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Serie: Die Welt im Umbruch: Konzerte der Zukunft: Elvis und das ewige Leben

Serie: Die Welt im Umbruch

Konzerte der Zukunft: Elvis und das ewige Leben

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    Nicht auf der Bühne, sondern auf dem Bildschirm gastierte Elvis Presley am Sonntag in München. (Archivbild)
    Nicht auf der Bühne, sondern auf dem Bildschirm gastierte Elvis Presley am Sonntag in München. (Archivbild) Foto: UPI (dpa)

    Der Zauber wirkt zu Anfang tatsächlich. Denn es ist in Konzertarenen wie der Münchner Olympiahalle ja ohnehin so, dass für den Zuschauer der Star oft nur noch über die Vergrößerung auf den Videowänden greifbar wird. Und jetzt ist dort Elvis Presley zu sehen, in Bestform, der charismatische Livegesang tönt lippensynchron und druckvoll aus den Boxen: „Burning Love“, „Welcome To My World“, „Steamroller Blues“, „Fever“, „You Gave Me A Mountain“ … Elvis ist tot, seit 40 Jahren, wirklich?

    Dieser Zauber trägt in die Vergangenheit: Hätte der King 1978 wie geplant auf seine erste Konzertreise außerhalb der USA gehen können, nach Europa, nach Deutschland, wo er schon als G. I. auf viel Liebe gestoßen war, hätte er dort die Frauen in der ersten Reihe geküsst wie auf dem Bildschirm, hätte er, wie später an diesem Abend, natürlich im Jumpsuit, „I Can’t Help Falling In Love“ und „In The Ghetto“, „Love Me Tender“ und „Suspicious Minds“, „Hound Dog“ und „American Trilogy“ gesungen und all die Perlen seines über 700 Songs umfassenden Katalogs als erfolgreichster Solokünstler der Welt – was für ein herrliches Bohei wäre das gewesen!

    Noch sind die Möglichkeiten der "Auferstehung" begrenzt

    Der Zauber öffnet aber auch eine Tür in die Zukunft. Sehr begrenzt sind hier ja noch die Mittel der Auferstehung: Aufzeichnungen über Videoleinwand und dazu Livemusik, oft in gutem Zusammenspiel, zumeist mit gutem Klang, dazwischen immer wieder persönliche Erläuterungen seiner Ex-Frau, der zu einer alterslosen Gesichtsmaske gestrafften Graceland-Unternehmerin Priscilla, leibhaftig auf der Bühne, und eine zeitlose Anverwandlung der Hits durch das tschechische Symphonie-Orchester – was vermag die Technik da heute und morgen noch mit all ihren Möglichkeiten?

    Es könnte auch ein ganz normaler Opa sein - ist es aber nicht. Denn so würde laut einer Computeranimation der King of Rock, Elvis Presley heutzutage aussehen. ..
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    Die amerikanische PR-Agentur Sachs Media hat Bilder von verstorbenen Musiklegenden veröffentlicht. So würden Elvis, John Lennon und Bob Marley heute aussehen.

    Die Multimedia-Bühnen-Shows von Künstlern wie Beyoncé wirken ohnehin längst wie die perfekte Inszenierung eines Video-Drehs, dem man eben zuschaut; die Rolling Stones hatten zuletzt ihr Konzert in Havanna live in Kinos in die ganze Welt übertragen lassen; die gealterten Elektronik-Pioniere von Kraftwerk gehen demnächst wieder auf 3-D-Tour, das heißt, ihr Publikum sitzt mit Effektbrille da und bekommt eine Vorführung in erweiterter Wirklichkeit; Michael Jackson ist ja bereits einmal für eine Show sieben Jahre nach seinem Tod wiederauferstanden, als fotorealistische 3-D-Projektion, als sogenanntes Hologramm, mit einem bis dato unveröffentlichten Song, zu dem es also noch kein Videomaterial gegeben haben kann; in Japan ist Hatsune Muki ein Star, eine Sängerin, die bloß noch aus computergenerierter Figur und Stimme besteht …

