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Raum Freiburg: Kind für Sex verkauft? Fragen von Fehlern und Schuld

Raum Freiburg

Kind für Sex verkauft? Fragen von Fehlern und Schuld

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    Der ungeheuerliche Missbrauchsfall – eine Mutter verkauft ihren Sohn, damit er von Männern vergewaltigt werden kann – erschüttert derzeit nicht nur Baden-Württemberg.
    Der ungeheuerliche Missbrauchsfall – eine Mutter verkauft ihren Sohn, damit er von Männern vergewaltigt werden kann – erschüttert derzeit nicht nur Baden-Württemberg. Foto: Britta Pedersen, dpa (Symbolbild)

    Nach dem jahrelangen Missbrauch eines Neunjährigen in Staufen bei Freiburg stehen Behörden und Gerichte in der Kritik. Obwohl die Polizei auf die Gefahr für das Kind aufmerksam machte und das Jugendamt reagierte, blieb der Junge letztlich in der Familie. Zwei Gerichte entschieden so. Der Fall, der nach Angaben der Ermittler alle bisher bekannten Dimensionen sprengt, wirft grundsätzliche Fragen auf. Eine politische Debatte über mögliches Behörden- und Justizversagen war überregional die Folge.

    Was wird Jugendamt und Justiz vorgeworfen?

    Justiz und Jugendamt wird vorgeworfen, den Jungen nicht ausreichend geschützt zu haben. Im März vergangenen Jahres hatte es Warnungen der Polizei gegeben, dass vom neuen Lebensgefährten der Mutter eine Gefahr für den Jungen ausgehen könnte. 

    Wie wurde darauf reagiert? 

    Das Jugendamt nahm den Jungen aus der Familie und alarmierte die Justiz. Diese schickte den Jungen zurück zur Mutter und untersagte dem wegen schweren Kindesmissbrauchs vorbestraften und laut Gericht mit einem Rückfallrisiko behafteten Lebensgefährten der Mutter, Kontakt zu dem Kind zu haben. Er und die Mutter hielten sich jedoch nicht an die Auflagen der

    Warum haben Justiz und Jugendamt nicht reagiert? 

    Kontrolliert wurden die Auflagen den Angaben zufolge nicht, Gerichte und Jugendamt machen sich dafür gegenseitig verantwortlich. Zuständig für die Familie war das Jugendamt des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald. Erst nachdem die Vergewaltigungsserie im Herbst vergangenen Jahres bekanntgeworden war, kam der Junge aus der Familie und in Sicherheit. Er ist inzwischen in staatlicher Obhut.  

    Wurden Konsequenzen gezogen? 

    Jugendamt und Gerichte haben im Januar vereinbart, den Fall gemeinsam aufzuarbeiten und die Öffentlichkeit rasch zu informieren. Ein erstes Treffen habe es gegeben, bestätigt ein Sprecher der Behörde. Zwei weitere seien terminiert. Konkrete Ergebnisse gebe es noch nicht. 

    Gibt es weitere Vorwürfe?

    Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat im Landtag auf Anfrage des SPD-Abgeordneten Sascha Binder bestätigt, dass es bereits früh Hinweise einer Bewährungshelferin an die Justiz gegeben habe, dass der als gefährlich eingestufte Lebensgefährte bei dem Jungen und seiner Mutter wohne, obwohl ihm das untersagt worden war und er unter Führungsaufsicht des Gerichts stand. Doch es wurde monatelang nicht reagiert. Zwischen Behörden und Gerichten habe es ein "enormes Kommunikationsdefizit" gegeben, kritisiert Binder.

    Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) hat nach Bekanntwerden des Falls angekündigt, die Rolle von Behörden und Justiz in dem Fall untersuchen zu lassen. Ist das geschehen? 

    Im Auftrag des Ministers prüfte die Rechtsaufsicht im Regierungspräsidium Freiburg die Arbeit des Jugendamtes in dem Fall. Ergebnis: Es habe in dem Amt keine Fehler oder Versäumnisse gegeben.

    Was rät die Rechtsaufsicht?

    Der Fall sollte landesweit zum Anlass genommen werden, die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Stellen zu verbessern. Neben dem Jugendamt seien Familiengerichte, Polizei, Strafjustiz und Staatsanwaltschaft sowie die Bewährungshilfe mit dem Fall befasst gewesen. Ziel sollte sein, deren Arbeit besser zu koordinieren. Die Landesregierung solle dafür die Grundlage schaffen.

    Wie reagiert die Regierung? 

    Minister Lucha selbst hat sich hierzu öffentlich bislang nicht näher geäußert. Die SPD im Landtag verlangt weitere Aufklärung. (Jürgen Ruf, dpa)

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