Ein paar Abiturienten, die im Internet einen Versandhandel für Drogen einrichten und damit reich werden - aber eben auch kriminell. Darum geht es in der deutschen Netflix-Serie "How to sell Drugs online (fast)", deren zweite Staffel am 21. Juli erscheint. Zu Beginn der neuen Staffel feiern die Protagonisten ihre erste Million - sie haben aber neben dem Ärger mit zwielichtigen Großdealern auch noch mit Abitur und Teenager-Beziehungen zu kämpfen. Einer derjenigen, die sich das ausgedacht haben, ist der 25-jährige Stefan Titze, der seine Karriere bei Jan Böhmermanns "Neo Magazin" startete. Im Interview erklärt er, was Comedy-Autoren von Fiction-Autoren - also den Machern fiktionaler Serien und Filme - unterscheidet, warum es für Fans seines Podcasts "Das Podcast Ufo" in der Serie noch mehr zu entdecken gibt und ob er sich eine Rückkehr zu Böhmermanns Late-Night-Show vorstellen kann.
Herr Titze, am 21. Juli erscheint Staffel 2 Ihrer Serie "How to sell Drugs online (fast)" auf Netflix. Es ist ja nicht ganz leicht, sich das Leben eines Serienautors vorzustellen. Welche Termine hatten Sie denn heute neben diesem Interview - und was steht noch an?
Stefan Titze: Heute ist Pressetag, da habe ich jetzt mehrere Interviews. Aber vorher war ich noch schön Frühstücken. Später gehts zur Produktionsfirma, der bildundtonfabrik, da werden Kostüme besprochen. Gegebenenfalls telefoniere ich noch mit ein paar Schauspielern und man geht noch mal über das ein oder andere Skript. Was in meinem Fall, weil ich auch Producer bin, noch besonders ist: Ich bin von Anfang bis Ende dabei, auch im Schnitt. Gerade ist es aber einigermaßen entspannt - ich freue mich auf den Release der neuen Staffel.
Sie freuen sich darauf – aber eine gewisse Nervosität ist bestimmt auch dabei.
Titze: Ja, aber ich bin ein bisschen entspannter als vor Staffel 1. Weil ich das Gefühl habe, dass die Leute jetzt wissen, was sie erwartet. Wir hatten ja das Glück, dass viele das, was wir gemacht haben, einigermaßen cool fanden. Vor dem Release von Staffel 1 standen wir noch im Dunkeln. Unsere Serie ist sehr temporeich, wir arbeiten viel mit Grafiken und mit Chatverläufen – schon ein bisschen eine ADHS-Show. Da wussten wir nicht, wie das ankommt. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Aber ein anderer Aspekt macht mich nervös: Wie gut haben wir es geschafft, daran anzuknüpfen? Wie kommt die Serie auch bei neuen Zuschauern an? Hat es funktioniert, die Figuren noch komplexer zu erzählen? Ihnen mehr Tiefe zu geben? Ich persönlich mag Staffel 2 noch ein bisschen mehr als Staffel 1. Ich bin aber auch voreingenommen. Ich habe sie – wegen der Arbeit im Schnitt – jetzt auch schon so 160 Mal gesehen. Da fehlt einem irgendwann die Distanz.
Nachdem die erste Staffel erschienen war, haben Sie erstmals Rückmeldungen der Fans bekommen. Lässt man sich als Autor davon beeinflussen?
Titze: Ich habe neulich auf der Online-Diskussionsplattform Reddit ein Subreddit von "How to Sell Drugs" entdeckt. Da stand dann zum Beispiel: "Ah, am Ende der ersten Staffel gab es eine Überwachungskamera, die hat den Mord gefilmt. Da werden wir bestimmt in Staffel 2 herausfinden, wie es damit weitergeht." Das ist tatsächlich sehr lustig. Manchen fallen sogar Dinge auf, die wir selbst gar nicht mehr auf dem Schirm hatten. Im Team sind wir alle sehr internetaffin, das merkt man der Serie, finde ich, auch an. Wir lesen viele Kommentare. Aber wir wollen eine Serie erzählen, die wir selbst spannend finden. Deshalb lassen wir uns nicht so sehr von den Reaktionen beeinflussen. Manchmal merkt man, dass ein Erzählstrang besonders gut ankommt und baut ihn dann aus. Allerdings hatten wir mit Staffel 2 schon angefangen, als die erste Staffel noch gar nicht erschienen war. Ich glaube, dass es wichtig ist, auf sich selbst zu hören. Bei "Game of Thrones" haben die Macher am Ende versucht, alle zufrieden zu stellen. Das funktioniert nicht so richtig.
Zum ersten Mal als Autor gearbeitet haben Sie bei Jan Böhmermanns "Neo Magazin", das wie Ihre Serie von der bildundtonfabrik produziert wird. Eine Serie ist aber etwas ganz anderes als eine Fernsehsendung, für die man wöchentlich neue Ideen umsetzen muss. Ist eine Serie mit dem vergleichsweise langen Produktionszeitraum entspannter?
