Kein Bild fing die Emotionen eindrücklicher ein als das von Königin Elizabeth II., wie sie mit leerem Blick, schwarzem Hut und Maske allein am Rand der vordersten Holzkirchenbank der St George’s Chapel sitzt. Die Trauer. Die Einsamkeit. Das Leid. Am Samstagnachmittag nahm die Queen Abschied von ihrem Ehemann Prinz Philip. Und der Nation brach es fast das Herz, als die 94-jährige Monarchin am Nachmittag im Bentley in der St.-Georges-Kapelle vorfuhr und von der Nationalhymne begleitet den schwersten Gang ihres Lebens beschreiten musste. „God save the Queen.“ Die Worte hatten für die Briten selten mehr Gewicht. Die Schwere des Tags, aber vor allem der Anblick der 94-jährigen Königin erinnerte viele Zuschauer auch an die eigenen schmerzlichen Verluste im vergangenen Jahr.
Um exakt 15 Uhr markierte ein Salutschuss den Start einer landesweiten Schweigeminute. Unter blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein verstummten Tausende royale Fans, die trotz Bitte des Palasts, wegen der Pandemie zuhause zu bleiben, nach Windsor gepilgert waren. Das Volk gedachte in aller Stile des Herzogs von Edinburgh, der am 9. April im Alter von 99 Jahren verstorben war. Dann begann die Trauerfeier in der Kapelle – und Beobachter waren überzeugt, dass sich die Queen eine Träne von der Wange wischte, als die Träger den Sarg in die Kapelle trugen. In den weißen Lilien auf dem Sarg steckte ein Brief der Königin an ihren Gatten, ihre selbsternannte „Stütze“. Sie ist nun weggefallen. „In loving memory“, in liebevoller Erinnerung, so schien es aus der Entfernung, stand handschriftlich auf dem Umschlag geschrieben. Mehr als 73 Jahre waren die beiden verheiratet,
Der Dekan von Windsor würdigte unter anderem Philips lebenslangen Dienst für die Krone und seine Loyalität zur Queen und erinnerte an seine Tapferkeit, seine Stärke und seinen Einsatz für die Monarchie. In einem separaten Raum der Kapelle sang der vierköpfige Chor Lieder, die der Herzog von Edinburgh zu Lebzeiten ausgesucht hatte. Wegen Corona-Beschränkungen verfolgten die Trauergäste die Zeremonie mit Maske und mit Abstand. Während der Trauerfeier wird der Sarg in die königliche Gruft herabgelassen, auch wenn dies nicht die letzte Ruhestätte des Herzogs von Edinburgh ist. Nach dem Tod der Queen wird er an die Seite seiner Frau umgebettet, für die ein Grab in der kleinen König-Georg-VI.-Gedenkkapelle vorgesehen ist.
Philip hatte seine Trauerfeier selbst geplant - 30 statt 800 Gäste
Die „Augen der Welt“ richteten sich auf Windsor, wie Medien die Bedeutung dieses traurigen Tags hervorhoben. Nach dem Wunsch der Königsfamilie sollte Philips Leben im Dienst der Krone und für sein Land abgebildet und gefeiert werden. Es war hier im Schloss, wo Prinz Philip am Morgen des 9. April friedlich verstorben war. Es war hier in Windsor, wo seine Familie und die Nation am Samstag offiziell Abschied von ihm nahmen. Und dieser sollte würdig werden, wenn auch in kleinem Rahmen.
Ein Staatsbegräbnis wünschte der Prinzgemahl ohnehin nicht. Trotzdem, der Tag war voller royalem und militärischem Pomp und Traditionen, um dem Jahrhundertprinzgemahl Tribut zu zollen. Niemand sonst inszeniert solche Feierlichkeiten besser, bewegender und beeindruckender als die Windsors, wie sie wieder gezeigt haben. Trompeten, Militär, Salutschüsse – es sorgte für Gänsehaut.
Anders als das über Jahrzehnte geplant war, fand die Zeremonie komplett innerhalb der Mauern von Schloss Windsor statt. Philip plante jedes Detail der Trauerfeier selbst und entwarf über 16 Jahre lang sogar den Range Rover mit, auf dem sein Sarg zur Kapelle gefahren wurde.
