Pistorius hatte im vergangenen Jahr seine Freundin Reeva Steenkamp durch eine geschlossene Badezimmertür erschossen, aber stets beteuert, es habe sich um einen tragischen Irrtum gehandelt. Wird Pistorius des vorsätzlichen Mordes schuldig befunden, droht ihm eine lebenslange Haftstrafe von mindestens 25 Jahren.
Nach dem rund fünfstündigen Auftritt des Staatsanwalts begann auch Verteidiger Barry Roux überraschend schon am Donnerstag mit seinen Ausführungen. Er hatte eine halbe Stunde Zeit, auf Nels Plädoyer einzugehen. Die eigentliche Schlussrede Roux' steht an diesem Freitag an. Mit den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung geht der spektakuläre Mordprozess gegen Pistorius nach Monaten seinem Ende entgegen. Das Urteil wird für Ende August erwartet.
Ankläger Nel bezichtigte Pistorius der Lüge. "Seine Aussage ging völlig an der Wahrheit vorbei", meinte er. Der Angeklagte habe sich eine ganz eigene Version der Tatnacht zusammengebastelt. Nel versuchte die Richterin Thokozile Masipa noch einmal davon zu überzeugen, dass der heute 27-Jährige in der Nacht zum Valentinstag 2013 vorsätzlich handelte. Pistorius sei ein unverantwortlicher Waffennarr, der die Gesetze missachte, erklärte Nel.
Pistorius starrte mit ernstem Gesicht die meiste Zeit auf den Boden. Während des Prozesses war er mehrmals in Tränen ausgebrochen und hatte sich wiederholt übergeben. Nach Erfolgen bei den Paralympics war Pistorius als erster beinamputierter Sportler der Olympia-Geschichte im Jahr 2012 mit seinen beiden Prothesen bei den Spielen in London gestartet. Er erlangte weltweit Bekanntheit.
"In dem Haus befanden sich nur zwei Menschen. Einer davon wurde getötet", sagte Nel. "Es gab nur einen Überlebenden, und da er sich entschieden hat, auszusagen, hätte man erwarten können, dass er eine ehrliche Version von dem erzählt, was passiert ist." Aber Pistorius habe sich geweigert, die Verantwortung für seine Tat zu übernehmen, und die Schuld von sich gewiesen. Die Argumente der Verteidigung seien "frei von jeder Wahrheit".
Nel wiederholte noch einmal die wesentlichen Vorwürfe, die er bereits während der bisherigen Verhandlung vorgebracht hatte. Demnach hätten Untersuchungen ergeben, dass Steenkamp in der Tatnacht noch gegen ein Uhr Morgens etwas gegessen habe. Dies stehe im Widerspruch zur Aussage Pistorius', wonach das Paar früh zu Bett gegangen sei. Auch war Steenkamp zum Zeitpunkt ihres Todes vollständig bekleidet und hatte ihr Mobiltelefon mit in die Toilette genommen. Weitere Kleidungsstücke waren zusammengelegt in ihrer Tasche gefunden worden. Das deute darauf hin, dass sie gehen wollte, nachdem es zu einem Streit gekommen sei.
"Es gibt vier beieinander befindliche Durchschüsse, und der Winkel könnte darauf hinweisen, dass sie alle auf die Toilettenschüssel gerichtet waren. Er wusste, wo sie stand, weil sie mit ihm sprach", sagte Nel.
Pistorius hat stets beteuert, dass es sich um einen tragischen Irrtum gehandelt habe, weil er hinter der Tür einen Einbrecher vermutet habe. Er habe in Panik gehandelt, so der Sportler. Eine Psychiaterin hatte ihm eine "intensive Angststörung" bescheinigt.
Im Gerichtssaal waren auch die Eltern des Models Reeva Steenkamp. Vater Barry Steenkamp war zum ersten Mal dabei, da er im Januar einen Schlaganfall erlitten hatte.
Bei ihrem Urteil muss sich Masipa vor allem auf Indizien und die Glaubwürdigkeit der Zeugen verlassen. 39 Prozesstage und 36 Zeugenverhöre konnten letztlich nicht klären, was in der Tatnacht in Pistorius' Villa in Pretoria wirklich geschah. (dpa)