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Interview: Schauspielerin Wedhorn: „Leben ist zu kurz für Äußerlichkeiten“

Interview

Schauspielerin Wedhorn: „Leben ist zu kurz für Äußerlichkeiten“

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    Eine Unterhaltungsserie über eine Krebspatientin, geht das? Tanja Wedhorn spielt in „Fritzie – Der Himmel muss warten“.
    Eine Unterhaltungsserie über eine Krebspatientin, geht das? Tanja Wedhorn spielt in „Fritzie – Der Himmel muss warten“. Foto: Gordon Mühle

    Frau Wedhorn, Sie sind zurzeit in der ZDF-Serie „Fritzie – Der Himmel muss warten“ zu sehen. In der geht es um eine Krebspatientin und ihre Krankheit. Ist das nicht sehr ungewöhnlich für eine Unterhaltungsserie?

    Tanja Wedhorn: Aus schauspielerischer Sicht ist das vor allem ein Riesengeschenk, ich wollte diese Rolle unbedingt haben. Vom Sender finde ich das total mutig. Die Serie beginnt ja in der ersten Szene gleich mit der Diagnose: Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Danach schwingt diese Diagnose in jeder Szene mit. Für Fritzie ist nichts mehr wie vorher. Plötzlich hat alles eine andere Bedeutung, egal ob es nur das Brötchenholen oder Kuchenbacken für ihren Sohn ist. Sie ist sich ihrer Endlichkeit plötzlich sehr bewusst.

    Wie heikel ist die Gratwanderung zwischen dem Ernst des Themas und den Erfordernissen der TV-Unterhaltung?

    Wedhorn: Uns allen war klar, dass die Serie unterhaltend sein muss, obwohl es um Krebs geht, auch wenn das vielleicht seltsam klingt. Wir wollen unsere Zuschauer ja nicht verstören oder traurig machen, und es ist ja auch keine Doku. Wir wollen dieser Krankheit gerecht werden, sehen es aber zugleich als unsere Aufgabe, trotz allem Mut zu machen, Fröhlichkeit und Lebensfreude zu transportieren.

    Soll die Serie auch ein Aufruf sein, zur Früherkennung zu gehen?

    Wedhorn: Auf jeden Fall. Ich bin selber zwei Wochen vor Drehbeginn noch mal zur Vorsorgeuntersuchung, weil ich wissen wollte, dass alles gut ist, bevor ich mich so tief in das Thema hineinbegebe.

    Haben Sie sich zur Vorbereitung auf Ihre Rolle mit Betroffenen oder Medizinern unterhalten?

    Wedhorn: Die Vorbereitung ist mir nicht leicht gefallen, weil ich eine große Verantwortung gefühlt habe. Ich kam mir anfangs vor wie eine Hochstaplerin, weil ich letztlich keine Ahnung habe, wie es sich anfühlt, so eine Diagnose zu erhalten. Ich fragte mich: Werde ich dem gerecht? Ich habe mit Ärzten gesprochen und Bücher gelesen. Eine Bekannte von mir schrieb mir dann, dass ihre Mutter, ihre Schwester und ihre beste Freundin alle Brustkrebs haben und dass alle ganz unterschiedlich damit umgehen – diese Erkenntnis war richtig befreiend für mich, und ich konnte Fritzie auf meine eigene Art spielen.

    Beim Thema Brustkrebs spielt der weibliche Körper eine zentrale Rolle. Haben Sie vor Drehbeginn vereinbart, wie viel nackte Haut Sie zeigen wollen und wo Ihre Grenzen sind?

    Wedhorn: Klar, das haben wir alles besprochen. Es gibt eine Duschszene, da hätte rein theoretisch auch mal eine Brust gezeigt werden können. Aber will ich das hinterher abfotografiert in der Boulevardpresse sehen und dadurch für immer im Netz? Eher nicht. Es wäre für mich okay gewesen, wenn es inhaltlich zwingend ist, aber ich war ehrlich gesagt froh, dass es nicht nötig war.

    Die Serie dreht sich auch um die Frage: Was macht Schönheit und Weiblichkeit aus? Die Ärzte raten Fritzie zu einer Amputation…

    Wedhorn: In einer meiner Lieblingsszenen zieht sich Fritzie auf der Schülertoilette bis auf die Unterwäsche aus, um einer magersüchtigen Schülerin zu zeigen: Mag ja sein, dass sich in dieser Welt wahnsinnig viel darum dreht, möglichst dünn zu sein – aber in Wahrheit sind doch andere Dinge wichtiger. Das Leben ist zu kurz, um es an solchen Äußerlichkeiten wie dem perfekten Körper festzumachen. Ich habe mich oft gefragt, was Fritzie umtreibt. Ist es die Sorge, dass sie bald diese Narbe hat – oder nicht doch die Erkenntnis, dass sie nächstes Weihnachten vielleicht nicht erlebt?

    Fritzie ist Gymnasiallehrerin, Sie selber haben vor Ihrer Schauspielkarriere auf Lehramt studiert.

    Wedhorn: Ich habe in Dortmund studiert und wäre Grundschullehrerin geworden. Unterrichtet hätte ich so ziemlich alles, Mathe und Deutsch unter anderem – aber eigentlich hatte ich mich auf evangelische Religion spezialisiert. Ich war als Kind in Witten selber wahnsinnig gerne Grundschülerin und habe evangelische Religion unglaublich geliebt. Als Studentin war es meine Vorstellung, dass ich mit den Kindern im Religionsunterricht über Ängste sprechen würde, über Mobbing, über das Miteinander. Ein kühner Plan, im Nachhinein betrachtet.

    TV-Tipp Alle Folgen von „Fritzie“ sind online in der ZDFmediathek abrufbar. Im Fernsehen laufen sie donnerstags um 20.15 Uhr. Tanja Wedhorn wurde 1971 in Witten im Ruhrgebiet geboren. Ihren Durchbruch hatte sie 2004 als Hauptdarstellerin der Telenovela „Bianca – Wege zum Glück“. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Berlin.

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