Titze: Naja, wir haben hier schon auch Deadlines. Die sind nur von außen nicht so sichtbar.Man muss ein Buch abgeben oder andere Zwischenziele erreichen. Bei den Projekten, die ich bisher gemacht habe, ob beim "Neo Magazin", bei der Sendung "Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von..." oder unserem Youtube-Sketch-Channel "Gute Arbeit", hat man die Deadlines eben auch von außen gesehen. So ein großer Unterschied ist das aber eigentlich gar nicht. Ich glaube, dass mir die Arbeit in einem Late-Night-Writers-Room außerdem sehr geholfen hat. Durch die vielen Deadlines ist man gezwungen, immer Ergebnisse zu erzielen. Dafür ist es wichtig, nicht zu sehr an Ideen festzuhalten und mit anderen Autoren zusammenzuarbeiten. Da habe ich gelernt, schnell Ideen zu generieren. Natürlich sind neun von zehn scheiße. Aber dann ist eben auch eine dabei, die cool ist.
Alle anderen Formate, für die Sie gearbeitet haben, waren komplett auf Humor ausgerichtet. "How to sell Drugs" ist zwar auch lustig, hat aber ernste und tragische Momente. Fällt es schwer, Tragik zu schreiben, wenn man mit Comedy angefangen hat?
Titze: Ich bin auf jeden Fall erprobter im Humor-Handwerk. Aber es macht genauso viel Spaß, sich ernste Storylines auszudenken. Gute Comedy muss ja einen dramatischen Kern haben. Gute Comedy setzt voraus, dass man die Charaktere liebt und glaubt, was sie gerade machen. Sonst ist man schnell in einer platten Sitcom.
Als Sie beim "Neo Magazin" angefangen haben, waren Sie 19 Jahre alt. Jetzt sind Sie 25 - mit fast sieben Jahren Berufserfahrung. Gelten Sie eigentlich noch als der Junge oder schon als der alte Hase?
Titze: Zumindest beim "Neo Magazin" gab es am Ende einige Jüngere. Bei der Serie bin ich aber weiterhin einer der Jüngsten. Lustig finde ich da immer, wie wir im Writers Room über "die Kids" sprechen – unsere Schauspieler, die ja Jugendliche spielen. Ich bin eigentlich ungefähr so alt wie sie. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum ich überhaupt dabei bin. Ich habe schließlich noch nie zuvor Fiction geschrieben. Aber die Leute, über die wir schreiben, die sind ja quasi meine Generation. Ich kenne mich in deren Lebensrealität aus. TikTok und so. Mega mein Ding! Aber die anderen Autoren sind genauso internetaffin. Und ich glaube auch, dass das Alter allein nicht entscheidend ist, um eine Coming-Of-Age-Serie schreiben zu können.
Als Autor und Producer lernen Sie auch andere Macher von fiktionalen Serien kennen. Ist es in Ihrem Alter schwierig, ernst genommen zu werden?
Titze: Ich hatte am Anfang das Gefühl, dass die Fiction-Bubble ein sehr eingeschworener Haufen ist. Da hatten wir es schon schwierig, als Leute, die vor allem von der Comedy kommen. Und mein Alter hat nicht gerade geholfen. Inzwischen ist das alles entspannt. Da helfen auch Firmen wie Netflix. Die mischen den ganzen Markt auf und haben uns, einer jungen Produktionsfirma, ermöglicht, unsere Serie zu produzieren. Die Leute, die mit Seidenschal und Rotwein in der Toskana sitzen, und Serien schreiben, wenn sie die Muse küsst – das ist vorbei. Es ist nicht mehr der deutschen Fiction-Elite vorbehalten, Fiction zu machen. Inzwischen habe ich eine Menge Kontakte geknüpft, viele Leute kennengelernt und die Wege sind kürzer geworden.
Nachdem ich mehrere Fragen zu Ihrem Alter gestellt habe: Nervt es, nach fast sieben Jahren in der Branche noch immer als "der junge Autor" zu gelten?
Titze: Ehrlich gesagt: Mich freut das sogar. Da macht man sich weniger Druck. Ich denke mir: Ja stimmt, ich bin ja erst 25. Ich hab ja noch ein paar Jahre Zeit. Ich freue mich, dass ich mit 25 schon so viele Erfahrungen sammeln konnte. Und ich bin dankbar für alle, die mich haben machen lassen.
Eine Besonderheit einer Netflix-Serie ist, dass sie direkt in mehrere Sprachen übersetzt wird. Haben Sie schon mal auf Spanisch oder Italienisch reingeschaut?
Titze: Ja, das macht mir sehr viel Spaß, einfach zwischendurch umzuschalten.
Zu Sprachen, die Sie verstehen?
