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Fernsehen: Rudi Carrell: Der Humor-Arbeiter wäre 80 Jahre alt geworden

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Rudi Carrell: Der Humor-Arbeiter wäre 80 Jahre alt geworden

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    Der niederländische Entertainer Rudi Carrell während der Rudi-Carrell-Show" auf der Bühne. Vor 80 Jahren wurde er geboren. Am 7. Juli 2006 starb Rudi Carrell in Bremen.
    Der niederländische Entertainer Rudi Carrell während der Rudi-Carrell-Show" auf der Bühne. Vor 80 Jahren wurde er geboren. Am 7. Juli 2006 starb Rudi Carrell in Bremen. Foto: Hermann Wöstmann, dpa

    Ein typischer Rudi Carrell-Witz geht so: "Hausarbeit?", fragt er in die Runde. Und sagt dann: "Wenn meine Frau Staub saugt, hebe ich schon mal die Füße hoch." Es ist ein Witz aus einer früheren deutschen Fernseh-Epoche: seicht, zotig und trotz aller Klischees auch harmlos.  Es ist die Art von Witz, wie Rudi Carrell sie liebte, wie er sie hundertfach in "7 Tage, 7 Köpfe" präsentierte, seiner letzten großen Show. Eine Show übrigens, die voller Typen war, die heute im Privatfernsehen nur schwer vorstellbar wären: Bernd Stelter, Jochen Busse, Kalle Pohl, Gaby Köster.

    Rudi Carrell war nicht nur nett - er konnte auch grob sein

    Und Rudi Carrell, der am Freitag 80 Jahre alt geworden wäre? Auch er würde kaum in die heutige Fernsehwelt passen, die voll ist von Leuten, die es oft mit der Bereitschaft ins Rampenlicht geschafft haben, sich vorführen zu lassen, nicht unbedingt mit Talent und Fleiß. Rudi Carrell hat stets seinem Talent und vor allem seinem Fleiß vertraut, er war ein Perfektionist, der ungern etwas dem Zufall überließ. Außerhalb seiner Arbeit gab es für ihn seine Familien und sonst nicht viel. "Ich bin nie enttäuscht worden von Freunden, weil ich keine hatte", sagte er mal. "Das ist auch ein Vorteil." Seicht, zotig und harmlos - das war er nicht immer. Auf der Bühne nicht und ebenso wenig im Privatleben. Einige Weggefährten sagen, Carrell sei zuweilen "unausstehlich" und ein "Kotzbrocken" gewesen. Er konnte auch grob und verletzend sein.

    „Rudi hat die größten Anforderungen an sich selbst gestellt. Für Rudi gab es keinen Tag und keine Nacht. Es gab nur dieses eine Ziel – eine möglichst optimale Sendung.“ Das hat Fernsehproduzent Urlich Brock über Carrell gesagt, der 20 Jahre mit dem Entertainer zusammenarbeitete.

    „Für uns Normalsterbliche hatte er nicht viel Zeit“, sagte Carrells Tochter Caroline im Rückblick.

    Carrell nahm sein Fernsehleben ernst, es war für ihn ein Handwerk. Humor war für ihn auch Fließbandarbeit, ein harter Job. So hatte es schon sein Vater gehalten, ein Entertainer aus der holländischen Stadt Alkmaar. Rudi Carrell trat mit 19 zum ersten Mal im niederländischen Arnheim öffentlich auf, kurz darauf gründete er sein eigenes Ensemble. Er wurde schnell erfolgreich, 1965 holte ihn Radio Bremen nach Deutschland. Er moderierte die "Rudi Carrell Show", "Am laufenden Band", "Die verflixte 7" und noch vieles mehr. 30 Millionen Menschen schauten ihm regelmäßig zu, das waren damals gigantische und wären heute utopische Einschaltquoten für eine Samstagsabendshow. Und das obwohl Carrell stets das Gefühl hatte, die deutsche Sprache nicht mühelos genug zu beherrschen für Wortwitze. Dass er viele Lacher mit gespielten Pointen erntete, war kein Zufall. Er vertraute ihnen mehr als seiner Fähigkeit zur sprachlichen Pointe.

    1987 löste Carrell einen politischen Eklat aus

    1987 leistete er sich einen Witz auf Kosten des damaligen iranischen Revolutionsführers Ayatollah Khomeini und löste damit einen politischen Eklat aus. In seiner Satiresendung "Rudis Tagesshow" präsentierte Carrell eine Bildmontage, in der verschleierte Iranerinnen Unterwäsche auf den Ayatollah warfen. "Ayatollah Khomeini wird von der Bevölkerung gefeiert und mit Geschenken überhäuft", kommentierte Carrell dazu. Noch so ein typischer Carrell-Witz, der im heutigen Fernsehen in seiner Harmlosigkeit untergehen würde. Damals tat er es nicht. Der Iran zog seine Botschafter ab, das Teheraner Goethe-Institut wurde geschlossen, Carrell erhielt Morddrohungen.

    Carrell hatte immer ein Gespür dafür, wo es das Fernsehen hinzog und wie es sich entwickeln würde. Dass Anke Engelke mit ihrer Late-Night-Show scheitern würde, sagte er früh voraus, er wettete sogar 10.000 Euro darauf. Er ahnte auch, dass die Zeit großer Samstagabendshows gezählt sein würde. Mit 70 erkrankte der Kettenraucher Carrell an Lungenkrebs. Bereits schwer gezeichnet, trat er 2006 noch einmal öffentlich auf, um die Goldene Kamera für sein Lebenswerk in Empfang zu nehmen. Natürlich riss er Witze: "Dass ich überhaupt hier auf der Bühne stehe, verdanke ich meiner Krankenkasse, dem Klinikum Bremen-Ost und der Pharmaindustrie." Am 7. Juli 2006 starb Rudi Carrell in (jaka)

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