Die Werbung propagiert die ewig jungen und dynamischen Senioren. Doch die Bilder sind oft nur ein schönes Zerrbild der Wirklichkeit. Die kann anders sein. Das rief in den vergangenen Tagen der Krankheitsfall des prominenten früheren Fußballmanagers Rudi Assauer der Nation ins kollektive Bewusstsein. Der bisher immer kraftstrotzende Macho mit schönen Frauen im Arm und dicker Zigarre im Mund plötzlich als alter Mann, der sich an kaum mehr etwas erinnern kann.
Assauer leidet, wie rund 1,2 Millionen andere Deutsche auch, an Demenz – die Dunkelziffer wird deutlich höher eingeschätzt. Der 67-Jährige gehört einer Minderheit an. 70 Prozent der Kranken sind Frauen. Experten rechnen bis 2030 mit rund 2,5 Millionen Betroffenen.
Der Intellektuelle Walter Jens erkennt seine Frau nicht mehr
Alzheimer - Das schleichende Vergessen
Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz. In Deutschland gelten heute rund 1,2 Millionen Menschen als demenzkrank. Ungefähr 60 Prozent davon, rund 720.000, haben Alzheimer.
Die Krankheit ist nach dem deutschen Neurologen Alois Alzheimer benannt, der sie erstmals im Jahre 1906 wissenschaftlich beschrieben hat. Die Erkrankung des Gehirns führt zum Verlust von geistigen Funktionen wie Denken, Sprache, Urteilsfähigkeit und Orientierung sowie zum Absterben oder einer starken Schädigung von Gehirnzellen vor allem in der Hirnrinde.
Alzheimer beginnt mit Vergesslichkeit und mangelndem Antrieb. Im weiteren Verlauf werden die gewohnten Handlungen immer schwieriger. Der Patient vergisst häufiger Worte, wird orientierungslos und kann sich nicht mehr erinnern. Einfache Handgriffe wie das Öffnen und Schließen von Knöpfen werden unmöglich.
Schließlich verliert der Patient seine Selbstständigkeit und erkennt seine Angehörigen nicht mehr. Die Störungen des Denk- und Urteilsvermögens lassen ein normales Alltagslebens immer schwieriger werden. Viele Betroffene werden misstrauisch, aggressiv oder depressiv.
Auslöser sind fehlgeleitete Stoffwechselvorgänge, die die Nervenzellen schädigen. Die für das Gedächtnis und die Aufmerksamkeit wichtigen Übertragungsstoffe im Gehirn können dann nicht mehr gebildet werden. Das Gehirn von Alzheimer-Kranken weist typische Eiweißablagerungen auf.
Zwar kann die Krankheit bereits vor dem 50. Lebensjahr auftreten, ihre Häufigkeit nimmt mit dem Alter aber erheblich zu. Eine Heilung ist noch nicht möglich, durch eine rechtzeitige Therapie mit Medikamenten kann der Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit aber eine Zeit lang hinausgezögert werden. Auch Verhaltens-, Musik- oder Erinnerungstherapien können die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.
Jährlich erkranken nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft fast 300.000 Menschen neu an Demenz und Alzheimer. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Zahl der Demenzkranken Schätzungen zufolge auf etwa 2,6 Millionen mehr als verdoppeln, sofern kein Durchbruch in der Prävention und Therapie gelingt.
Demenz ist eine heimtückische Krankheit, die Experten zufolge jeden treffen kann und die auch vor Intellektuellen, Reichen oder Prominenten nicht haltmacht. Das zeigt der Fall von Walter Jens, der jahrzehntelang zu den klügsten Köpfen der Republik zählte. Ein Leben ohne intellektuellen Austausch war für den Tübinger Rhetorik-Professor unvorstellbar. Heute erkennt der 86-Jährige nicht einmal mehr seine Frau. Einen Partner habe sie in ihrem Ehemann längst nicht mehr, berichtete Inge Jens schon vor drei Jahren über die Krankheit und ihre Folgen: „Ich bin für ihn wie ein Möbelstück.“ Mitteilen könne er sich kaum noch. „Er weint viel. Ich kann immer nur ahnen: Ist er verzweifelt oder ist er gerührt“, erzählte Inge Jens. Vor allem nachts merke sie dann, wie allein man sich fühlen könne.
Fast nichts habe der Gedächtnisverlust von dem großen Denker und Redner übrig gelassen. Andererseits erfreue er sich jetzt an Kleinigkeiten: an Schokolade zum Beispiel oder an Tieren, gegen die Walter Jens immer eine tiefe Abneigung hegte. Vorbei sind die Zeiten, als Jens aus der Weltliteratur in seiner Bibliothek Kraft schöpfen konnte.
Das gilt auch für Ernst Albrecht. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident und Vater von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ist ebenfalls dement und muss betreut werden: „Die Diagnose Alzheimer war ein Schock“, bekannte Ursula von der Leyen.
Auf einer gemeinsamen Fahrt vor neun Jahren hatte der frühere CDU-Politiker der Tochter von seiner Krankheit erzählt. Die Großfamilie von der Leyen lebt inzwischen bei Ernst Albrecht auf seinem Anwesen bei Hannover.
Die große Volksschauspielerin Heidi Kabel wurde die letzten Jahre bis zu ihrem Tod in einem Hamburger Altenstift betreut. Sie zog sich im Gegensatz zu vielen anderen Prominenten lange nicht gänzlich aus der Öffentlichkeit zurück, bekam bis zuletzt auch regelmäßig Besuch von ihrer großen Familie aus drei Kindern und zahlreichen Enkeln und Urenkeln. Vor anderthalb Jahren verstarb sie.
Gunter Sachs nahm sich das Leben
Eine radikale Lösung wählte Millionär und Playboy Gunter Sachs. „Krankheit A.“ nannte er die häufigste Demenz-Variante Alzheimer, die er – offenbar noch im Frühstadium – hatte, abschätzig. Die Diagnose hatte er sich selbst gestellt. „Der Verlust der geistigen Kontrolle über mein Leben wäre ein würdeloser Zustand, dem ich mich entschlossen habe, entschieden entgegenzutreten“, schrieb er in seinem Abschiedsbrief im vergangenen Mai. Gunter Sachs beendete sein Leben mit derselben Konsequenz, mit der er es führte. Er erschoss sich.