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Spanien: Die Corona-Lage in Spanien: Zwischen vollen Intensivstationen und vollen Kneipen

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Die Corona-Lage in Spanien: Zwischen vollen Intensivstationen und vollen Kneipen

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    Es darf längst wieder ausgeschenkt werden in den Kneipen und Restaurants der spanischen Hauptstadt Madrid.
    Es darf längst wieder ausgeschenkt werden in den Kneipen und Restaurants der spanischen Hauptstadt Madrid. Foto: Ricardo Rubio, Europa Press, dpa

    Wer in diesen Tagen als ausländischer Besucher nach Madrid kommt, reibt sich verwundert die Augen: Biergärten, Kneipen und Restaurants sind geöffnet und voller Menschen, genauso wie Geschäfte und Einkaufszentren. Auch Kinos, Theater und Museen haben ihre Türen auf. Das Leben pulsiert in der spanischen Metropole, in deren Einzugsgebiet 6,6 Millionen Menschen leben – ganz so, als ob es keine Virusepidemie geben würde.

    Madrid einer der schlimmsten Corona-Herde, doch das Leben steht nicht still

    „Madrid ist unter den europäischen Metropolen eine Insel im Meer der Restriktionen“, schreibt die Zeitung El País. Obwohl Madrid einer der schlimmsten Infektionsherde Spaniens ist, steht dort das öffentliche Leben nicht still. Die Stadt, die damit wirbt, „die längste Theke der Welt zu haben“, gilt derzeit als Europas Party-Oase, in der fast alles auf ist. Damit setzt sich Madrid auch von anderen Regionen ab, wie etwa Mallorca oder Valencia mit der Costa Blanca, wo in den letzten Wochen ein harter Lockdown galt und die Gastwirte die Rollläden herunterlassen mussten.

    Madrids regionale Regierung geht, entgegen den Empfehlungen der Virologen, einen Sonderweg. „Ich bin nicht dafür zu haben, die Gastronomie zu ruinieren“, sagt die konservative Ministerpräsidentin Isabel Díaz Ayuso. Es sei nicht erwiesen, dass es in Kneipen und Restaurants ein erhöhtes Risiko gebe.

    Derweil spricht sich die Nachricht, dass man in Madrid noch ausgehen und feiern kann, unter coronamüden Europäern herum. Vor allem aus dem Nachbarstaat Frankreich kommen tausende Party-Touristen, um nach Monaten des harten Shutdowns endlich wieder einmal in einer Schankwirtschaft die Gläser klingen zu lassen. Der französische Rundfunk fachte den Boom noch mit einer Reportage über „die Stadt der Freiheit“ an. Schon für 200 Euro mit Flug und Hotel bieten französische Agenturen einen Städtekurztrip nach Madrid an.

    "In Madrid kann man noch leben“, schwärmen die coronamüden Touristen

    „Es ist fantastisch hier“, sagen zwei Pariser Studenten, die auf der zentralen Plaza de Santa Ana auf der Terrasse eines Lokals an einem sonnigen Tisch ihr Bier trinken. „Es ist lange her, dass wir das gemacht haben. In Madrid kann man noch leben.“ In Frankreich ist die Gastronomie seit Oktober geschlossen, ab sechs Uhr am frühen Abend herrscht Ausgangssperre. Auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind Kneipen und Speiselokale seit Monaten zu.

    In Madrid geht die Party derweil ungebrochen weiter. Die Gastronomie ist bis 23 Uhr geöffnet. In den Innenräumen dürfen bis zu vier Freunde am Tisch sitzen, draußen liegt das Limit sogar bei sechs Personen. Um 23 Uhr beginnt zwar auch in Madrid eine Ausgangssperre, doch die Polizei lässt den Menschen Spielraum, um noch nach Hause zu kommen.

    Theoretisch gilt beim Gastronomiebesuch eine Maskenpflicht. „Die Maske darf nur dann kurz abgenommen werden, wenn Getränke oder Speisen konsumiert werden“, heißt es in den Bestimmungen. Doch in der Praxis tragen nur die Kellner den Schutz. Und diese sehen sich nicht als Gesundheitspolizisten, um bei ihren Kunden die Maskenpflicht durchzusetzen. „Das ist nicht unser Job“, sagt ein Altstadt-Wirt, den es überhaupt nicht stört, dass in seinem Lokal neuerdings so viel Französisch gesprochen wird.

    Der lockere Corona-Weg Madrids hat auch seine Schattenseiten

    Der lockere Weg Madrids hat allerdings auch beträchtliche gesundheitliche Nebenwirkungen: Die Region hat die höchsten Infektionszahlen auf dem spanischen Festland. Zudem wurden seit Epidemiebeginn rund 14.000 Corona-Tote registriert – mehr als in jeder anderen Region des Landes. Das Gleiche gilt für die Intensivstationen, die nirgendwo mit so vielen Covid-19-Patienten gefüllt sind wie in Madrid.

    Doch Regionalpräsidentin Ayuso, die von vielen Gastronomen als Retterin gefeiert wird, verteidigt ihre Politik mit dem Hinweis, dass doch nun auch in der Partystadt die Ansteckungszahlen sinken. Die Sieben-Tage-Inzidenz war zwar zuletzt mit 119 Fällen pro 100.000 Einwohner immer noch vier Mal so hoch wie in der harten Lockdown-Region Mallorca. Doch dafür sei Madrids Wirtschaft bisher besser durch die Krise gekommen als die Betriebe an anderen Orten. Ayuso sagt: „Es ist einfach Betriebe zu schließen. Aber danach ist es fast unmöglich, die Geschäfte wieder zum Leben zu erwecken.“

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