Es ist eines dieser Bilder, die sich tief ins Gedächtnis der Briten eingeprägt haben: Der zwölfjährige Prinz Harry geht mit geneigtem Kopf und geballten Fäusten hinter der von sechs Pferden gezogenen Lafette her, auf der der Sarg seiner Mutter liegt. Neben ihm sein Bruder Prinz William, sein Vater, Großvater und Onkel. Die Erinnerung an die öffentliche Trauer der Prinzen über den Tod von Prinzessin Diana zerreißt selbst knapp 20 Jahre nach ihrem Unfall vielen Fans der britischen Monarchie noch das Herz. Welche Auswirkungen aber der Tod Dianas auf Harry und William hatte, darüber sprachen die beiden lange nicht.
Prinz Harry fordert Offenheit im Umgang mit psychischen Problemen
Erst in der jüngeren Vergangenheit öffneten sie sich. Prinz Harry etwa erzählte von seiner Trauer. Sie „hatte ernsthafte Auswirkungen nicht nur auf mein persönliches Leben, sondern auch auf meine Arbeit“, sagte der 32-Jährige. Er habe seine Gefühle verdrängen wollen – das aber habe zu einem „totalen Chaos“ geführt und beinahe zu einem „kompletten Zusammenbruch“. Auch deshalb engagiert sich Prinz Harry mit seinem Bruder und dessen Ehefrau, Herzogin Catherine, in der „Heads Together“-Kampagne. Sie weist auf die Wichtigkeit hin, über psychische Probleme zu sprechen. Prinz Harry will Vorbild sein. Wie kein anderes Mitglied der Königsfamilie redet der jüngste Sohn von Thronfolger Prinz Charles offen über Themen, die das Königshaus sonst am liebsten umgeht.
„Meine Mutter war gerade gestorben und ich musste einen langen Weg hinter ihrem Sarg hergehen, umgeben von tausenden Menschen, die mir zugeschaut haben, während weitere Millionen am Bildschirm saßen“, erinnerte er sich in einem Interview mit der britischen Journalistin Angela Levin. „Ich denke, kein Kind sollte das tun müssen, egal unter welchen Umständen.“
Das Leben als Windsor zwang Prinz Harry in Therapie
War es das strenge Palast-Protokoll, das ihn so unglücklich machte? Oder die Unlust am royalen Dasein? Im selben Gespräch, das kürzlich in der US-Zeitschrift Newsweek erschien, räumte er ein, dass er aus der königlichen Familie „raus wollte“ und mit dem Gedanken spielte, der privilegierten Welt hinter den Palastmauern den Rücken zu kehren. Um ein „gewöhnliches Leben“ zu führen. Es wäre eine Flucht gewesen weg vom Prunk und von den Paparazzi. Doch aus Loyalität zu seiner Großmutter, Königin Elizabeth II., blieb Harry der „Firma“ treu. Die größten Kämpfe mit sich trug er nach eigenem Bekunden in der Zeit zwischen seinem 20. und 30. Geburtstag aus. In jener Zeit schien er zunächst sein Glück gefunden zu haben: als Soldat beim britischen Militär. Er diente in Afghanistan, wo er für die Kameraden „kein Prinz, sondern einfach Harry“ war. Als er 2007 aus Afghanistan, unter anderem aus Sicherheitsgründen, abgezogen wurde, sei er am Boden zerstört gewesen. Er fühlte sich verloren und sorgte als „Partyprinz“ für Schlagzeilen. Schließlich nahm er auf Rat seines Bruders William therapeutische Hilfe an.
Heute gehört Harry, der mit der US-Schauspielerin Meghan Markle zusammen ist, zu den beliebtesten Mitgliedern der Königsfamilie. Und das nicht nur, weil er – wie seine Mutter einst – Wohltätigkeitsorganisationen unterstützt, sondern weil er authentisch wirkt. „Wir tragen dazu bei, die britische Monarchie zu modernisieren. Wir tun das nicht für uns selbst, sondern für das größere Wohl des Volks“, erklärte er Angela Levin die Aufgabe der jüngeren Generation der Royals. „Gibt es jemanden in der royalen Familie, der König oder Königin werden möchte? Ich denke nicht, aber wir werden unsere Pflichten zur entsprechenden Zeit erfüllen.“