Bei seiner Attacke hatte Rudy Eugene sich im Gesicht des 65-jährigen Obdachlosen Ronald Poppo verbissen und es ihm zu 80 Prozent abgefressen. Während des Angriffs wurde der "Kannibale von Miami" von der Polizei mit sechs Schüssen getötet. Die ganze Zeit war man davon ausgegangen, dass der Angreifer unter dem Einfluss der als Badesalz erhältlichen Droge Cloud Nine stand. Das Verhalten Eugenes während des Angriffs deutete auf die Einnahme der Droge hin, die bei den Konsumenten Symptome zeigt, die der Tollwut ähnlich sind. Jetzt liegt das Obduktionsergebnis von Eugenes Leichnam vor und es fördert überraschende Erkenntnisse zutage.
Nur Marihuana im Blut
Die Gerichtsmediziner fanden heraus: Der 31-jährige Rudy Eugene hatte weder die Droge Cloud Nine noch irgendwelche anderen chemischen Substanzen oder Medikamente eingenommen. Wie der "Guardian" berichtet, konnten die Pathologen in seinem Blut nur Marihuana nachweisen. Eugene hatte vor dem Angriff nicht einmal Alkohol getrunken. Durch die erstaunlichen Ergebnisse des Obduktionsberichts stehen die Behörden in Miami weiter vor einem Rätsel. Da sich der Kannibale während des Angriffs die Kleider vom Leib gerissen hatte, war man bei Eugene von einer Kokain-Psychose ausgegangen, bei der die Betreffenden eine starke Hitze verspüren.
Opfer wird für immer unter den Folgen leiden
Was ist Kannibalismus?
Unter Kannibalismus versteht man das Essen von Artgenossen, vor allem den Verzehr von Menschenfleisch durch Menschen.
Kannibalismus ist vielfach bekannt und belegt. Viele Kulturen verzehrten Menschenfleisch, etwa das von besiegten Feinden oder von Geopferten.
Bei den religiösen Schlachtfesten der Azteken sollen bis zu 14.000 Menschen verspeist worden sein. Bei den Opfern handelte es sich vielfach um Kriegsgefangene.
Auch im brasilianischen Urwald, auf Neuseeland, aus China und aus Polynesien sind Fälle von rituellem Kannibalismus bekannt.
Wenn bei Begräbnisritualen Teile von Verstorbenen gegessen werden, spricht man in der Wissenschaft vom „zärtlichen Kannibalismus“.
Im heutigen Deutschland wurden Funde gemacht, die für kannibalistische Praktiken bei den Neandertalern sprechen.
Auch in Extremsituationen wurden Menschen in der Vergangenheit immer wieder zu Kannibalen. Bekannt ist etwa der Flugzeugabsturz in den chilenischen Anden 1972, bei dem Überlebende das Fleisch von getöteten Mitreisenden aßen. Auch bei Hungersnöten und in Kriegsgefangenschaft wurden über Kannibalismus berichtet.
Kannibalismus kann bei psychischen Störungen wie Schizophrenie, sexueller Perversion oder auch bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen auftreten.
Einer der bekanntesten Fälle von Kannibalismus in Deutschland ist der Fall Fritz Haarmann. Der Serienmörder brachte in den zwanziger Jahren etliche Buben um. Seine jungen Opfer tötete er durch einen Biss in den Hals.
Kannibalismus ist heute in Deutschland kein eigener Straftatbestand. So wurde der sogenannte Kannibale von Rotenburg, der einen Mann in seiner Wohnung getötet und zerstückelt hatte, wegen Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und Störung der Totenruhe verurteilt.
Kannibalismus wird in der Literatur immer wieder thematisiert. So etwa in Grimms Märchen "Hänsel und Gretel" oder in Patrick Süßkinds Roman "Das Parfüm".
Wie der Guardian weiter berichtet, wird das Opfer Ronald Poppo für immer unter den Folgen der Beißattacke zu leiden haben. Eugene hatte ihm ein Auge herausgebissen. Auf dem anderen dürfte er zeitlebens blind bleiben. Er hat sich mittlerweile mehreren Behandlungen unterzogen und wird vorerst im Krankenhaus bleiben. Neben seinen körperlichen Wunden ist Poppo dennoch bei erstaunlich klarem Bewusstsein. Wie die Ärzte laut Medienberichten mitteilen, weiß Poppo, der seit 30 Jahren obdachlos ist und damit sein halbes Leben auf der Straße verbracht hat, was mit ihm passiert ist. Dennoch hat er bisher über seinen Angreifer kein negatives Wort verloren.