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Selbstmord auf den Schienen: Der Albtraum eines jeden Lokführers

Selbstmord auf den Schienen

Der Albtraum eines jeden Lokführers

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    Der Albtraum eines jeden Lokführers
    Der Albtraum eines jeden Lokführers

    Es ist ein Arbeitstag wie jeder andere. Doch plötzlich sieht der Lokführer den Mensch auf dem Bahngleis. Keine Chance für ihn rechtzeitig zu bremsen. Der dumpfe Aufprall. Ein Leben ist ausgelöscht. Das des Lokführers wird nicht mehr das sein, was es mal war.

    Selbstmörder auf Bahngleisen - laut Statistik sind das mehr als 1000 Fälle im Jahr. Ungefähr dreimal am Tag wirft sich ein Mensch vor einen Zug. Jeden Lokführer trifft es durchschnittlich zwei Mal in seinem Berufsleben.

    "Es gibt Betroffene, die lebenslang mit den Auswirkungen zu tun haben", sagt Sven Grünwoldt, stellvertretender Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Es sind die Lokomotivführer, die damit leben müssen, einen Menschen überfahren zu haben.

    "Personenschaden" heißt es zunächst nüchtern über Rettungsfunk, wenn der Albtraum eines Lokführers wahr wird. Doch auch Gerhard Neuz von der Berufsfeuerwehr Augsburg weiß: "Es sind die grausamsten Einsätze, die es gibt."

    Für den Lokführer setzt dann der Notfallplan ein. Sein Unternehmen muss ihn noch vor Ort ablösen und ihm psychologisch betreuen - an der Unfallstelle und darüber hinaus. Auch während der ersten wieder aufgenommenen Fahrten sollten sie psychologischen Beistand erhalten, so der stellvertretende GDL-Chef. Allerdings verfügten nicht alle der über 300 deutschen Eisenbahn-Verkehrsunternehmen über ein umfangreiches Betreuungskonzept. "Hier ist die Politik gefragt, gesetzliche Standards zu verankern", fordert Grünwoldt.

    "Lokführer müssen nicht nur das Erlebte verarbeiten, unter Umständen drohen ihnen auch finanzielle Einbußen. Schließlich setzt sich laut Sven Grünwoldt von der GDL ein Gehalt aus einem Grundgehalt und variablen Zulagen zusammen, die es mitunter für Zugfahrten gibt. Verbeamteten Lokführern etwa werden diese Zulagen nicht weiter gewährleistet. "Unmöglich, was den Lokführern zugemutet wird", schimpft der stellvertretende GDL-Chef. "Manche sind dann genötigt, gegen die Erben der Suizidenten zu klagen." Weder Bund noch Unternehmen hätten sich hier bislang einigen können. "Wir verlangen Ausgleichszahlungen", so Grünwoldt.

    Der letzte Blick in die Augen

    Wie schwer es für die betroffenen Lokführer ist, die Geräusche und den Anblick zu verarbeiten, weiß Gerhard Schöffel, Leiter des Kriseninterventionsteams der Augsburger Malteser, aus Erfahrung. Derartige Einsätze gehören zum Alltag der Retter. "Wir haben hier in Augsburg eine der befahrensten Zugstrecken Deutschlands. Da passiert regelmäßig etwas", sagt Schöffel. Lokführer berichteten den Helfern oft, wie sie den Selbstmördern vor dem Aufprall noch in die Augen schauten. Ina Kresse

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