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Seligsprechung Papst Johannes Paul II: Vatikan: Am Grab des Riesen

Seligsprechung Papst Johannes Paul II

Vatikan: Am Grab des Riesen

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    Johannes Paul II. vor Seligsprechung
    Johannes Paul II. vor Seligsprechung

    Rom Man wundert sich ein bisschen und weiß zunächst gar nicht warum. Bis klar wird, es ist die Stille, die plötzlich da ist. So einfach ist das. Zum ersten Mal ist das ewige Gemurmel, das Orten wie diesem hier zu eigen sein scheint, für den Moment verstummt. Ein kleines Wunder, mit dem er, der bald Selige, aber nun wirklich nichts zu tun haben kann. Nur noch einer ist hier, der andächtig betet, dazu die beiden Wächter. Und das Grab in der Grotte. In dem noch bis zum Sonntag Papst Johannes Paul II. ruht, der Menschenfischer.

    Es kommen viele her. Wer öfter am Grab ist, könnte auch der Meinung sein: zu viele. Aber es sind nun mal die Tage kurz nach Ostern, kurz vor der „Seligsprechung des Jahres“, wie irgendwo zu lesen war. Rom, der Vatikan und der Petersplatz sind voller Pilger, aber eben auch voller Touristen, deren Ziel vielleicht nicht das Grab, sondern die Stadt und vor allem die Sonne war, die aber jetzt, wo sie schon mal hier sind, auch zu ihm wollen.

    Denn Johannes Paul II., von dem es heißt, er sei ein Medienpapst gewesen, berührt nach wie vor viele Menschen. Im Augenblick liegt der profane Maßstab hierfür bei zehn zu drei: Auf drei verkaufte Benedikt-Souvenirs kommen zehn von JP II. Das sagt einer der Verkäufer, die einem den Weg über die Via della Conciliazone hin zum Petersplatz und zum Grab verleiden. Natürlich ist das eine nicht repräsentative Angabe, die aber glaubwürdig erscheint, weil JP II. einfach überall ist. Selbst im Teleshopping-Kanal werden Rosenkränze mit seinem Gesicht penetrant beworben.

    Was der Pole Karol Wojtyla in seinen über 26 Jahren als Papst bewirkte, beeindruckt nach wie vor. Auch jene, die es nicht unbedingt so mit Seligkeit und Wundern haben. Wie der Vorgänger von Benedikt XVI. im Kalten Krieg die polnische Opposition und die Gewerkschaft Solidarnosc stärkte; dass er seinem Attentäter Ali Agca vergab und mit ihm im Gefängnis sprach; sein Besuch an der Klagemauer von Jerusalem; schließlich: seine Art, mit Menschen umzugehen. Der berühmte Satz, den er ganz zu Beginn seines Pontifikats 1978 sagte und den er auch lebte, lautete: „Habt keine Angst.“

    Das Papstgrab ist eine Pilgerstätte. Aber nicht jeder weiß das und verhält sich danach. Deshalb stehen dabei flankierend zwei der Ordnungshüter des Doms. Die Männer sagen nicht viel, dafür aber machen sie regelmäßig „psssscht“. Denn das Wunder der Stille währt hier unten eben nie lange. Schon kommt der nächste Schwung um die Ecke, vorbei an Innocent VII. und Paul VI., um sich dann vor seinem Grab zu drängeln.

    Ein schlichtes Grab übrigens. Eine weiße Marmorplatte mit goldener Inschrift, dazu Blumengestecke, die kleinen Briefe, sorgsam gerahmte Fotos von Kindern und Kranken, die Anschreiben mit der Bitte um Fürsprache. Dazu eine Kerze. Hier also ruht er, der am kommenden Sonntag von seinem Nachfolger seliggesprochen wird. Ein „Riese“, wie Papst Benedikt XVI. ehrfürchtig gesagt hat. Mit der Seligsprechung erfüllt Benedikt eine der wesentlichen Voraussetzungen für das, was schon im April 2005 unmittelbar nach dem Tod von Johannes Paul II. auf Plakaten von der Trauergemeinde gefordert wurde: „Santo subito – sofort heilig“. So weit ist es noch nicht, aber immerhin. Und dafür, dass eine Seligsprechung (siehe unten stehenden Artikel) eine recht langwierige und auch komplizierte Angelegenheit ist, ging es diesmal – eröffnet wurde das Verfahren im Juni 2005 – so schnell wie nie zuvor in der jüngeren Geschichte der Kirche.

