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Schicksal: Vom Streben nach Glück

Schicksal

Vom Streben nach Glück

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    Das Streben nach Glück ist so alt wie die Geschichte der Menschheit.
    Das Streben nach Glück ist so alt wie die Geschichte der Menschheit.

    Augsburg. Es gibt grandiose Alltagsphilosophen, die im Laufe der Zeit ins Nirgendwo abgetaucht sind. Jürgen Wegmann ist so einer. Den meisten Menschen aus dem Gedächtnis entschwunden, prägte der Mann mit dem Beinamen "die Kobra" allerdings einen Spruch, der vielen noch unvergessen ist. "Erst hatten wir kein Glück", sprach er einst, "und dann kam das Pech dazu."

    Wegmann war damals Fußballspieler, sein Verein, in den 80er Jahren der FC Bayern, hatte gerade ein Spiel vergeigt.

    Mit Glück und Pech ist Wegmann auch im richtigen Leben vertraut. 69 Bundesligatore schoss der Torjäger in 203 Spielen, er verdiente Millionen. Heute ist Wegmann praktisch pleite. Eine Scheidung hat einen Großteil des Vermögens aufgefressen. Sein Satz wurde zu seinem Schicksal.

    Wir wissen nicht, ob

    Jürgen Wegmann

    an diesem

    Silvesterabend

    in seiner Einzimmerwohnung in Essen-Frohnhausen einsam ein Marzipan-Glücksschwein verspeist, in der Hoffnung, seinem Leben so noch einmal eine Wendung geben zu können. Doch man wünscht dem früheren Torjäger, über den man auf der Spurensuche des Glücks zufällig stolperte, alles Gute.

    Überhaupt kommt man bei diesem Thema am Sport nicht vorbei. Glück wird dort in den unterschiedlichsten Varianten täglich irgendwo auf der Welt strapaziert, gesucht, gefunden und wieder verloren. Fortune krönt die Weltmeister und Olympiasieger. Neben der Leistung ist sie die wichtigste Komponente. Dieser Tage drücken beispielsweise viele dem Skispringer Martin Schmitt die Daumen, dass er bei der Vierschanzentournee nach sportlichen Dürrejahren wieder ausreichend Dusel habe ...

    Letzterer ist auch im wirklichen Leben ein entscheidender Faktor. Gerade an Silvester wollen sich die meisten Menschen das Glück gefügig machen. Sie stellen dazu allerlei abergläubischen Nonsens an. Der reicht vom Bleigießen über Schornsteinfegeranfassen bis zum Glücksklee-in-den-Schuh-Stecken. Wir wollen jedoch etwas tiefer in die Materie einsteigen und stellen darum die vielleicht entscheidende Frage: Was ist eigentlich Glück? Eine nur bedingt befriedigende Antwort findet sich im Internet-Lexikon Wikipedia. Da steht: Glück erstreckt sich vom momentanen Glücksgefühl bis zu anhaltender Glückseligkeit. Eingeschlossen ist aber auch der glückliche Zufall oder die - für Wegmann erhoffte - zu mehr Lebensglück verhelfende Schicksalswende. Aha! Das reicht aber nicht, weiter!

    Das Wort "Glück", so heißt es zudem, komme vom mittelniederdeutschen "gelucke" und dem mittelhochdeutschen "gelücke". Es bedeutete etwa "die Art, wie etwas gut ausgeht". Ergo war Glück so etwas wie der günstige Ausgang eines Ereignisses. Voraussetzung dafür wären also weder Talent noch eigenes Zutun. Dagegen spricht allerdings der Volksmund, der zumindest eine anteilige Verantwortung des Einzelnen fürs Lebensglück bejaht, indem er sagt: "Jeder ist seines Glückes Schmied."

    Nicht im Schlaf, sondern durch ein gerechtes Leben

    Was lässt sich daraus schließen? Die Fähigkeit zum Glücklichsein hängt sowohl von äußeren Umständen als auch von individuellen Einstellungen in einer gegebenen Situation ab.

