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Prozesse: Wegen Angststörung: Anwalt fordert Freispruch für Pistorius

Prozesse

Wegen Angststörung: Anwalt fordert Freispruch für Pistorius

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    Oscar Pistorius hatte stets beteuert, hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und in Panik gehandelt zu haben.
    Oscar Pistorius hatte stets beteuert, hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und in Panik gehandelt zu haben. Foto: De Ras/Independent New (dpa)

    Im Mordprozess gegen den südafrikanischen Sprinter Oscar Pistorius hat dessen Anwalt seinen Freispruch gefordert. Die tödlichen Schüsse erklärte

    Unfall oder Mord: Pistorius Anwalt verlangt Freispruch des Sportlers

    Chefankläger Gerrie Nel hatte den südafrikanischen Sprinter hingegen zuvor der Lüge bezichtigt. Pistorius habe Steenkamp vorsätzlich erschossen. Das Urteil soll am 11. September fallen. Spricht die Richterin Pistorius des Mordes schuldig, drohen ihm mindestens 25 Jahre Haft. 

    Der Fall Pistorius - eine Chronologie

    14. Februar 2013: Steenkamps Leiche wird in Pistorius' Wohnung gefunden. Der Sportler hatte die 29-Jährige durch die geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen aus einer seiner Schusswaffen getötet. Er wird festgenommen.

    15. Februar 2013: Bei einem ersten Gerichtstermin, bei dem Pistorius Mord an seiner Freundin zur Last gelegt wird, bestreitet er den Mordvorwurf.

    19. Februar 2013: Pistorius macht geltend, er habe hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und "furchtbare Angst" gehabt.

    22. Februar 2013: Pistorius wird gegen eine Kaution von umgerechnet 75.000 Euro freigelassen.

    März 2014: Zum Prozessauftakt sagt eine Zeugin aus, sie habe in der Tatnacht "schreckliche Schreie" einer Frau und Schüsse gehört. Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts.

    April 2014: Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche.

    30. Juni 2014: Nach sechswöchiger Pause, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen muss, erklären drei Psychiater und ein Psychologe, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig war.

    11. September 2014: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlages frei.

    12. September 2014: Pistorius wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen.

    21. Oktober 2014: Das Strafmaß wird verkündet: maximal fünf Jahre Gefängnis. Pistorius muss seine Haft sofort antreten.

    10. Dezember 2014: Die Berufung wird zugelassen.

    19. Oktober 2015: Pistorius wird auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig aus der Haft in den Hausarrest entlassen.

    3. November 2015: Im Berufungsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes

    3. Dezember 2015: Pistorius wird wegen Mordes schuldig gesprochen, der Fall wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.

    3. März 2016: Das Verfassungsgericht weist eine Beschwerde des Sportlers gegen den Schuldspruch zurück.

    6. Juli 2016: Pistorius wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er tritt seine Strafe sofort an. Sowohl Anklage als auch Verteidigung können Berufung gegen das Strafmaß einlegen.

    Eine "übertriebene Kampf-Reaktion" habe bei Pistorius zu einem "gewaltigen, unglücklichen Fehler" geführt, sagte Roux im südafrikanischen Pretoria. Der Verteidiger griff damit auf die Beschreibung einer Stressreaktion aus der Psychologie zurück, bei der Lebewesen entweder mit Kampf oder Flucht auf eine akute Bedrohung reagierten. 

    Pistorius' überzogene Angst ist laut Verteidigung mit der hohen Kriminalitätsrate in Südafrika und der Behinderung des unterschenkelamputierten Angeklagten zu erklären. "Er wird ständig daran erinnert, dass er keine Beine hat. Er kann nicht wegrennen", sagte Roux über Pistorius, der mit Hilfe seiner beiden Prothesen als erster beinamputierter Sportler der Olympia-Geschichte im Jahr 2012 bei den Spielen in London gestartet war. "Er hat sich bewaffnet und ist zum Bad gegangen. Er wusste, dass es eventuell nötig werden könnte, zu schießen. Er hatte Angst", erklärte der Anwalt. Die vier Schüsse seien zur Selbstverteidigung gefallen.

    Oscar Pistorius erschießt Freundin: Schüsse nur zur Selbstverteidigung?

