Historische Zäsur für die katholische Kirche und ein bewegender Abschied aus Rom: An seinem letzten Arbeitstag hat Papst Benedikt XVI. den Vatikan verlassen und seinem Nachfolger "bedingungslose Hochachtung und Gehorsam" versprochen. Sein knapp achtjähriges Pontifikat endete wie von ihm bestimmt am Donnerstag um 20.00 Uhr - ein spektakulärer Moment, der in die Kirchengeschichte eingeht. Knapp drei Stunden vorher verließ der 85-Jährige den Vatikan und flog mit seinem Privatsekretär Georg Gänswein im Hubschrauber in die Sommerresidenz Castel Gandolfo, wo er die kommenden Monate leben will. Zum Abschied läuteten die Glocken.
Benedikt ist der erste Papst der Neuzeit, der von seinem Amt zurücktrat. Wann sein Nachfolger gewählt wird, steht noch nicht fest. In seinem Heimatland verabschiedeten sich die Katholiken bei Dankgottesdiensten von "ihrem" Papst.
Stichwort Sedisvakanz
Mit dem Ende des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. beginnt am 28. Februar um 20 Uhr die Zeit der Sedisvakanz.
Das ist die Zeit, in der das Amt des Papstes nicht besetzt ist - normalerweise vom Tod des Kirchenoberhaupts bis zur Wahl seines Nachfolgers.
Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und heißt wörtlich übersetzt «leerer Stuhl». Nach kirchlichem Verständnis sitzt der Papst auf dem Stuhle Petri.
Der Glaubenslehre zufolge ist der Papst der Nachfolger des Apostels Petrus, den Jesus von Nazareth nach dem Matthäus-Evangelium als ersten Kirchenführer eingesetzt hatte.
Während der Sedisvakanz leitet das Kardinalskollegium die Kirche. Seine Befugnisse sind aber auf Aufgaben und Entscheidungen beschränkt, die nicht aufgeschoben werden können.
Von Päpsten erlassene Gesetze dürfen in dieser Zeit nicht korrigiert oder abgeändert werden. Die zwischenzeitliche Verwaltung der Kirche übernimmt der Kardinalkämmerer (Camerlengo) mit drei Kardinal-Assistenten.
Das Kardinalskollegium bereitet vor allem die Wahl des neuen Papstes vor. Während der Sedisvakanz werden spezielle Münzen und Medaillen geprägt.
Als letzte öffentliche Handlung seines Pontifikats trat Benedikt um 17.38 Uhr auf die Loggia des Palastes in Castel Gandolfo vor den Toren Roms und grüßte die dort versammelten Gläubigen. Er breitete die Arme aus und wurde mit lautem Jubel, "Benedetto"-Rufen und bunten Transparenten gefeiert. "Ich bin kein Papst mehr, ich bin nur noch Pilger", sagte er und segnete die Gläubigen. Und dann: "Gute Nacht."
Um 20.00 Uhr wurde als symbolisches Zeichen für das Ende des Pontifikats das Portal der Residenz geschlossen. Noch einmal gab es "Viva il Papa"-Rufe und Glockengeläut in Castel Gandolfo.
Glockenschläge für den scheidenden Papst
Zuvor ließ Benedikt am Nachmittag seine Gemächer im Vatikan hinter sich, stieg - begleitet von Applaus - hinter dem apostolischen Palast in einen Wagen und fuhr zum Helikopter-Startplatz. Er wirkte gelöst, hob die Arme zum Gruß und stieg dann in den weißen Hubschrauber. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, zahlreiche Mitarbeiter der Kurie und die Schweizer Garde bereiteten ihm einen emotionalen Abschied. Nicht nur Gänswein bekam feuchte Augen.
Nachdem die Gruppe um 17.07 Uhr gestartet war, verabschiedete Rom Benedikt mit Glockengeläut. Um 17.23 Uhr landete der Helikopter in Castel Gandolfo 30 Kilometer südöstlich von Rom. In dem kleinen Städtchen wurde er von tausenden Menschen begeistert empfangen.
Mit dem Ende von Benedikts Pontifikat begann die Zeit der Sedisvakanz ("leerer Stuhl Petri"), bis ein neues Oberhaupt von mehr als einer Milliarde Katholiken gewählt wird. Am Freitag sollen die Kardinäle aufgefordert werden, sich in Rom zu versammeln. Der Vatikan geht davon aus, dass sich das Kollegium dann Anfang nächster Woche trifft, um die Wahl eines neuen Papstes vorzubereiten. Wann das Konklave beginnt, an dem nach Vatikan-Angaben voraussichtlich 115 Kardinäle teilnehmen werden, ist noch offen.
"Bedingungsloser Gehorsam" für den Nachfolger
Die letzten Stunden im Vatikan nutzte Benedikt für ein persönliches Treffen mit den Kardinälen, von denen er sich voller Demut verabschiedete. "Unter Euch ist auch der kommende Papst, dem ich meine bedingungslose Hochachtung und meinen Gehorsam verspreche", sagte er.
Der 85-Jährige hatte seinen Rücktritt am 11. Februar angekündigt und mit schwindenden Kräften begründet. Seinen letzten Tweet als Oberhaupt der katholischen Kirche verschickte er um 17.00 Uhr. "Danke für eure Liebe und Unterstützung. Ich wünsche, dass ihr immer Freude dabei erfahrt, Christus in die Mitte eures Lebens zu stellen", schrieb er. Der Account soll zunächst stillgelegt werden, bis Benedikts Nachfolger entscheidet, ob er unter dem Namen "@Pontifex" weiter twittern will.
In Deutschland läuteten in vielen katholischen Kirchen die Glocken. Am Abend gab es vielerorts Dankgottesdienste. Am zentralen Gottesdienst in der Kathedrale St. Hedwig in Berlin nahmen rund 1000 Gläubige teil, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, würdigte den deutschen Papst in seiner Predigt als "Fels in der Brandung einer sich rasant verändernden Welt". Sein Wirken sei von theologischer Tiefe und intellektueller Weite geprägt gewesen.
Dank und Applaus von den Kardinälen
Voraussichtlich im Frühjahr zieht der "emeritierte Papst", wie er nun offiziell heißt, in ein Klostergebäude in den Vatikanischen Gärten, das für ihn hergerichtet wird. Dort will er zurückgezogen leben und sich dem Gebet widmen. Ein Ex- und ein neuer Papst gemeinsam im Vatikan - wie das in der Praxis genau funktioniert, muss sich zeigen. Statt der Schweizer Garde ist künftig die Gendarmerie des Vatikans für die Sicherheit des 85-Jährigen zuständig. Benedikts bisherige Wohnung im Apostolischen Palast wurde versiegelt.
Beim Abschiedstreffen am Vormittag spendeten die 144 Kardinäle Benedikt in der Sala Clementina des Vatikans langen Applaus. Viele von ihnen wählen im März seinen Nachfolger. Der deutsche Papst verabschiedete sich von jedem Kardinal mit einem Handschlag und einigen persönlichen Worten. "Eure Nähe und Eurer Rat waren in meiner Amtszeit eine große Hilfe", sagte er.
Der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Sodano, bedankte sich in einer kurzen Ansprache bei dem scheidenden Papst. "Heute wollen wir Ihnen noch einmal unsere ganze Dankbarkeit ausdrücken. Alle zusammen geben wir Ihnen einen Ausdruck aus Ihrem Heimatland mit auf den Weg: "Vergelt's Gott", dass Gott Sie belohnt." dpa