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Sommer in Deutschland: Schwitzen, schwitzen, schwitzen: Wenn die Hitze keinen Spaß mehr macht

Sommer in Deutschland

Schwitzen, schwitzen, schwitzen: Wenn die Hitze keinen Spaß mehr macht

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    Eine vertrocknete Sonnenblume steht auf einem Feld. Auch am Freitag blieb es vielerorts in Deutschland hochsommerlich heiß.
    Eine vertrocknete Sonnenblume steht auf einem Feld. Auch am Freitag blieb es vielerorts in Deutschland hochsommerlich heiß. Foto: Sebastian Kahnert, dpa (Symbol)

    Die Luft brennt auf der Haut, der heiße Sand bläst ihm ins Gesicht. Roland Wittkopf, 38, hat sich damit abgefunden. Seit mehr als 15 Jahren jobbt er auf dem Bau, fährt nach Augsburg, fährt nach München und noch weiter, um Häuser hochzuziehen. Gerade rammt er mit einer Baumaschine einen Pfeiler in den Boden – in Dillingen an der Donau. Jener 19.000-Einwohner-Stadt, die am Donnerstag zeitweise der heißeste Ort in Bayerisch-Schwaben war. Mit einer Temperatur von 36,1 Grad Celsius. So der Deutsche Wetterdienst. Am Freitag ist es in Dillingen nicht wesentlich kühler.

    In Deutschland jagt ein Hitzerekord den nächsten. Es sind Tage für die Geschichtsbücher.

    Am Freitagmittag bestätigt ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes, kurz DWD, den neuen deutschen Hitzerekord von 42,6 Grad Celsius im niedersächsischen Lingen. Der am Donnerstag gemessene Wert sei korrekt. Überhaupt war der Donnerstag ein Tag der Rekorde: An 25 Messstationen stiegen die Temperaturen auf 40 Grad Celsius oder mehr. „Heiß, heißer, Deutschland – Ein Tag für die Wettergeschichte!“, twitterte die Pressestelle der Bundesoberbehörde DWD fast euphorisch.

    Rekordhalter Kitzingen ist den Titel als „wärmster Ort Deutschlands“ wieder los

    Die unterfränkische Hitze-Hauptstadt Kitzingen ist damit ihren Rekord los. Der Wert von 40,3 Grad Celsius aus dem Sommer 2015 – im Juli und ein paar Wochen später im August gleich zweimal gemessen – hielt mehr als vier Jahre. Oberbürgermeister Siegfried Müller meint dazu: Es sei ja nicht unbedingt ein erstrebenswerter Rekord, der heißeste Ort zu sein. Andererseits habe die 40,3-Grad-Marke seine Stadt bekannter gemacht. Keine Quiz-Show, in der nicht die Frage nach der deutschen Hitze-Hauptstadt gestellt worden sei. So gesehen sei der Rekord „schon eine tolle Geschichte“ gewesen. Auch eine irgendwie tolldreiste: In Kitzingen wurden T-Shirts und Tassen verkauft, auf denen die Zahl „40,3“ prangte.

    Und Postkarten mit den besten Grüßen aus dem „wärmsten Ort Deutschlands“. Und eine „Hitze-Oma“ gibt es ebenfalls. Dieser Name wurde Magdalena Michelsen verpasst, in deren Garten am Rande der Stadt die Rekordtemperatur an einer Messstation des Deutschen Wetterdienstes gemessen worden war. Seit mehr als 20 Jahren betreut sie die Station, eine von 500 in Deutschland. Sie könne sich vorstellen, dass hier eines Tages wieder ein Rekordwert gemessen werde, sagt die 84-Jährige. Sie hat gerade viel zu tun: Ständig wollen Journalisten von ihr wissen, wie das Leben ohne Rekord denn nun weitergehe.

    Der Hitzerekord, den das unterfränkische Kitzingen lange gehalten hat, ist gefallen. Heiß ist es in diesen Tagen weiterhin in der Stadt. Wie am Donnerstag.
    Der Hitzerekord, den das unterfränkische Kitzingen lange gehalten hat, ist gefallen. Heiß ist es in diesen Tagen weiterhin in der Stadt. Wie am Donnerstag. Foto: Thomas Obermeier

    Das Leben geht weiter, auch auf der Baustelle in Dillingen. Viele klagen über Schwindel und Übelkeit, Einsatzkräfte verzeichnen eine steigende Zahl von Kreislaufzusammenbrüchen. Roland Wittkopf, dem Bauarbeiter, macht die Hitze nichts aus. Er sei ein Sonnenanbeter, sagt er. Sein T-Shirt hat er ausgezogen. Der Boden der Baustelle in der Erzbischof-Stimpfle-Straße ist briketthart. Wittkopf fährt mit einem Bohrgerät darüber. Schweiß läuft an seiner Stirn herunter. Regen wünscht er sich allenfalls für seinen Garten.