    Staatsanwalt Nel hatte Pistorius in seiner Schlussrede am Donnerstag vorgeworfen, die Wahrheit bei seinen Aussagen stets zu seinen Gunsten verdreht zu haben. Pistorius müsse in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen werden. Richterin Thokozile Masipa muss sich nach 36 Zeugenverhören vor allem auf Indizien verlassen. Selbst wenn sie Pistorius nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags verurteilt, könnte das eine Gefängnisstrafe von 15 Jahren bedeuten. Das Urteil soll nun erst Mitte September fallen, zuvor war es noch im August erwartet worden.

    Das ist Oscar Pistorius

    Geburtsdatum: 22. November 1986

    Geburtsort: Sandton/Südafrika

    Behinderung: Pistorius wird durch einen Gendefekt ohne Wadenbeine und äußere Fußseiten geboren. Im Alter von elf Monaten werden ihm beide Beine unterhalb der Knie amputiert.

    Größte Erfolge: - Paralympics 2004 in Athen Gold über 200 m, Bronze über 100 m; - Paralympics 2008 in Peking Gold über 100, 200 und 400 m; - Paralympics 2012 in London Gold über 400 und 4 x 100 m, Silber über 200 m Weltmeisterschaften 2011 in Daegu Halbfinale über 400 m Olympische Spiele 2012 in London Halbfinale über 400 m

    Wichtige Entscheidungen: 14. Januar 2008: Der Leichtathletik-Weltverband IAAF entscheidet, dass seine Karbon-Prothesen Pistorius Vorteile verschaffen und er deshalb nicht an den Olympischen Spielen in Peking teilnehmen darf.

    16. Mai 2008: Der Internationale Sportgerichtshof CAS hebt die IAAF-Entscheidung wieder auf. Pistorius verpasst aber die sportliche Qualifikation für die Spiele in Peking.

    8. August 2011: Pistorius wird zusammen mit dem Sprinter Jason Smyth als erster behinderter Sportler für eine Leichtathletik-WM nominiert.

    4. August 2012: Pistorius startet als erster beinamputierter Sportler der olympischen Geschichte bei den Spielen in London.

    Roux sagte, Pistorius sei nicht die Idee gekommen, dass hinter der Toilettentür seine Freundin sitzen könnte. Der Sportler habe ernsthaft gedacht, sie sei im Schlafzimmer. "Er befand sich vor der Tür, ohne Beine, und hörte Geräusche. Er hat geschossen", sagte Roux. "Wenn das plausibel klingt und er also aus einem Reflex heraus gehandelt hat, dann müssen Sie ihn freisprechen", appellierte der Anwalt an die Richterin. Eine Psychiaterin hatte Pistorius bereits während des Verfahrens eine "intensive Angststörung" bescheinigt.

    Feuerte Pistorius aus Todesangst Schüsse ab?

    Roux gestand ein, dass sein Mandant im ersten Anklagepunkt - dem der Fahrlässigkeit - schuldig sein könnte. "Aber in diesem Prozess hätte es um Totschlag gehen sollen und nicht um Mord", betonte er. 

    Roux widersprach mit zahlreichen Argumenten der Staatsanwaltschaft. Minute für Minute ging er den Tatabend durch und benannte Widersprüche. So hätten etwa Nachbarn ausgesagt, einen Streit und die Schreie einer Frau gehört zu haben, während Zeugen der Verteidigung keinen Streit, sondern nur die Schreie eines Mannes gehört haben wollen. "Würde es Sinn machen, dass der Beschuldigte vor dem Abfeuern der Schüsse 'Hilfe, Hilfe, Hilfe' rufen würde?", fragte Roux.

    Anwalt: Schüsse auf Steenkamp ein "gewaltiger, unglücklicher Fehler"

    Pistorius habe stattdessen verzweifelt um Steenkamps Leben gekämpft, als er sie im Bad fand, und weinend um Hilfe gerufen. "Warum würde er Hilfe für sie wollen, wenn er versucht hätte, sie umzubringen... so dass sie überleben und sagen könnte: Dieser Mann hat versucht, mich umzubringen", fragte Roux. All dies entspreche nicht dem Verhalten nach einem Mord. "Es entspricht einem Unfall. Einem gewaltigen, unglücklichen Fehler."

    Die Richterin nannte einen Vergleich von Roux unpassend: Der Verteidiger hatte gesagt, Pistorius habe sich wie eine Frau verhalten, die jahrelang missbraucht worden sei und bei der sich alles Aufgestaute irgendwann gegen ihren Mann entlade. So ähnlich sei das bei seinem Mandanten gewesen, der jahrelang unter seiner Behinderung gelitten habe. AZ/dpa

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