Titze: Well, I do speak english, pero solo hablo un poco de español und könnte auf Spanisch aber auf gar keinen Fall eine Netflix-Serie verstehen. Schon gleich gar nicht, wenn die Leute so schnell sprechen wie bei uns. Es ist aber cool zu wissen, dass das, was man macht, von so vielen Menschen geschaut wird, die nicht unsere Sprache sprechen. Wann gab's das denn mal? Unsere schwierige Luxussituation ist ja die: Deutsch sprechen so viele Leute, dass ein eigener Markt entsteht – nicht wie zum Beispiel in Dänemark, wo man eh für den internationalen Markt produzieren muss, weil sonst die Zielgruppe zu klein wäre. Diese Bubble wird durch Netflix aufgebrochen. Ich bin aber mehr ein Fan der Untertitel, weil dann unsere Schauspieler sprechen. Wir haben eng mit den Übersetzern zusammengearbeitet und daran geschliffen, dass die Dialoge auch auf anderen Sprachen funktionieren. Ich glaube, dass man tatsächlich in fast allen Ländern so viel Spaß an der Serie haben kann wie in Deutschland. Auch wenn es mal deutsche Referenzen gibt, die man vielleicht nicht überall versteht. Aber es ist ja auch für Menschen in anderen Ländern spannend, eine deutsche Serie zu sehen, mit einer deutschen Lebensrealität.
Gibt es denn irgendein Land, in dem die Serie überraschenderweise besonders erfolgreich ist?
Titze: In Brasilien war die erste Staffel sehr erfolgreich, und in Marokko. Aber ich traue mich jetzt nicht, einzuschätzen, warum "How to sell Drugs online (fast)" in Marokko so erfolgreich ist.
Ein paar Referenzen, die ausländische Zuschauer wohl kaum entdecken werden, beziehen sich auf Ihren Podcast "Das Podcast Ufo". Ihr Podcast-Kollege Florentin Will taucht wieder in einer kleinen Rolle auf. Und man hört gleich in der ersten Minute der zweiten Staffel Ihre Stimme – was wohl vor allem den Podcast-Hörern auffallen dürfte.
Titze: Das stimmt.
Und dann kommt auch noch ein Boosted Board vor – ein motorisiertes Skateboard, von dem Sie in Ihrem Podcast mehrfach als Fehlkauf erzählt haben.
Titze: Es macht total viel Spaß, solche Easter Eggs (Anspielungen oder Insider-Witze, Anmerkung der Redaktion) zu verstecken. Aber die Dinge müssen natürlich für sich funktionieren, auch ohne das Hintergrundwissen. Das sind einfach Insider, an denen alle Spaß haben. Manche fragen sich vielleicht nur, was das für ein Board ist, das Kira da gekauft hat. Und andere haben eben noch mehr Spaß, wenn sie darüber hinaus verfolgen, was die Macher der Serie so machen. Ich finde es total schön, wenn ich so etwas in anderen Medien entdecke. Wir haben eine große Liste solcher Easter Eggs in Staffel 2. Die hatten wir auch schon in Staffel eins. Ich habe mich sehr über die Artikel gefreut, in denen Autoren behauptet haben, sie hätten alle gefunden. Nope, haben sie nicht.
Sie haben sogar über den Podcast Hörer gebeten, für Massenszenen als Statisten zu helfen – in der ersten Staffel bei einer Party.
Titze: Ja, in der zweiten Staffel haben wir das für einige Klassenraumszenen gemacht, und vor der Schule sieht man auch immer sehr viele Schüler. Da habe ich gesagt: Wenn ihr Lust habt, kommt vorbei. Es ist natürlich schön, Hörer, die einen seit Jahren verfolgen, zu treffen. Und die haben mal einen Tag am Set.
Staffel 2 kommt am 21. Juli raus. Danach wäre es zeitlich genau richtig, bei einer neuen Late-Night-Show im ZDF-Hauptprogramm anzufangen. Gibt es Pläne, wieder ins Autorenteam von Jan Böhmermann zu gehen?
Titze: Gerade habe ich tatsächlich kein Interesse mehr daran, für eine Late-Night-Show zu schreiben. Ich fühle mich total wohl in meiner Rolle und habe Lust auf weitere Serienprojekte - da sind auch schon ein paar am Start. Ich sehe mich in der nächsten Zeit eher im Writers Room einer Serie als in dem einer TV-Show.
Zur Person: Stefan Titze wurde am 5. August 1994 in Kamen geboren. Er wurde mit 19 Jahren nach einem Praktikum bei der bildundtonfabrik zum Autor des "Neo Magazins" befördert. Er arbeitete während seines Journalismus-Studiums für die Sendung und startete 2014 mit seinem "Neo Magazin"-Kollegen Florentin Will den Podcast "Das Podcast Ufo". Ebenfalls mit Will arbeitete er für die WDR-Sendung "Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von…" und den Youtube-Sketch-Channel "Gute Arbeit Originals", der Teil des öffentlich-rechtlichen Funk-Netzwerkes war. Als Autor schrieb er außerdem für die Satiresendung "Kroymann". Seit 2019 arbeitet er als Autor und Producer der Netflix-Serie "How to sell Drugs online (fast)", die, wie alle zuvor genannten Sendungen, von der bildundtonfabrik produziert wird.
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