschauender Regierungschef, der konservative Mariano Rajoy, hatte am Vormittag dem überraschten Volk mitgeteilt, „dass dies der beste Zeitpunkt ist, damit die Thronfolge mit völliger Normalität erfolgen kann“.

    Die Abdankung von Juan Carlos ist eine wohl überlegte Entscheidung

    Rajoy sowie der König gaben zu verstehen, dass die Abdankung eine in mehreren Monaten gereifte Entscheidung gewesen sei. Was die meisten Menschen auf der Straße nicht so recht glauben wollten. Hatte nicht das Königshaus selbst immer wieder alle Abtrittsgerüchte dementiert? „Ich werde mit der Krone auf dem Kopf sterben“, hatte Juan Carlos angeblich zu den Seinen gesagt. Königin Sofía war mit dem Satz zitiert worden: „Könige treten nicht ab, sondern sie sterben im Bett.“

    „Sogar Leute aus seiner Umgebung fielen aus allen Wolken“, berichtete Spaniens größte Tageszeitung El Pais, die am Mittwochnachmittag wie die anderen großen Blätter der Nation Extraausgaben mit der historischen Nachricht druckte.

    Der König galt als volksnaher Monarch

    „Ich wollte der König aller Spanier sein“, sagte traurig Juan Carlos in seiner Abschiedsrede. Doch die goldenen Zeiten des einst so volksnahen Monarchen, der deswegen einmal als Bürgerkönig galt, sind schon länger vorbei. Nach 39 Jahren auf dem Thron wackelte das Denkmal des Königs erheblich. Laut Umfragen wünschte sich die große Mehrheit der Spanier, dass sich der König endlich aufs Altenteil zurückzieht.

    In den letzten Jahren produzierte Juan Carlos vor allem mit Stolperunfällen, Krankenhausaufenthalten und mutmaßlichen Liebesaffären Schlagzeilen. Das Bild eines Königs, der nur noch mit Krücke laufen konnte, schien symptomatisch für das wankende Königshaus. „Eine Monarchie am Stock“, titelten die Medien.

    Spätestens jener Luxus-Jagdausflug ins afrikanische Botswana, wo Ihre Hoheit im Frühjahr 2012 auf Elefanten anlegte, öffnete der spanischen Öffentlichkeit die Augen. Eine Safari, bei der sich der König nicht nur die Hüfte brach. Sondern, bei der er zusätzlich mit seiner „Amiga“, der 30 Jahre jüngeren Deutschen Corinna zu Sayn-Wittgenstein, erwischt wurde. Und das auf dem Höhepunkt der spanischen Finanz- und Wirtschaftskrise mit Millionen Arbeitslosen und Familien, die den Gürtel immer enger schnallen mussten.

    Die königliche Ehe in der Krise

    Die Empörung im Krisenstaat Spanien war so groß, dass Juan Carlos sich genötigt sah, öffentlich Abbitte zu leisten. „Es tut mir sehr leid. Ich habe mich geirrt. Das wird nicht mehr vorkommen.“ Er musste auch Königin Sofía um Verzeihung anflehen. Diese war so wütend auf ihren Gemahl, dass sie nach seinem Sturz und Rettungsflug nach Spanien erst mal keine Lust hatte, ihn im Krankenhaus zu besuchen. Die Ehe zwischen den beiden gilt als zerrüttet – die goldene Hochzeit im vergangenen Jahr fiel aus.

    Genauso brachten die Korruptionsvorwürfe gegen den königlichen Schwiegersohn Iñaki Urdangarin die Fundamente der Monarchie ins Wanken. Urdangarin, Ehemann der zweitältesten Königstochter Cristina, wird beschuldigt, jahrelang öffentliche Gelder in Millionenhöhe ergaunert und Steuern hinterzogen zu haben. Er muss sich demnächst vor Gericht verantworten. Auch Prinzessin Cristina soll in die krummen Geschäfte verwickelt sein.

    Juan Carlos steuerte Spanien zur Demokratie

    Unbestritten bleibt freilich Juan Carlos’ Verdienst in der Vergangenheit: Vor allem den älteren Menschen ist der König als jener Mann in Erinnerung, der Spanien von der Diktatur, die 1975 nach dem Tod von General Franco zu Ende ging, zur Demokratie steuerte. Die älteren Spanier haben auch nicht vergessen, wie Juan Carlos am 23. Februar 1981 einen Putschversuch rechter Militärs stoppte.

    Doch vor allem unter den jungen Spaniern steigt derweil die Zahl jener, die sich ein Land ohne König und mit einem gewählten Staatschef vorstellen können. Den Umfragen zufolge kann sich die Monarchie in Spanien nicht einmal mehr sicher sein, noch die Mehrheit der Bürger hinter sich zu haben.

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