Neun Mitglieder der royalen Familie folgten ihm zu Fuß. Angeführt wurde der Trauerzug von einem sichtlich ergriffenen Thronfolger Prinz Charles, dem Tränen über die Wangen liefen, sowie Prinzessin Anne. Hinter ihnen gingen die beiden anderen Kinder von Philip und der Queen, Prinz Andrew und Prinz Edward. Der Tross war flankiert von Militärangehörigen. Der Sarg war mit der persönlichen Standarte des Prinzgemahls bedeckt und mit einem Blumenkranz, seiner Offiziersmütze von der Royal Navy sowie seinem Parade-Degen geschmückt. In der dritten Reihe gingen Philips Enkel Prinz William und Prinz Harry, dazwischen ihr Cousin Peter Phillips wie als Puffer zwischen sich. Die Hoffnungen ruhten in den letzten Tagen auf Herzogin Catherine, die in die Rolle der Versöhnerin schlüpfen sollte, auch weil die drei jahrelang sowohl öffentlich mit Projekten als auch privat im Kensington-Palast ein enges Verhältnis pflegten. Würden die Geschwister die Gelegenheit nutzen, ein Zeichen in die Welt zu senden, dass man sich über den Tod des Großvaters wieder annähern würde? Offenbar sitzen die Verletzungen tief, insbesondere nach dem aufsehenerregenden Interview mit US-Talkmasterin Oprah Winfrey, in dem der Herzog und die Herzogin von Sussex der royalen Familie nicht nur mangelnde Unterstützung, sondern auch rassistische Gedankenspiele vorgeworfen hatten. Was in den letzten Tagen wirklich hinter den Palastmauern ablief, ist zwar nicht überliefert, doch laut Quellen aus dem Palast herrschten Spannungen. „Jeder bewegt sich wie auf Eierschalen, um die Situation nicht zu verschlimmern“, wurde ein Mitarbeiter in Medien zitiert. Es sei „ein Minenfeld“.
Doch es scheint Hoffnung für das derzeit zerrüttete Verhältnis der Brüder zu geben. Am Samstagnachmittag verließen Prinz Harry, Herzogin Catherine und Prinz William gemeinsam die Kapelle, unterhielten sich sogar, wie Beobachter betonten.
Drei Gäste aus Deutschland bei Philip-Beerdigung
Anstatt der geplanten 800 Trauergäste durften aufgrund der Corona-Beschränkungen lediglich 30 teilnehmen. Es handelte sich um die engste Familie. Von den zehn Urenkeln von Philip war jedoch keines anwesend.
Das Fußvolk war aufgefordert, zuhause zu bleiben und die Trauerfeier im Fernsehen zu verfolgen. Trotzdem reisten Tausende royale Anhänger in das beschauliche Städtchen. „Ich bin ein bisschen emotional heute“, sagte ein Brite, der schon am frühen Morgen den Zug aus der Grafschaft Kent genommen hatte und für den Anlass extra einen dunklen Anzug trug. „Der Prinz hat so viel für das Land und für unsere Queen geleistet“, sagte der 57-Jährige. Er wollte an diesem Tag unbedingt vor Ort und Teil davon sein, das Leben von Philip zu feiern. Sicherheitskräfte und Polizisten versuchten derweil, allzu große Menschenansammlungen zu vermeiden.
Die Queen, so hieß es im Vorfeld, musste bezüglich der Gästeliste einige schwere Entscheidungen treffen, immerhin war der Herzog von Edinburgh, einst Prinz von Griechenland und Dänemark, bevor er Prinzessin Elizabeth heiratete, mit dem halben Hochadel Europas verwandt oder verschwägert.
Zur Überraschung vieler Beobachter waren auch drei Gäste aus Deutschland eingeladen, ein Verweis auf Philips deutsche Herkunft und auf seine Zeit, die er in der Bundesrepublik verbrachte. So besuchte er etwa die Schule Schloss Salem am Bodensee. Während zur Hochzeit im Jahr 1947 noch niemand aus der deutschen Verwandtschaft erwünscht war, weil man so kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg jegliches Zurschaustellen von Verbindungen nach Deutschland vermeiden wollte, war Philip es für seine eigene Beerdigung wichtig, auch den Teil der Familie einzuladen. Der Prinz verfolgte als einer der ersten im Palast das Credo, dass man die Vergangenheit ruhen lassen sollte.
Und so erschienen Bernhard Prinz von Baden, ein Enkel von Philips Schwester Theodora, zudem Prinz Philipp zu Hohenlohe-Langenburg, ein Enkel der Schwester Margarita. „Es ist eine unglaubliche Ehre und wir sind sehr berührt und geehrt, im Namen des erweiterten Familienkreises teilnehmen zu können“, hieß es in einem offiziellen Statement von Prinz Philipp. Ebenfalls am Samstag dabei war Prinz Heinrich Donatus von Hessen, Oberhaupt des Hauses Hessen, in das Philips jüngere Schwestern Cecilia und Sophie eingeheiratet haben. Er ist außerdem der Urururenkel von Königin Victoria und Großneffe der aktuellen Monarchin.
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