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Ravensburg: Urteil: Zwölfeinhalb Jahre Haft im Prozess um vergiftete Babynahrung

Ravensburg

Urteil: Zwölfeinhalb Jahre Haft im Prozess um vergiftete Babynahrung

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    Weil er Babynahrung vergiftet haben soll, muss ein 54-Jähriger wegen versuchten Mordes in fünf Fällen für zwölfeinhalb Jahre in Haft.
    Weil er Babynahrung vergiftet haben soll, muss ein 54-Jähriger wegen versuchten Mordes in fünf Fällen für zwölfeinhalb Jahre in Haft. Foto: Marijan Murat, dpa

    Die Schwurgerichtskammer am Landgericht Ravensburg kämpfte sich am Montag förmlich durch den sechsten Verhandlungstag. Schließlich erging am Montagabend das Urteil: Der 54-jährige Angeklagte wurde zu zwölfeinhalb Jahren Haft wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung verurteilt.

    Vergiftete Babynahrung: Oberstaatsanwalt forderte 13 Jahre Haft

    Der Angeklagte hatte schon zu Beginn des Prozesses zugegeben, fünf Babygläschen mit Gift versetzt zu haben, um 11,75 Millionen Euro von fünf Handelsketten zu erpressen. Der 54-Jährige hatte im Herbst vergangenen Jahres den vergifteten Babybrei in Supermärkten in Friedrichshafen ausgelegt.

    Oberstaatsanwalt Peter Vobiller hatte in seinem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren wegen versuchten Mordes in fünf Fällen und schwerer räuberischer Erpressung in sieben Fällen gefordert. "Es war reines Glück, dass keines der Gläschen in Umlauf kam. In jedem war so viel Gift enthalten, das ein Kleinkind nach dem Verzehr sicher gestorben wäre. Der Erpresser hat mit erheblicher krimineller Energie gehandelt", erläuterte Vobiller. Er hielt dem Angeklagten vor, aus Heimtücke gehandelt zu haben und die Tötung Unschuldiger billigend in Kauf zu nehmen. Zudem seien seine siebzehn Voreintragungen im Strafregister zu berücksichtigen.

    Angeklagter wollte vor Prozessbeginn einen Amtsarzt sehen

    Verteidiger Manuel Reiger plädierte für eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren. "Der Tatbestand des versuchten Mordes ist nicht erfüllt", so Reiger. Sein Mandant sei davon überzeugt gewesen, dass die vergifteten Gläser nie verzehrt worden wären. Der 54-Jährige Angeklagte wollte danach das ihm zustehende letzte Wort nicht in Anspruch nehmen, weil er sich dazu wegen seines psychischen Zustands nicht mehr in der Lage sehe.

    Der sechste Prozeßtag begann von Anfang an holprig. Zunächst konnte die Verhandlung nicht wie geplant um 9.20 Uhr beginnen, weil derAngeklagte zunächst einen Amtsarzt sehen wollte, weil er sich nicht wohlfühlte, wie Gerichtssprecher Franz Bernhard erklärte. Erst gegen 11 Uhr startete der Prozess, nachdem eine Ärztin angeordnet hatte, dass alle zwei Stunden ein Pause gemacht werden müsse.

    Psychiatrischer Gutachter schloss eine Borderline-Störung aus

    Im Mittelpunkt stand die Aussage des Sachverständigen Hermann Assfalg, der dem Angeklagten volle Schuldfähigkeit attestierte. "Zwar leidet der Angeklagte unter einer narzisstischen sowie einer dissozialen Persönlichkeitsstörung", so der Gutachter, "doch diese sind nicht so stark ausgeprägt, dass sie seinen Willen nachhaltig beeinträchtigt hätten".

    Eine Borderline-Störung, die der Supermarkt-Erpresser selbst als Erklärung für seine Taten vorgetragen hatte, schloss der psychiatrische Gutachter aus. "In diesem Falle liegt keine schwere seelische Abartigkeit vor", erläuterte Assfalg. Daher sei auch eine Unterbringung in einer forensischen Klinik nicht erforderlich. Zudem habe der Angeklagte seinen Erpressungs-Versuch akribisch und bis in die letzten Einzelheiten geplant, alles Zeichen dafür, dass dies kein impulsiver Ausbruch infolge der Persönlichkeitsstörung sei. Zeichen für eine schwere Alkohol- oder Drogensucht, die der Angeklagte ebenfalls immer wieder vorgebracht hatte, konnte der Sachverständige ebenfalls nicht erkennen.

    Richter lehnte alle drei Anträge der Verteidigung ab

    Wie schon in den Prozesstagen zuvor, übernahm der 54-jährige Angeklagte immer wieder selbst die Regie. Warum er ihn nicht nach seiner schweren Kindheit gefragt habe, fragte er den Gutachter aus. Der antwortete ruhig und gelassen und wiederholte eins um andere Mal seine Argumente. Insgesamt dauerte die Befragung des psychiatrischen Sachverständigen fast drei Stunden.

    Auf Wunsch des Angeklagten stellte die Verteidigung drei Anträge, die jeweils zu einem weiteren Verzug des Prozesses geführt hätten. Doch alle Anträge lehnte Richter Maier ab, weil sie unbegründet seien.

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