    Für Maja und Lukasz Lukasiewicz ist der kommende Sonntag ein „sehr glücklicher Tag“. Das junge polnische Paar kommt aus Poznan, nicht so weit entfernt von der deutschen Grenze. Lukasz hat lange vor dem Grab gekniet und gebetet. Dann hat er mit einem Rosenkranz den Boden vor dem Grab berührt. „Ich habe das für meine Mutter gemacht. Es ist ein Geschenk für sie.“ Ob er an Wunder glaubt? An das Wunder, das Johannes Paul II. vollbracht haben soll und ohne das er nicht seliggesprochen werden könnte? Dass die früher an Parkinson erkrankte französische Nonne Marie Simon-Pierre nun geheilt sei? Wegen Johannes Paul II.? Lukasz Lukasiewicz nickt. Er sagt: „Ja, ich glaube an Wunder. Der frühere Papst hatte eine ganz besondere Beziehung zu Gott.“ Leider, sagen sie, können sie beide nicht bis Sonntag bleiben. Aber dafür wollen sie sich die Messe auf dem Petersplatz in ihrer Gemeinde im Fernsehen anschauen. Sie wollen den besonderen Moment in Gemeinschaft erleben.

    So wie die etwa 300000 Pilger, die in den kommenden Tagen in Rom wohl zu erwarten sind. Es ist nicht auszuschließen, dass es auch mehr werden. Die Stadt

    Der Leiter des deutschen Pilgerzentrums, der tatsächlich Don Antonio Tedesco (der Deutsche) heißt, hat jedenfalls viel Arbeit. Was ihn aber nicht stört, trotz seiner 70 Jahre. Der Italiener hat Humor und sich eine Gelassenheit zugelegt, die man braucht, wenn man täglich mit Pilgern und ihren größeren und kleineren Problemen umgeht. In dunklem Sakko sitzt der Priester in seinem Büro, das in dem Gebäude nahe der Engelsbrücke nicht sehr weit vom Vatikan am Tiber liegt. Er hat schon oft Pilger an das Grab von Johannes Paul II. geführt. Er hat ihn schließlich persönlich gekannt. Für ihn war dieser Papst „über all die Jahre wie ein großer Vater und Großvater“.

    Er hat eine Kiste mit alten Fotografien entdeckt. Darin ist auch ein Bild, auf dem Johannes Paul II. ihm mit dem Handrücken über die Wange streicht und ihn wegen irgendeiner Sache lobt. „Bravo, Antonio“ habe der Papst gesagt, „bravo“. Danach, sagt Don Antonio, habe er sich immer gedacht: Wenn der Papst mich für „bravo“ hält, dann kann mir der Rest egal sein. Er sagt: „Wichtig ist doch letztlich, dass Menschen zu Pilgern im Geiste werden. Ich glaube, dass die Seligsprechung des Papstes frischen Wind bringen wird. Johannes Paul II. war ein Gottesmann. Wir dürfen ihn verehren und er führt uns zu Gott.“

    Was dem Mann, der sich in der Grotte gerade so hinkniet, als wolle er beten, aber nicht so wichtig zu sein scheint wie ein gelungenes Foto. Das aber ist verboten, weil nicht angemessen an einer Grabstätte – und wer es immer noch nicht begriffen hat, den mahnt eine über Lautsprecher verstärkte Stimme mehrsprachig und regelmäßig: „Wir bitten Sie um Andacht und Stille. Dies ist ein heiliger Ort.“

    Eigentlich aber bräuchte es gar kein eigenes Foto. Auf das Grab ist ohnehin immer eine Webcam gerichtet. Unter www.vaticanstate.va ist es ein Leichtes, sich die vorletzte Ruhestätte von Johannes Paul II. anzusehen. Ob das sein muss? Das Besondere des Ortes erschließt sich auf diesen alle paar Minuten übertragenen Bildern jedenfalls nicht.

    Louisa Spironello kniet schon eine Weile, ganz in sich gekehrt. Sie kümmert sich nicht um die Menschentraube um sie herum. Sie ist Römerin. 52 Jahre ist sie alt, und in diesen 52 Jahren durfte sie Johannes Paul II. zweimal die Hand geben. Jetzt drückt sie das Foto ihres Kindes auf den Boden vor der Grabplatte. Warum genau, darüber schweigt sie sich etwas später, draußen an den Stufen vor dem Dom, aus. Sie sagt nur: „Er hat mir in meinem Leben zweimal sehr geholfen.“

    Natürlich kommt sie am Sonntag. Und natürlich weiß sie, dass das Grab des dann seligen Johannes Paul II., seine wirklich letzte Ruhestätte, in der Sankt-Sebastian-Kapelle oben im Petersdom sein wird. Sie wird ihn wieder und wieder besuchen kommen. „Sicher“, sagt sie, „er ist doch mein Freund.“

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