    Auch antike Philosophen von Sokrates, Platon über Aristoteles behaupteten, glücklich werde man nicht im Schlaf, sondern man müsse schon selbst etwas dazu tun. Einig waren sie sich auch, dass Glück nichts mit materiellem Reichtum zu tun hat. Zu den "Inseln der Seligen" gelange nach seinem Tod, wer sein Leben gerecht und heilig geführt habe, meinte Meister Platon. Ähnlich wird auch im Neuen Testament argumentiert. Wir lassen diesen Satz einfach wirken.

    Im Laufe der Jahrhunderte gibt es wenige Philosophen, die nicht übers Glück gesprochen haben. Sie überspringen wir aber - leichtsinnigerweise, wie man kritisieren könnte - und landen am äußersten Zipfel des gerade vergangenen Jahrtausends bei einer der ungezählten modernen Glücks-Studien.

    Auf der weltweiten Glücksskala schafft Deutschland nur Rang 42

    Diese Untersuchung der London School of Economics and Political Science sorgte 1998 für großes Erstaunen. Ihrem Ergebnis zufolge beherbergen Bangladesch, Aserbaidschan und Nigeria die glücklichsten Menschen der Welt. Dort hätte man Fortuna nun wirklich nicht im Übermaß vermutet. Deutschland erreichte übrigens nur Rang 42, die USA rangierten noch einige Plätze dahinter. Glücksvergleiche dieser Art seien aber problematisch, denn das Empfinden könne, je nach Ausgangslage, erheblich unterschiedlich sein, argumentieren die Kritiker. Das heißt: Eine alte Frau in

    Objektiver zu werten sind da schon die jüngsten Ergebnisse von Neurowissenschaftlern. Die behaupten, dass chemische Botenstoffe wie Endorphine oder Oxytocin sowie Dopamin und Serotonin bedeutenden Einfluss auf Glücksempfindungen haben. Das Gehirn soll sie bei unterschiedlichen Aktivitäten freisetzen. Nämlich da, wo wir sie schon immer vermuteten: zum Beispiel beim Essen, beim Sex oder beim Sport. Da wirbelt die Biochemie und bringt uns zum Frohlocken - zumindest manchmal.

    Dass aber auch Forschung nicht schwurbelfrei ist, bestätigen Ausführungen kalifornischer Wissenschaftler um den Sozialpsychologen Dacher Keltner. Der wird 2009 die Studie "Born to Be Good" (geboren, um gut zu sein) vorstellen. Glück sei ein Gefühl, das wir empfinden, wenn wir mit anderen interagieren, sagt er. Überhaupt sei das gesamte menschliche Verhalten nicht vom Selbstinteresse, sondern von einem biologisch bedingten Glücks-Verlangen gesteuert.

    Da gefällt uns eine andere aktuelle Studie besser: Darin folgern US-Forscher, dass Glück ansteckend wirkt. Demnach steigert ein glücklicher Mensch die Wahrscheinlichkeit, dass sein direkter Nachbar glücklich ist, um 34 Prozent. Bei einem in der Nähe wohnenden Freund sind es 14 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit auf eigenes Wohlbefinden steige besonders, wenn ein gleichgeschlechtlicher Freund ebenfalls Glück verspürt, heißt es. Der Nachteil: Das Glück von Ehepartnern und Lebensgefährten hat dabei kaum Einfluss.

    Warum auch immer, wir zweifeln das an. Unserem Bauchgefühl folgend, halten wir es darum lieber mit dem guten alten Herbert Grönemeyer. Der singt in seinem jüngsten Hit "Glück": Was immer Du denkst/wohin ich führe/ wohin es führt/ vielleicht nur hinters Licht/Du bist ein Geschenk/Seit ich Dich kenne/Seit ich Dich kenne/Trag ich Glück im Blick. Das klingt schön, sinnlich und romantisch. So ließe es sich auch im neuen Jahr leben.

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