Lange Zeit hieß es, Schwangere haben im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen kein höheres Risiko, schwer am Coronavirus zu erkranken. Doch Anfang der Woche veröffentlichten die amerikanischen Gesundheitsbehörden eine Studie, die Anlass gibt, dieses Urteil zu überdenken. Wenn schwangere Frauen an Covid-19 erkranken, verläuft die Infektion mit einer höheren Wahrscheinlichkeit schwerer als bei Frauen, die nicht schwanger sind. So das Ergebnis des Berichts.
Hinweise, die in diese Richtung deuten, habe es schon vorher gegeben, sagt Ulrich Pecks. Er leitet die Geburtshilfe am Uniklinikum Schleswig-Holstein in Kiel und ist Vorstandsmitglied in der Deutschen Gesellschaft für perinatale Medizin. Sie gibt Empfehlungen dazu heraus, wie Schwangere und Frauenärzte mit dem Coronavirus umgehen sollen. Und erhebt selbst Daten dazu, wie Covid-19-Erkrankungen bei Schwangeren und ihren Babys in Deutschland verlaufen.
Für die US-Studie werteten die Centers for Disease Control and Prevention - kurz CDC - Gesundheitsdaten von allen Amerikanerinnen aus, die zwischen dem 22. Januar und dem 3. Oktober 2020 positiv auf das Coronavirus getestet worden waren und Symptome hatten. Die also wirklich an Covid-19 erkrankt waren. Das Ergebnis: "Obwohl das absolute Risiko für schwere Erkrankungen bei Frauen niedrig ist, gibt es bei schwangeren Frauen ein erhöhtes Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung", heißt es in der Studie. Allerdings - auch das betonen die Studienautoren - ist das Risiko für eine schwangere Frau, sich mit dem Virus anzustecken und Symptome zu entwickeln, niedrig. "Bei 50 bis 80 Prozent der Frauen verläuft die Infektion symptomfrei", sagt der Kieler Mediziner Pecks.
Ein Prozent der schwangeren Frauen mit Covid-19 kommt auf die Intensivstation
Die Auswertung der US-Zahlen ergab, dass 10,5 von 1000 schwangeren Frauen mit einer Covid-Erkrankung auf die Intensivstation kamen. Unter nicht schwangeren Frauen lag die Quote bei 3,9 von 1000 Fällen. 2,9 von 1000 schwangeren Frauen mussten beatmet werden - bei nicht schwangeren Frauen waren es 1,1 von 1000 Fällen. Und 0,7 von 1000 schwangeren Frauen mussten über eine sogenannte ECMO - also ein Gerät, das das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff anreichert - versorgt werden. Bei Frauen, die nicht schwanger waren, war das nur in 0,3 von 1000 Fällen so.
Dazu zeigt die Studie: Schwangere Frauen, die zwischen 35 und 44 Jahren alt sind, wurden mit einer vier Mal höheren Wahrscheinlichkeit beatmet als nicht schwangere Frauen im gleichen Alter. Und sie starben doppelt so häufig wie Frauen, die nicht schwanger waren. Aber wie verlässlich ist die Studie?
Corona in der Schwangerschaft: Wie sollen sich Frauen verhalten?
Der Kieler Oberarzt Ulrich Pecks hat dazu eine klare Meinung: "Das ist die erste internationale Studie von Bedeutung", sagt er. Schon früher hätten Studien aus den USA, aus Schweden und Großbritannien in eine ähnliche Richtung gedeutet. Doch diese Untersuchungen hatten oft keine verlässliche Datengrundlage. Das ist nun anders.
Aber was bedeuten diese Ergebnisse jetzt für schwangere Frauen? Sollen sie sich zu Hause vergraben? Das nicht, sagt Pecks. Eine Schwangerschaft erhöhe ja nicht das Risiko, sich anzustecken, sondern das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs. Deshalb sollten Schwangere vorsichtig sein und sich an die geltenden Corona-Regeln halten: Abstand halten, regelmäßig Hände waschen, eine Alltagsmaske tragen und die Kontakte so weit es geht reduzieren. Zudem empfiehlt Pecks Schwangeren dringend, sich gegen die saisonale Grippe impfen zu lassen.
Arzt rechnet Schwangere in die Corona-Risikogruppe
Anders als das Robert-Koch-Institut stuft Pecks Schwangere auch als Risikogruppe ein. "Wir empfehlen Schwangeren daher auch, Arbeitsstellen mit viel Publikumsverkehr zu meiden", sagt er. Wie das Robert-Koch-Institut auf diese neusten Ergebnisse aus den USA reagiert und ob es die Einordnung in Risikogruppen anpasst, ist unklar. Auf Anfrage unserer Redaktion antwortet eine Sprecherin, dass der Steckbrief für Risikogruppen regelmäßig angepasst werde. Noch tauchen Schwangere dort allerdings nicht auf.
Lesen Sie dazu auch:
- Grippeschutz: Gibt es in Bayern noch genug Impfstoff?
- Über zwei Väter, die den Kampf gegen Covid-19 verloren haben
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.