Was bei allem Triumph der Melancholie in den kometenhaften ersten 15 Jahren von seiner und Martin Gores und Andrew Fletchers Band „Depeche Mode“ unvorstellbar wirkte, ist exakt zum Start in die zweiten schmerzhaft Wirklichkeit geworden: dass Gahan diesen Dämonen, über die er da singt und die da aus ihm singen, erliegen könnte. 1995 aber versuchte der Sänger, schwerst drogenabhängig, sich umzubringen. Und bei einem zweiten Versuch ein Jahr später wäre es ihm dann fast gelungen. Zwei Minuten war Gahan klinisch tot damals. Glück also, dass der Brite vor zwei Wochen überhaupt 50. Geburtstag feiern konnte. Und wohl kein Zufall, dass es jetzt auch ein neues Album von ihm gibt mit dem Titel „The light the dead see“.
Er, der 1989 die religionskritische Hymne „Personal Jesus“ gesungen hat, kündet heute also von einem Licht, das nach dem Ende auf uns warte – und tröstlich und majestätisch ist dieses Künden. Gahan nämlich singt die selbst geschriebenen Texte der zwölf neuen Songs nicht zu den elektronisch aufgeladenen Großkompositionen von Depeche Mode und nicht zu den raueren Klängen seiner Solo-Alben. Gahan singt erstmals ein vollständiges Album mit einer anderen Band, die auch noch „Soulsavers“ heißt, Seelenretter also, und die klingen über allen Pop-Wurzeln eben auch so: orchestral, innig, triumphal.
Nicht nur die Geschehnisse von Mitte der 90er verschaffen Gahans Besinnung Nachdruck. Es ist auch sein erstes Album, nachdem bei ihm 2009 ein bösartiger Blasentumor festgestellt wurde. Und so präsentiert sich der 50-jährige Brite jetzt, nach Operation und Regeneration, als vom Krebs Geheilter – und dadurch sogar noch mehr als schon zuvor auch als Geläuterter. Kein Alkohol, keine Drogen. Dafür jede Menge Selbsterkenntnis und Disziplin. Dave Gahan wird 50
Dave Gahan ist nicht mehr cool, wenn er sagt, dass er bei allem Jubel um seine Person kein Selbstwertgefühl habe; dass er vor seinen Dämonen nicht mehr fliehen, sondern sie bekämpfen wolle, mit der Kraft, die ihm die Liebe zu seiner Frau Jennifer verleihe; und dass das Alter ihm helfe, gelassener zu werden. Aber gerade diese Nicht-Coolness könnte ihn noch viele Jahre am Leben halten. Aktuell übrigens arbeitet er mit Martin Gore auch an neuen Songs für Depeche Mode.