Im Dunkeln suchen sie in Containern von Supermärkten nach Lebensmitteln. Bundesweit gibt es Menschen, die weggeworfene Waren einsammeln - manche aus Not, andere aus ideologischen Gründen.
Lebensmittelretter protestieren gegen die Verschwendung von Essbarem und wollen einen Beitrag zur Müllvermeidung leisten. Doch das sogenannte Containern ist illegal und kann als Diebstahl oder Hausfriedensbruch bestraft werden. Ein Kaufhaus in Bremen findet das falsch und hat an seinen Mülltonnen nun Regeln aufgehängt. "Liebe Lebensmittelretter! Beachten Sie bitte folgende Hinweise", heißt es dort.
"Hier wird keiner angezeigt", sagt der Geschäftsführer des Lestra Kaufhauses, Cornelius Strangemann. "Wenn man auf gewisse Sachen achtet, sind viele Lebensmittel noch nutzbar." Um zu verhindern, dass Menschen verdorbene Produkte essen, stehen auf den Hinweisschildern Tipps wie "Fleisch und Fisch sind nicht mehr genießbar, wenn wir sie entsorgt haben" und "Konserven sind in der Regel auch nach Ablauf des MHDs noch haltbar." Bei Passanten kommt die Aktion gut an. "Ich finde, wer Bedarf hat, soll sich ruhig bedienen können", sagt eine Fahrradfahrerin, die neugierig das Schild liest. Ein Mann sagt: "Ich finde, das ist in Ordnung".
Der Bundesverband des deutschen Lebensmittelhandels sieht die Aktion dagegen kritisch. Waren sollten möglichst nicht im Container landen, sondern an wohltätige Organisationen abgegeben werden, sagt Sprecher Christian Böttcher. Diese seien logistisch in der Lage, sie an Bedürftige abzugeben. Der Verband spricht sich gegen eine Legalisierung des Containerns aus und unterstützt die Position der Justizminister der Länder.
Die Mehrheit der CDU-Länder hatte jüngst einen Antrag von Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) abgelehnt. Menschen sollten sich nicht in solch hygienisch problematische Situationen begeben, sagte Sachsens Justizminister, Sebastian Gemkow (CDU). Es gehe auch um Haftungsfragen, falls jemand von verdorbenen Lebensmitteln krank werde. Statt Containern zu legalisieren müsse die Lebensmittelverschwendung eingedämmt werden. Die Justizministerkonferenz bat die Bundesregierung, alternative Abgabeformen von Lebensmitteln - etwa an Tafeln - zu entwickeln.
Auch das Bremer Kaufhaus verschenkt Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden dürfen. So stehen zahlreiche Produkte im Warenlager, an denen sich die Angestellten bedienen können. Weitere Lebensmittel gehen an eine Gemeinde, die damit ein Frühstück für Bedürftige anbietet.
Zudem kommen regelmäßig Mitarbeiter des Naturerlebniszentrums Botanika vorbei, die Essen als Tierfutter abholen. "Wir verteilen schon an so viele Organisationen", sagt der Lestra-Mitarbeiter Sascha Morsch. Dennoch blieben Waren übrig, die im Müll landen. Mit den Menschen, die containern, habe es noch nie Probleme gegeben. Oft sei es danach ordentlicher als zuvor.
Der Vorstoß mit den Schildern soll Menschen ermutigen, tagsüber zu kommen und sich Waren direkt abzuholen. "Schön wäre, wenn möglichst viel verwendet wird", sagt Strangemann. Um zu verhindern, dass Menschen in den Containern wühlen müssen, denke er derzeit über Ablageflächen nach. Dann könnten Waren, die nicht mehr verkauft werden, einige Zeit zur Mitnahme ausgelegt werden. "Wir überlegen gerade, wie wir das umsetzen können." Über Haftungsfragen will der Geschäftsführer nicht lange nachdenken. "Wir machen das jetzt einfach und hoffen, dass es gut geht."
Große Lebensmittelketten wie Aldi Süd wollen nicht, dass Menschen Waren aus ihren Containern nehmen. Fast alle Filialen kooperierten mit sozialen Einrichtungen. Diese verteilten Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, sagt Sprecher Tobias Neuhaus. Containern sei rechtswidrig und werde nicht geduldet. Aldi Nord wollte sich zum Containern nicht äußern. Sprecher Axel vom Schemm verwies auf Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelresten, zudem würden Waren an gemeinnützige Organisationen gespendet.
Beim Kampf gegen Lebensmittelverschwendung sind allerdings nicht nur die Unternehmen gefragt. Nach jüngst veröffentlichten Berechnungen der Universität Stuttgart bezogen auf das Jahr 2015 stammt mehr als die Hälfte der jährlich weggeworfenen Lebensmittel aus privaten Haushalten. Rechnerisch wandern pro Mensch 85,2 Kilo Essen pro Jahr in die Abfalltonne. Der Handel ist demnach für 4 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel verantwortlich, größere Mengen stammen aus der Landwirtschaft, der Lebensmittelverarbeitung und der Gastronomie. (dpa)