Dutzende Anwälte sollen es sein, die nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia weltweit Überlebende und Opfer-Angehörige vertreten. In den USA gibt es schon Sammelklagen. Der US-Anwalt John Arthur Eaves will nun vom US-Konzern "Carnival", zu dem die italienische Reederei "Costa Crociere" gehört, Rekordsummen erstreiten. Im Extremfall fordert er für Angehörige von Todesopfern bis zu fünf Millionen Dollar.
Am Samstag stellte er in München Überlebenden und Pressevertretern sein Konzept vor: Im Erfolgsfall kassiert er gut ein Drittel; bei Misserfolg müssen die Mandanten nichts zahlen. Die "Costa Concordia" hatte im Januar nahe an der Insel Giglio einen Felsen gerammt und war mit mehr als 4200 Passagieren und Crew-Mitgliedern gekentert. 25 Leichen wurden geborgen, sieben Menschen werden noch vermisst. "Es war alles ein Chaos", berichtet Birgit Schretzmeir aus Wertingen, die mit ihrem Partner Peter Denzel und Freunden an Bord war. "Wir sind sehr lange belogen worden."
Costa-Concordia-Opfer kommen die Tränen
Die beiden kamen mit den Letzten von Bord. "Wenn ich darüber rede, kommt mir jetzt noch eine Träne aus den Augen - was mir sonst nicht passiert", sagt Denzel. Die Reederei hat für die Schreckensnacht 11 000 Euro plus 3000 Euro für zusätzliche Ausgaben angeboten. Manche haben das angenommen. Eaves hält das für viel zu wenig. "Sie könnten mir nicht 11 000 Euro anbieten, als Gegenleistung dafür, dass ich sechs Stunden allein im Dunkeln Todesangst ausgestanden habe." Etwa so lange dauerte es, bis Schretzmeir und Denzel in Sicherheit waren.
Um Geld geht es den Überlebenden nur zum Teil. Alfred Semelink sagt, es müsse sich grundsätzlich etwas ändern. "Das kann es nicht sein, wie das abgelaufen ist - das ist untragbar." Eaves betont, ihm gehe es besonders um bessere Sicherheitsbestimmungen. "Was wir heute ändern, wird in Zukunft Leben retten." Gerade deshalb sei hoher Druck durch hohe Entschädigungen nötig. "Gesellschaften wie "Carnival" müssen zu dem Schluss kommen, dass es besser ist, in die Sicherheit zu investieren, bevor das Unglück passiert anstatt nach dem Unglück zu zahlen."
Anwalt fordert 100 000 Dollar pro Concordia-Opfer
Mindestens 100 000 Dollar fordert Eaves pro Mandant, bei Todesfällen zwei bis fünf Millionen Dollar. Bleibt er erfolglos, zahlen die Betroffenen nichts. Bei einer außergerichtlichen Einigung bekommt er 35 Prozent, geht es vor Gericht, 40 Prozent. Auf Erfolgsbasis zu arbeiten, sei in Europa eher ungewöhnlich, in den USA aber üblich, sagt Eaves' Europa-Korrespondent Michael Verhoven. Auch eher ungewöhnlich: Brauchen Betroffene gleich Geld, streckt ein Investor die 11 000 Euro vor, die sonst die Reederei zahlen würde. Kommt für den Mandanten am Ende mehr heraus, soll der Investor hohe Zinsen oder eine Prämie kassieren. Andere Anwälte haben andere Vorstellungen von Entschädigungshöhen. Etwa der deutsche Anwalt Andreas Widmann sagte im Februar, 11 000 Euro sei angemessen für Passagiere ohne bleibende körperliche oder seelische Schäden. Eine Mailänderin wiederum, die nach dem Unglück eine Fehlgeburt erlitt, verlangt eine Million Euro. Eaves vertritt auch Mandanten einer Bozener Kanzlei. In Italien gibt es gute Entschädigungsmöglichkeiten in Todesfällen. Der Bozener Anwalt Markus Wenter sagt, er rate dennoch zum Gang in USA, gerade, wenn niemand umgekommen sei. "Wir sind jetzt schon so stark, dass uns die Reederei ernst nehmen muss." Eaves vertrete etwa 100 Menschen. Er hoffe, dass es nach dem Pressetermin noch mehr würden, sagt Wenter. Die Betroffenen, die zu dem Treffen gekommen sind, überlegen noch, ob sie über die US-Kanzlei gehen. "Das Konzept scheint schlüssig zu sein", sagt Semelink. "Wir haben uns das angehört und werden uns besprechen." dpa