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"Rock im Park" in Nürnberg: Ein bisschen brav, ein bisschen leise, ein bisschen wahnsinnig

"Rock im Park" in Nürnberg

Ein bisschen brav, ein bisschen leise, ein bisschen wahnsinnig

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    Festivalbesucher des Musikfestivals Rock im Park
    Festivalbesucher des Musikfestivals Rock im Park Foto: Timm Schamberger, dapd

    Als es auf Mitternacht zugeht, setzt sich eben doch der Wahnsinn durch. In der Eishalle, genannt Clubstage, ist es so voll wie vor sonst keiner Bühne an diesem ersten Tag von „Rock im Park“ 2011 und die wilden Vögel von Bonaparte aus Berlin zelebrieren ihren „Visual Trash Punk“ mit voller Hingabe. Das bedeutet: Kostümiert vom Zinnsoldaten bis zur Sisi toben sich die männlichen Musiker wie die weiblichen Tänzerinnen zum stets voranschiebenden Sound aus, man beschmiert sich mit künstlichem Blut, räkelt sich lasziv, hüpft kreuz und quer, bis mitunter nur noch Klebestreifen vor der völligen Nackheit bewahren.

    Und der Wahnsinn ist hip, in der Halle die Stimmung prächtig, zu Hits wie „ Anti Anti“ oder „My Horse likes You“ wird gegrölt und gepogt. Unterdessen poltert draußen auf der auch noch ganz ordentlich besuchten AlternastageRob Zombie mit seiner Band, ein bisschen derb brachialer Metal, vorgetragen in kompletter Zombieverkleidung.

    Hier Dada, dort Horror-Show – es ist die Dosis Wahnsinn, die diesem ansonsten doch sehr idyllisch braven Freitag bis dahin gefehlt hat. Es war schließlich der Pop-Tag auf der Centerstage, wo sich denn auch ein hübsches Grüppchen ans andere reihte, von den großen Triumphen aber jede Spur fehlte.

    Das begann nachmittags schon mit den freundlichen Rockern aus Schottland Ash, ging mit den hippen Hurts und ihrem Synthie-Spund aus den 80ern weiter (ach wie schön, dieses „Wonderful Life“ und „Stay“), führte über die sehr sehr netten 60-Jahre-Schallallalla-Popper von The Kookszu Söhne Mannheims und schließlich Coldplay.

    Auch wenn der britische Weltstar mit seinem Wohlfühlpop seine Stadiontauglichkeit bewies (gutes Best-Of-Programm mit einigen neuen Einsprengseln, ein gut aufgelegter Chris Martin); und auch wenn sich die 14-köpfige HipPopper-Combo um Xavier Naidoo reichlich Mühe gegeben hat, ein bisschen rockiger oder zumindest funkiger rüberzukommen - am vollsten war der Platz tatsächlich bei den Kooks, die passend zum perfekten Wetter dieses bis tief in die nacht hinein lauen Tages ihre hübschen Sommerlieder spielten. Sie hatten aber auch nicht die Konkurrenz wie ihre Nachfolger.

    Nach dem stmpfsinnigen Crossover-HipHop-Rock a la „Linkin Park für Arme“ von Hollywood Undead rumpelten eben die noch jungen Metalcore-Bolzer von Bring me the Horizon. Nnaja, Hauptsache sie rumpelten halt (wobei den Briten der Titel der am schlimmsten tätowierten Band des Festivals kaum noch zu nehmen sein dürfte mit all den bunten Bildchen).

    Dann aber war die Alternastage für drei Bands richtig voll, auch weil hier die Alternative geboten wurde zum Pop auf der Centerstage: die Schweden von In Flames und dann die Amis von Disturbed und Korn. Besonders groß waren die Ovationen bei den ersteren, die sich sowieso zu einem heimlichen Headliner des Festivals gemausert haben – aber besonders dünn war leider der Sound. Und zwar bei allen drei Bands. Die Abmischung stimmte nicht (was besonders dem seltsam herausstechenden Gesang bei Disturbed schlecht bekam) und die beabsichtigte Dröhnung war so leise, dass man sich in mitten im Gewühl in normaler Laustärke unterhalten konnte und sogar die von nebenan dröhnende Anlage einer Red-Bull-DJ-Bühne teilweise drüberschwappte. Blöd, gerade bei Bands, die einfach rummsen müssen. Hoffentlich kriegen das die RIP-Planer heute besser hin – ist zwar kein Trost für die vielen Fans von In Flames oder Korn, wäre aber auch ganz schön für Specki T.D, den Drummer aus Landsberg, der heute wieder mit In Extremo zum Abschluss auf der Alternastage spielt.

    Und ein zweiter größerer deutscher Act: die Beatsteaks zur Primetime auf der Centerstage. Es liegt jedenfalls wieder ein prächtiger Tag vor uns. Die Sonne strahlt schon wieder wie ein Honigkuchenpferd über Nürnberg (Wärme aber holla - Wölkchen keine), fast als freute sie sich auch schon auf die nächste Dosis Wahnsinn.

    Die wird diesmal auf der Centerstage serviert werden, von den armenischen Soundteufeln von System of a Down. Es wird wohl nicht so brav bleiben wie gestern bei Coldplay. Mit ein bisschen Feuerwerk und ein bisschen Konfetti haben sich die Herren nach kurzweiligen, aber auch sehr kurzen 80 Minuten verbschiedet. Was hat da Rock im Park schon anderes erlebt? Zweieinhalb Stunden Metallica zum Beispiel! Zwei Stunden Billy Idol, Muse, Kiss und so weiter. Ein großer RIP-Moment also sieht anders aus, Mister Martin, auch wenn die Band hier zum ersten Mal seit längerem wieder auf der Bühne stand.

    Ein bisschen dünn also wie die Besetzung im Publikum halt. „Pop im Park“ heißt nun mal nicht Triumph. Da werden inzwischen vom jüngeren Publikum schon andere zu Helden erkoren. Gestern zum Beispiel K.I.Z., die Rapper-Combo aus Berlin, die die Clubstage so richtig voll machte, zu Kochen brachte und so den Boden bereitete für die nachfolgenden Irren von Bonaparte. Ob’s heute noch mehr Wahnsinn gibt? Oder gar Triumphe? Dazu später mehr. Für jetzt: Salut erstmal.
     

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