    Wer all das zusammenrechnet, kommt zum Ergebnis, dass demnächst alles möglich sein wird. Zu allen möglichen Zwecken. Nur zum Beispiel: Der FC Bayern lud kürzlich bereits zur Pressekonferenz mit Trainer Ancelotti – und drei Kollegen, die als Hologramme zugeschaltet waren. Der kanadische Informatiker Hossein Rahnama spricht von Plänen, dass Apple wieder auf die Ideen seines verstorbenen Chefs Steve Jobs als Berater zurückgreifen kann, als virtueller Klon, gespeist aus allen gespeicherten Daten.

    AC/DC in Originalbesetzung - und Nirvana mit Kurt Cobain

    Zurück auf der Bühne bedeutet dies: Die Träume, etwa AC/DC in Originalbesetzung mit Sänger Bon Scott zu sehen oder Nirvana mit Kurt Cobain oder Jimi Hendrix oder Bob Marley oder Jim Morrison mit den Doors (wem fiele da nicht ein eigener Traum ein?) – all das wird möglich sein. Einzige Voraussetzung: Die Persönlichkeitsrechte müssen das zulassen. Disney hätte im „Krieg der Stern“ wohl sehr gerne weiter auf die Prinzessin Leia gebaut, deren Darstellerin Carrie Fisher kürzlich gestorben ist – aber außer dem bereits mit ihr gedrehten Material für den nächsten Film (Episode VIII) hat ihre Familie einer weiteren Verwertung der Daten nicht zugestimmt. Dabei ist unklar, ob, wenn sie es darauf ankommen ließe, die Firma die Zustimmung überhaupt bräuchte. Und falls: Verfielen die Rechte auch 70 Jahre nach dem Tod wie bei Autoren (Datenlieferanten)?

    Im Fall von Elvis Presley ist das einerseits kein Problem, andererseits aber doch eines. Es ist rechtlich keines, weil die Frau, die der King in Deutschland kennengelernt und vor jetzt 50 Jahren geheiratet hat, über die Rechte verfügt und sie auch tüchtig verwaltet – bis hin zum Duett in „Let’s Pretend“ speziell für den deutschen Markt mit Superstar Helene Fischer auf Elvis’ letzter Platte „The Wonder Of You“. Es ist aber künstlerisch ein Problem, wie sich bei der nach diesem Album benannten Tournee jetzt zeigt. Geschenkt noch, dass der Zauber aufgrund symphonischen Pomps und immer weniger Stimmigkeit zur Videoleinwand allmählich verpufft. Schmerzlich nämlich ist allein, wie der Künstler völlig ungeschützt der Interpretation seiner Erben ausgesetzt ist – wie hier also Priscilla „ihren“ Elvis zum Heiligen und Genie verklärt und ihn dadurch eigentlich noch mal tötet.

    Geradezu ein Glück also, dass die bestuhlte Olympiahalle mit nicht mal 4000 Zuschauern höchstens halb gefüllt war. Und so kam auch das letztlich Entseelte dieser Art der Unsterblichkeit besonders zum Ausdruck. Während in den Videos von einst die Unmittelbarkeit des Glücks überbordet, besteht in dieser Halle zwischen dem „Thank You“ von Elvis und dem zaghaft befremdeten Applaus des Publikums kein Bezug. Es gibt noch nicht mal die heimliche Voodoo-Hoffnung wie beim Public Viewing eines Fußball-Spiels, irgendwie möge die zumindest gleichzeitige Anfeuerung auch aus der Ferne helfen. Aber womöglich wird die Technik auch dafür Lösungen bieten: ein Hologramm, das durch Algorithmen auch auf die Stimmung vor Ort einzugehen weiß. Eine schöne neue alte Musikwelt könnte das sein – immer die gleiche.

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