Herr Ehrentraut, mehr als 62 Millionen Menschen haben sich im Internet schon ein Video angeschaut, auf dem Sie mit Ihrer Frau Boogie-Woogie tanzen. Das ist eine ganze Menge.
Dietmar Ehrentraut: Ja, das kann man sagen, dass das viel ist.
Wie viele Leute schauen Ihnen normalerweise beim Tanzen zu?
Ehrentraut: Es kommt ganz drauf an, wo wir sind. Wir haben auch schon in Hockenheim auf der Rennbahn vor 40000 Zuschauern getanzt. Aber eigentlich machen wir so etwas nicht mehr. Das Internet-Video wurde vor etwa drei Wochen auf einem kleinen Turnier aufgenommen. Der Veranstalter, der Landshuter Boogie Woogie Club Pink Panther, hat Tänzer von früher eingeladen. Es war herrlich, die Leute von damals wieder zu treffen.
Wie haben Sie davon erfahren, dass Ihr Tanz aus Landshut zum Internet-Hit geworden ist?
Ehrentraut: Irgendeiner hat uns gefilmt und das Video ins Internet gestellt. Wir haben davon gar nichts gewusst. Und auf einmal rufen die Leute an und sagen, was für ein tolles Video das ist. Es ist zwar schon meistens einer mit einer Kamera da, aber normalerweise wird nur für den Veranstalter gefilmt. Jetzt klingelt das Telefon fast stündlich, hoffentlich hört das bald auf. Wir sind das ja nicht gewöhnt.
Verstehen Sie, warum das Video online so durch die Decke geht?
Ehrentraut: Ja gut, wir sind älter – ich bin 70, meine Frau ist 64. Wir tanzen schon seit 40 Jahren, und es kann schon sein, dass wir noch einige Figuren machen, die für unser Alter etwas extravagant sind.
Welche Tanzfigur ist denn für ihr Alter besonders außergewöhnlich?
Ehrentraut: Naja, fast alle, die wir so machen. Es gibt nicht viele in meinem Alter, die das können. Aber wir trainieren ja auch noch zwei Mal die Woche. Meine Frau rutscht genauso zwischen meinen Beinen durch, wie Sie es bei jungen Tanzpaaren sehen können. Bei älteren Leuten haben das viele so noch nicht gesehen.
Tanzen Sie und Ihre Frau nur Boogie-Woogie oder auch andere Tänze?
Ehrentraut: Nur Boogie-Woogie. Wissen Sie, Standard- und Lateintanz ist Hochleistungssport. Aber sobald Tanzen zum Sport wird, ist es nicht mehr schön. Die Tänzer stehen dann oft vorm Spiegel und trainieren das Lachen! Da weißt du dann genau, dass die nicht mal Spaß daran haben.
Sie hatten Spaß, das hat man im Video deutlich gesehen.
Ehrentraut: Beim Boogie-Woogie kann man viel improvisieren, das ist das Tolle an dem Tanz. Es muss vom Kopf in die Füße gehen, dann kommt da richtig was raus. Wir tanzen immer wild, wir haben kein Programm, das könnte ich mir eh nicht merken. Und beim Tanzen soll man sowieso nicht denken – egal welche Musik kommt, sie wird ausgetanzt.
Wie kamen Sie denn überhaupt zum Boogie-Woogie?
Ehrentraut: Meine Frau hat früh Kinder bekommen und hat von der Jugend nicht viel gehabt. München war dann in den 70ern eine Boogie-Woogie-Hochburg, da sind wir zu den Turnieren gefahren. Da waren einige Welt- und Europameister, von denen wir viel gelernt haben. Wir waren auch Zweite in der Weltrangliste, das muss 1995 oder 1996 gewesen sein.
Moment, Sie waren in der Weltrangliste auf Platz zwei?
Ehrentraut: Ja ja, und in Lyon auf der Europameisterschaft 2002 waren wir Fünfte. Da waren so 2500 Zuschauer. Die haben uns bestimmt fünf bis sechs Minuten lang Standing Ovations gegeben. So etwas vergisst man nicht.
Das wirkt dann auch länger nach als 62 Millionen Klicks, oder?
Ehrentraut: Ja, das sind so die Sachen.
Eigentlich tanzen Sie ja auch nicht mehr auf Turnieren. War das in Landshut eine Ausnahme?
Ehrentraut: Ja, wenn man uns schon einlädt... Nächstes Jahr kommen wir wieder, wenn es noch mal stattfindet. Das hat aber mit den Klicks nichts zu tun. Da herrscht einfach eine super Stimmung. Aber jetzt ist es wahrscheinlich so, dass die Leute schon was von uns erwarten werden.
Da müssen Sie wohl in Form bleiben!
Ehrentraut: Ja, die Leute werden bekommen, was sie wollen! Das ist kein Problem. Wenn man gesund ist und noch abrocken kann – das ist toll! Interview: Orla Finegan
Nellia und Dietmar Ehrentraut: Das Rentner-Ehepaar ist Mitglied bei den „Durmersheimer Boogie Shakers“. Dietmar Ehrentraut war Drucker, seine Frau hat in einer Reinigungsfirma gearbeitet.