Fünf Monate nach dem Gewaltverbrechen begann der Prozess am Landgericht im ostfriesischen Aurich mit einer Schweigeminute für die tote Elfjährige. Der Angeklagte hatte schon zuvor gestanden, die Grundschülerin am 24. März umgebracht zu haben. Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt.
Die Anklage vor der Jugendkammer lautet unter anderem auf Mord. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hatte der Mann das elfjährige Mädchen erst vergewaltigt und dann erwürgt, damit die Kleine über das Sexualverbrechen nichts erzählen konnte. Bereits vier Monate zuvor soll der Täter versucht haben, eine Joggerin in Emden zu vergewaltigen. Die Frau konnte sich aber erfolgreich wehren.
Die große Jugendkammer schloss auf Antrag des Strafverteidigers die Öffentlichkeit bis zum Urteil aus. Zuvor war bereits die Anklageschrift in teilweise nichtöffentlicher Sitzung verlesen worden.
Der Vorsitzende Richter, Werner Brederlow, begründete den Schritt mit dem Schutz des Opfers und der Angehörigen. Es gehe aber auch um den 18-Jährigen. Bei ihm steht noch nicht fest, ob seine Taten nach Jugendstrafrecht oder Erwachsenenrecht geahndet werden. "Die öffentliche Erörterung könnte seiner weiteren Entwicklung schaden", sagte Brederlow. Eine sinnvolle Trennung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Teilen der Verhandlung sei nicht möglich.
Ein Vertreter der Nebenklage versuchte erfolglos, die Zulassung von Lenas Stiefvater zur Verhandlung zu erreichen. Neben Lenas Mutter sind nur ihr jüngerer Bruder und die angegriffene Joggerin als Nebenkläger zugelassen. Nebenkläger können auch bei nichtöffentlichen Sitzungen dabei sein, sie dürfen Anträge und Fragen stellen. Richter Brederlow sagte, sie sollten dem Opfer "Gesicht und Stimme geben". Die Anwälte hatten aber schon angekündigt, dass weder der Bruder noch die Joggerin persönlich teilnehmen wollten.
Am ersten Verhandlungstag sollten Lenas Eltern, ein Parkhauswächter und ein elfjähriger Freund des toten Mädchens als Zeugen aussagen.
Im März hatte die Ermordung der Elfjährigen in ganz Deutschland Bestürzung ausgelöst. Eine 40-köpfige Mordkommission fahndete nach dem Täter und nahm zunächst einen Berufsschüler als Verdächtigen fest, der sich aber schnell als unschuldig erwies. Eine Hetzjagd im Internet gegen den jungen Mann und Ermittlungspannen bei der Polizei sorgten für Schlagzeilen und Empörung.
Zeugenaussagen führten die Ermittler schließlich auf die Spur des 18-Jährigen. Eine DNA-Analyse überführte ihn. Die Polizei räumte wenig später ein, dass die pädophilen Neigungen des Verdächtigen bereits bekannt waren. Er hatte sich im vergangen November selbst angezeigt, weil er eine Siebenjährige nackt fotografiert hatte. Eine vom Amtsgericht in Hannover angeordnete Hausdurchsuchung fand aber nie statt.
Lena wollte am Nachmittag des Tattages mit einem gleichaltrigen Freund Enten in den Wallanlagen der ostfriesischen Hafenstadt füttern. Als die Elfjährige nicht nach Hause kam, machte sich ihre Mutter auf die Suche. Ein Wächter des in der Innenstadt direkt neben einem Kino gelegenen Parkhauses fand die Kinderleiche am Abend in einem abgelegenen Notfall-Treppenhaus.
Das Landgericht in Aurich - rund 30 Kilometer entfernt von Emden - hat bis Anfang November zehn weitere Verhandlungstage angesetzt. 17 Zeugen sind geladen.
Außerdem sollen ein Gerichtsmediziner und ein Psychiater aussagen. Dieser soll beurteilen, ob der Angeklagte schuldfähig ist und ob er als Erwachsener oder Jugendlicher anzusehen ist. Seine Einschätzung wird eine entscheidende Rolle beim Strafmaß spielen. Bei einem Urteil nach Erwachsenenstrafrecht droht dem 18-Jährigen lebenslange Haft. Wird das Jugendstrafrecht angewandt, müsste er maximal zehn Jahre hinter Gittern verbüßen. (dpa)