    Die Bauarbeiter Milko Ivanov und Roland Wittkopf (rechts) lieben die Sonne.
    Die Bauarbeiter Milko Ivanov und Roland Wittkopf (rechts) lieben die Sonne. Foto: Elisa-Madeleine Glöckner

    Anruf am Nordpol. Rena Oldigs geht ans Telefon. „Wollen Sie bei uns Urlaub machen?“, fragt sie. Nein, nein, nur fragen, ob es am Nordpol wenigstens kälter ist als im Rest Deutschlands. Rena Oldigs, Kämmerin der Gemeinde Ovelgönne und Vertreterin des urlaubenden Bürgermeisters, lacht. Nordpol sei ein Ortsteil ihrer Gemeinde. Also, eher eine Straße. Sie holt eine Karte, sagt: „Drei landwirtschaftliche Betriebe, Äcker, Windräder... Ach, und warm genug haben’s wir auch.“ Rena Oldigs spricht von fast 38 Grad Celsius am Donnerstag. An diesem Freitagmorgen ist es noch etwas angenehmer bei ihr im Rathaus. Um 13 Uhr werde sie Feierabend machen. Wer früher gehen wolle, könne das nach Absprache. Nach dem Gespräch weiß man: Nordpol liegt zwischen dem Jadebusen, einer Bucht der Nordsee, und der Weser. Im „grünen Herzen der Wesermarsch“. Bisweilen kommt ein frisches Lüftchen auf. Und: Eisbären sind dort noch nie aufgetaucht.

    Sogar die Borkenkäfer suchen Schatten 

    Sogar den Borkenkäfern, die in diesen Tagen überall auftauchen, ist es zu heiß. „Sie suchen die schattige Kühle des Waldes im Waldinneren“, sagt Hermann Stocker. Für den stellvertretenden Leiter der „Bayerischen Staatsforsten, Forstbetrieb Zusmarshausen“ bedeutet das Arbeit. Selbst am Wochenende, wenn es sein muss. Und das muss es, wenn es Borkenkäfer-Neubefall gibt. Stocker und seine Kollegen haben es dann eilig, Bäume zu „entnehmen“. Sonst breiten sich die Käfer aus. „Borkenkäfer können wir bekämpfen, gegen Hitze und Trockenheit ist kein Kraut gewachsen“, sagt Stocker.

    Es schmerzt ihn, wenn er in seinem 14.000 Hektar großen Zuständigkeitsbereich unterwegs ist. Wenn er sieht, wie die Buchen ihre Blätter einrollen, wenn Bäume vertrocknen und absterben. Wie im Weisinger Forst bei Altenmünster im Landkreis Augsburg. „Es blutet einem das Herz“, sagt Stocker. „Die Bäume schauen schlecht aus, auch wenn sie nicht vor dem Tod stehen. Man sieht, dass sie leiden und dass sie kämpfen.“

    Hermann Stocker ist 50 Jahre alt. Eine Hitze wie im vergangenen und in diesem Jahr habe er noch nicht erlebt, sagt er. „Die Mehrheit der Fachleute ist der Meinung, wir sind mitten im Klimawandel.“ Und der Wald sei Opfer und Hoffnungsträger zugleich. Opfer wegen der Hitze und Trockenheit, die Vermehrung und Verbreitung der Borkenkäfer begünstigen. Hoffnungsträger, weil Bäume das Treibhausgas Kohlendioxid speichern. Daraus folgt für Stocker: „Wir brauchen mehr Bäume.“

    Seine Förster und er experimentieren bereits mit Arten, die für wärmere Zeiten in Deutschland geeignet erscheinen: mit Libanon-Zeder, Douglasie oder Baumhasel. Die Libanon-Zeder, heimisch an der Mittelmeerküste, entwickele sich bisher gut auf den Versuchsflächen. Das Gesicht des Waldes werde sich deutlich verändern. Mehr Mischwald, weniger Monokultur. Fichte, Buche, Eiche, Tanne oder Bergahorn werden Gesellschaft bekommen. Am Nachmittag müsse er wieder raus, sagt Stocker jetzt. In den Forst Dürrenberg bei Freihalden im Landkreis Günzburg. „Hoffentlich finde ich nichts Alarmierendes.“

