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Raumfahrt: Auf zu neuen Horizonten: Alexander Gerst will zurück ins All 

Raumfahrt

Auf zu neuen Horizonten: Alexander Gerst will zurück ins All 

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    Im Sternenstädtchen bei Moskau könnte Alexander Gerst regelmäßig sterben. Auch an diesem Vormittag steht dem Astronauten wieder ein Kampf ums Überleben bevor. Nicht in echt natürlich – es ist eine Trainingseinheit im Simulator einer Sojus-Raumkapsel, die der 41-Jährige hier im berühmten Kosmonautentrainingszentrum vor den Toren der russischen Hauptstadt absolviert. „Wir trainieren sehr hart an diesem Fahrzeug“, sagt Gerst, der nächste Deutsche im All. „Manchmal lassen die Trainer zehn bis 15 Probleme gleichzeitig auf uns einprasseln, während auf einem echten Flug normalerweise gar nichts passiert.“ Einen Ausweg, sagt er, gebe es immer. Man muss ihn nur finden. „Ich bin nur einmal gestorben im Simulator“, erzählt er noch. Und dass in diesem Fall ein Fehler im Simulatorprogramm Schuld war.

    Manchmal kommt er schweißnass gebadet aus der Kapsel

    Seit anderthalb Jahren trainiert Gerst für seine nächste Mission – und geht dafür regelmäßig an seine Grenzen. „Es gibt immer wieder Tage, wo man aus dem Training herauskommt, und man ist schweißnass gebadet“, erzählt er. Im weißen Sokol-Raumanzug gleitet der athletisch gebaute „Astro-Alex“ – sein zum Spitznamen gewordener Twitter-Name – durch die Luke in den Simulator. Die Übung beginnt.

    Gerst weiß, wofür er so hart arbeitet: Für den Geophysiker geht es um seine zweite Mission. Als er die Erde 2014 zum ersten Mal verließ, war er der elfte deutsche Raumfahrer und der dritte auf der Internationalen Raumstation ISS. Wenn Gerst am 6. Juni erneut ins All startet, wenn er mit einer Sojus-Rakete vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur zur

    Kommandant hat nichts mit Kommandos zu tun

    Das bedeutet für Gerst nicht, das Team herumzuscheuchen. „Viele Leute denken, als Kommandant gibst du Kommandos. Aber so ist es überhaupt nicht.“ Natürlich müsse er im Notfall die Entscheidung treffen. „Aber die meiste Zeit ist es meine Rolle, den Kollegen zu helfen, sicherzustellen, dass sie haben, was sie brauchen.“

    Dennoch hat Gerst, der aus dem baden-württembergischen Künzelsau stammt, großen Respekt vor dem, was ihn erwartet. Trainiert zu werden von einer renommierten Raumfahrtagentur wie Roskosmos, eine Sojus-Kapsel zu fliegen und von derselben Plattform zu starten wie Juri Gagarin, der erste Mensch im All – das macht ihn stolz. „Das ist ein Riesenkompliment, dass die mich ans Steuer lassen und auch zur Not alleine fliegen lassen.“

    In Swjosdny Gorodok, dem Sternenstädtchen, hat Gerst in den vergangenen Jahren viel Zeit verbracht. Hier hat sich der Deutsche auf seine Missionen vorbereitet – hier, wo schon der sowjetische Raumfahrtpionier Gagarin für seinen legendären Flug von 1961 geübt hat. Heute trägt das Trainingszentrum seinen Namen. Bilder und Statuen von Gagarin sind omnipräsent. Vieles hier dürfte auch schon vor Jahrzehnten so ausgesehen haben wie heute. Alte Flugtechnik ziert so manchen Platz. Ansonsten wirkt die Anlage wie ein typisch russisches Verwaltungsareal.

    Bis heute ist das Sternenstädtchen rund 40 Kilometer nordöstlich von Moskau ein streng abgeriegelter Ort. Eine Mauer, von außen verziert mit Raumfahrtfolklore in Graffiti, umringt das gut drei Quadratkilometer große Gelände. Wachleute kontrollieren am Schlagbaum Pässe. Nur wer angemeldet ist, darf rein.

    Hier wohnen noch ehemalige Kosmonauten

    Die alte Raumfahrerstadt ist ein Zeugnis der sowjetischen Idee, alle Menschen beruflich und privat an einem Ort zu versammeln, die an einem Projekt mitarbeiten. „Auch ehemalige Kosmonauten wohnen hier noch“, sagt Dmitri Schukow, der Sprecher des Zentrums. Er schätzt ihre Zahl aber auf 30 bis 40. „Rund 1600 Menschen arbeiten hier“, sagt Schukow. „Nicht alle leben auch im Sternenstädtchen, aber ältere Mitarbeiter bekommen eine Wohnung gestellt.“ Auch er habe eine auf dem Gelände.

