Für Boulevardmedien sind sie ein gefundenes Fressen: die Trennungs-Schlammschlachten, die sich Promi-Paare liefern. Da wird in allen Einzelheiten berichtet, unter Inkaufnahme von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und ohne ethische Bedenken – mögliche juristische Auseinandersetzungen, gar Schadensersatzzahlungen sind dabei in der Regel eingepreist. Zuletzt ging es um Model Kasia Lenhardt. Die 25-Jährige starb am Dienstag. Es gebe keine Anzeichen für Fremdeinwirkung, erklärte die Berliner Polizei.
Für Boulevardmedien ist der Tod von Kasia Lenhardt ein gefundenes Fressen
Die Bild, aber auch Seiten wie Promiflash.de berichteten ausführlich, teils spekulierten sie wild – und schreckten auch nicht davor zurück, den minderjährigen Sohn der früheren Teilnehmerin der Castingshow "Germany’s Next Topmodel" zu erwähnen. Kasia Lenhardt war, das steigert das Interesse, die Freundin von Fußball-Star Jérôme Boateng. Der hatte die Beziehung beendet und dies wenige Tage vor ihrem Tod öffentlich – auch in der Bild ("Boateng rechnet mit seiner Ex ab") – mitgeteilt. Sie habe die Beziehung zu seiner Ex-Freundin und seiner Familie zerstört und ihn erpresst, sagte er. Es folgten weitere gegenseitige Vorwürfe, begleitet von einer fast schon exzessiven Berichterstattung und einem Shitstorm im Internet, der sich über Lenhardt als vermeintliche "Familienzerstörerin" ergoss.
Damit drängt sich die Frage nach der Verantwortung von Medien auf. Medienethikprofessor Christian Schicha von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sagte unserer Redaktion, man dürfe nicht den Fehlschluss ziehen, dass sich Lenhardt möglicherweise nur wegen der Boulevardberichterstattung getötet habe. Dazu kenne man die Hintergründe nicht. "Bild und andere Medien wie Promiflash haben aber durch ihre umfangreiche Berichterstattung dazu beigetragen, dass die öffentliche Kritik an Lenhardt zugenommen hat", so Schicha.
Das sagt ein Medienethik-Professor über die Berichterstattung zum Tod von Kasia Lenhardt
Aus seiner Sicht hätte "nicht unbedingt" über ihren Tod berichtet werden müssen. "Das öffentliche Interesse ist meines Erachtens weniger relevant als der notwendige Schutz des Opfers und seiner Angehörigen. Es geht hier um eine tragische, private Angelegenheit." Gleichwohl sollte man über die Berichterstattung in dieser Angelegenheit informieren – sofern eine medienkritische und medienethische Reflexion erfolge. "Wenn man mediale Grenzüberschreitungen und Standards der Berichterstattung zum Thema macht, ist dies ein konstruktiver Ansatz für eine notwendige öffentliche Debatte." Es gehe darum, verbindliche Regeln für die Berichterstattung über Selbsttötungen zu finden. Tatsächlich wird diese Debatte immer wieder geführt, aktuell in taz, RND, Berliner Zeitung – oder an dieser Stelle.
Laut Pressekodex gebietet die Berichterstattung über Selbsttötung Zurückhaltung. Daran scheint sich das Gros seriöser Medien zu halten. Schicha hat zudem beobachtet, dass viele Medien auch in diesem Fall darauf hingewiesen hätten, dass sie wegen der Nachahmungsgefahr nur ausnahmsweise berichten würden und Telefonnummern von Hilfseinrichtungen für gefährdete Personen in ihren Beiträgen angegeben hätten. Die Bild tat das aber ebenfalls.
Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie darüber! Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten - per Telefon, Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch, auch anonym. Hier finden Sie eine Übersicht.