    Eine E-Mail an Christian Franzke vom Meteorologischen Institut an der Universität Hamburg. Sie erreicht ihn in Kanada, dort nimmt er an einer Konferenz teil. Für ihn, schreibt er zurück, „sind die momentanen Hitzerekorde ein klares Zeichen des Klimawandels“. Man könne natürlich einzelne Ereignisse nicht dem Klimawandel zuordnen; Hitzewellen würden auch ohne den Klimawandel auftreten. Aber die höheren Temperaturen während Hitzewellen entsprächen „unserem Verständnis des Klimawandels und auch unseren Klimasimulationen“. Seit 1881 sei in Deutschland die Jahresmitteltemperatur um etwa 1,5 Grad Celsius angestiegen. Für Franzke, Experte für Wetter- und Klimaextreme, steht fest: „Solange wir Menschen weiter Treibhausgase erzeugen, werden die Temperaturen weiter steigen und Hitzewellen intensiver werden.“

    Im Kebaphaus ist es besonders warm - hinterm Grill

    In Dillingen an der Donau kämpfen die Kesers mit der Hitze. Seit 2011 betreiben die drei Geschwister mit ihren Eltern das Kebaphaus vor dem Discounter Norma. Draußen, auf dem Parkplatz, hat es 35 Grad Celsius, drinnen, im Dönerhäuschen, 40 Grad und mehr. „Der Grill heizt den Raum mindestens um fünf Grad auf“, sagt Vater Ismael Keser. Und das wirke sich natürlich auf die frischen Lebensmittel aus: auf Kohl, Salat, Zwiebeln. „Wir müssen am Tagesende mehr wegschmeißen, weil es wegen der Hitze schneller verdirbt“, sagt er. Sein Sohn Yasin nickt zu diesen Worten. „Erst vor zwei Jahren ging uns auch eine Kühltheke kaputt. Die Geräte sind für solche Temperaturen einfach nicht produziert worden“, ergänzt er. Der Dönerspieß hinter ihm dreht unaufhörlich seine Runden.

    Die Auslage im Dillinger Eiscafé Ciprian ist angeschlagen. Man muss die Augen zusammenkneifen, um die Schildchen mit den Eissorten zu lesen. Vanille, Pistazie, Schokolade werden bei diesen Temperaturen kühler gehalten als sonst, erklärt Isin Özkurt. „Ohne die Schutzdecke würde uns das Eis schnell wegschmelzen.“ Die 22-Jährige steht hinter der Theke und nimmt die Bestellungen der Laufkundschaft entgegen. In diesem Jahr sei es mit der Hitze „so schlimm wie nie“, findet sie. Eine Mutter mit zwei Kindern ordert Erdbeereis, als Erfrischung für unterwegs, wie sie sagt.

    Svenja, Daniela und Pius Winkler suchen im Eichwaldbad in Dillingen an der Donau Abkühlung.
    Svenja, Daniela und Pius Winkler suchen im Eichwaldbad in Dillingen an der Donau Abkühlung. Foto: Elisa-Madeleine Glöckner

    Eine Erfrischung sucht auch Daniela Winkler. Sie verbringt den Freitagmittag mit ihren Kindern Pius und Svenja im Eichwaldbad. Die zehnjährige Svenja erhält an diesem letzten Schultag vor den Sommerferien freien Eintritt: Für sie und viele andere Schüler der Region ist der Einlass gratis. Sie müssen nur ihr Zeugnis mitbringen. „Wir sind aber nachsichtig“, sagt Betriebsleiter Jochen Hihler. „Wenn sie es im Auto vergessen haben sollten, dürfen sie trotzdem bei uns baden.“

    Freitag, 14.56 Uhr. Der Deutsche Wetterdienst meldet: „Heute häufig starke, in den westlichen Landesteilen extreme Wärmebelastung. Morgen im Südwesten und im Südosten noch gebietsweise starke Wärmebelastung.“ In den vergangenen beiden Tagen sei es „so heiß wie noch nie in Deutschland“ gewesen. Von diesem Samstag an sei die große Hitzewelle vorbei; es drohten Unwetter. Regen ist angekündigt. Ob er auch in Deutschland so bejubelt wird wie in der französischen Hauptstadt Paris? Dort brachte ein Schauer am Freitagvormittag nach Rekordhitze Abkühlung. „In der Innenstadt war freudiger Jubel zu hören, die Menschen standen an den Fenstern und beobachteten das Spektakel“, berichtet die Deutsche Presse-Agentur.

    In Deutschland soll es aber auch Überflutungen geben und Hagel. Tiefdruckgebiet Vincent löst Hoch Yvonne ab. „Wir brauchen dringend Regen, das sagen alle Förster“, sagt Hermann Stocker vom Forstbetrieb Zusmarshausen. „Aber keinen Platzregen. Sondern einen schönen Landregen über mehrere Tage hinweg, der in den Boden einsickert.“

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