    Auf dem Weg von einer Trainingseinheit zur nächsten knirscht frischer Schnee unter den Sohlen. Die Gebäude liegen in einem Kiefer- und Birkenwäldchen. Die Luft ist besser als im verkehrsgeplagten Moskau. Alexander Jufkin ist der Herr der Zentrifugen. Eine mit 18 Meter Radius ist außer Betrieb. Stattdessen präsentiert er das Modell CF-7 – eine Kabine an einem sieben Meter langen Arm aus Stahl. Die Anlage stammt aus dem Jahr 1973. Ihr rustikales Gestänge wirkt alt, die Technik aber sei auf dem neuesten Stand, sagt

    Die Kabine der Zentrifuge ist vollgestopft mit Hightech, um die Gesundheitswerte der Passagiere zu überwachen. Das Training soll die Raumfahrer auf den enormen Druck vorbereiten, der bei Start und Landung auf ihrem Körper lastet. Üblicherweise würden sie gut eine Minute im Kreis gewirbelt, sagt Jufkin. Die heftige Startphase mit der Rakete dauere etwa neun Minuten. „Auch das können wir simulieren.“ Und auch hier beobachtet Gagarin mit seinem jungenhaften Lächeln das Training – von einem riesigen Transparent aus.

    Alte Hasen schweben vertikal durchs All

    Ist der Start überstanden, warten auf die Raumfahrer die Tücken des Alls. Auch das wird geübt. An Modellen der russischen ISS-Module können sich die Crew-Mitglieder einprägen, wie es im Inneren der Station aussieht – allerdings ohne Schwerelosigkeit. Diese proben sie in einem riesigen Tauchbecken.

    Gerst dürfte vieles einfacher fallen, wenn er zum zweiten Mal ins All startet – gerade die Sache mit der Schwerelosigkeit. Auf der ISS selbst lasse sich leicht erkennen, wer schon mal da war und wer neu ist, sagt der 41-Jährige. „Alte Hasen schweben vertikal, Neulinge horizontal.“ Seitlich durch die Station zu schweben sei viel angenehmer als mit dem Kopf voraus, erfordere aber eben ein Umdenken. „Das ist ungefähr so, als wenn man laufen lernt oder Fahrrad fahren. Am Anfang stellt man sich da immer ein bisschen tollpatschig an.“

    Im Moment aber steht für Gerst der Flug mit der russischen Kapsel vom Typ Sojus-MS auf dem Plan. „Um dieses Raumschiff steuern zu können, muss man ein Jahr Theorie über sich ergehen lassen“, sagt er. Der Raum mit den Simulatoren erinnert an eine Turnhalle. Drinnen verfolgen Trainer auf Bildschirmen, wie sich die Astronauten in der engen Kapsel schlagen. Wer schlecht abschneidet, muss nachsitzen. Wladimir Ossokin, Leiter des Sojus-Trainings, ist zufrieden mit Gersts Entwicklung. „Natürlich ist er bereit für den Flug“, sagt er. Auf dem Flug in der Sojus-Kapsel ist, wie immer, der Russe im Team der Kommandant. Gerst sitzt als Co-Pilot neben ihm. Dennoch muss er in der Lage sein, das Raumschiff von Hand zu steuern und an die Raumstation anzudocken.

    Heute sind zwölf Dinge kaputtgegangen

    Bei der Einheit am Vormittag wurde eine Landung simuliert. „Da werfen einem die Instruktoren immer verschiedene Steine in den Weg“, erzählt Gerst später. Seinen Raumanzug hat er gegen einen blauen Overall mit Deutschlandfahne getauscht. „Heute hatten wir zwölf Dinge, die kaputt gegangen sind.“ Ein Triebwerk und ein Funkgerät seien ausgefallen, es habe ein Leck an Bord gegeben. „Einiges wäre auch kritisch gewesen. Wir haben es trotzdem geschafft, nominell, also am vorgesehenen Ort, zu landen“, sagt Gerst. Es sei immer das Ziel, eine Notlandung zu vermeiden.

    Für die Monate bis zum Start stehen Notfalltraining und Vorbereitungen für wissenschaftliche Experimente auf dem Programm. Das Training läuft nicht nur im Sternenstädtchen. Teile finden bei der Nasa in Houston und der ESA in Köln statt. „In den USA üben wir vor allem, die Raumstation zu bedienen.“ In Deutschland laufe etwa die wissenschaftliche Vorbereitung. Gersts eng getakteten Stundenplan im All sollen rund 80 Experimente füllen. Die Planung, welche das sein werden, läuft noch.

    Auch in Oberpfaffenhofen laufen die Vorbereitungen für die neue ISS-Mission seit Monaten. Das Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) nahe München spielte bereits beim Einsatz vor vier Jahren eine wichtige Rolle. Das Columbus-Kontrollzentrum war Gersts Kontakt in die Heimat während seiner Zeit auf der ISS. So wird es auch bei „Horizon“ sein, erklärt Projektleiter Dieter Sabath. Die Ingenieure in

    Für Gerst aber ist im Moment erst einmal das Trainingsprogramm vor den Toren Moskaus wichtig. Zu Russland hat er nach anfänglicher Distanz seit seinem ersten Sprachkurs in St. Petersburg 2009 ein herzliches Verhältnis aufgebaut. „Am Anfang war ich ein bisschen geschockt.“ Die Menschen hätten auf der Straße nicht gegrüßt, nicht gelacht. Aber dann habe er sich auf die Kultur und die Menschen eingelassen. So hätten sich Missverständnisse ganz von selbst erledigt. „Ich habe dadurch sehr viele Freunde gewonnen“, sagt er. „Wenn ich hier ankomme, fühlt es sich an, wie wenn ich nach Hause komme, zu Freunden.“ (mit dpa)

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