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Prozess in Berlin: Gericht verurteilt Raser wegen Mordes

Prozess in Berlin

Gericht verurteilt Raser wegen Mordes

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    Die Berliner Tauentzienstraße am Tag nach dem tödlichen Rennen. Helfer beseitigten die Trümmerteile der Wagen.
    Die Berliner Tauentzienstraße am Tag nach dem tödlichen Rennen. Helfer beseitigten die Trümmerteile der Wagen. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Kaum hat der Richter das Urteil gegen die beiden Ku’damm-Raser verkündet, ertönt ein spitzer Schrei im Saal des Landgerichts Berlin. „Lebenslänglich!“ Hamdi H. und Marvin N. müssen ins Gefängnis – „wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.“ Hamdi H. sacken die Beine weg, er muss sich auf den Tisch stützen. Seine Verlobte sinkt auf die Zuschauerbank.

    Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass Raser nach einem tödlichen Unfall wegen Mordes verurteilt wurden. Bislang galt die Teilnahme an Autorennen als Ordnungswidrigkeit. Wer erwischt wurde, kam mit einem Bußgeld von 400 Euro und einem Monat Fahrverbot davon. Gab es Tote, wurden die Fahrer wegen fahrlässiger Tötung zu niedrigen Gefängnisstrafen verurteilt.

    Raser hätten sich über mögliche Risiken klar sein müssen

    Der Fall der beiden Ku’damm-Raser Hamdi H., 27, und Marvin N., 25, passe nicht in das Raster der bisherigen Rechtsprechung, sagte Richter Ralph Ehestädt. Als die Spurensicherung das Auto von Hamdi H. in der Nacht zum 1. Februar von der Mittelinsel des Ku’damms barg, stand der Tacho auf 170 Stundenkilometern. Der wegen Verkehrsdelikten mehrfach vorbestrafte Arbeiter hatte bei einem Mehr dazu: Unbeteiligter Mann stirbt nach Autorennen in Berlin)

    Konnten die beiden Raser die Folgen nicht abschätzen, weil sie sich in ihrem Audi A6 und in dem Mercedes Benz AMG mit 225 beziehungsweise 381 PS wie die Könige der Straße fühlten? Vor dem Rennen prahlte Marvin N.: „Ku’damm, Alder! Keiner kann mit uns mithalten. Wir ficken die Straße!“ Oder hatten sie das Risiko, jemanden zu töten zumindest billigend in Kauf genommen? Das war die Kernfrage, um die sich dieser Prozess drehte.

    Die Verteidiger betonten, der Vorsatz, an einem Rennen teilzunehmen, sei nicht mit einem Tötungsvorsatz zu vergleichen. Die Männer hätten das Gefühl gehabt, alles unter Kontrolle zu haben. Dagegen machte sich das Gericht die Auffassung der Staatsanwaltschaft zu eigen. Die hatte auf Mord plädiert. „Natürlich hatten Sie keinen Tötungsvorsatz. Sie wollten Herrn W. in seinem Jeep nicht töten. Aber sie handelten mit bedingtem Vorsatz“, sagte Richter Ehestädt.

    Auch der Angeklagte Marvin N. (links) muss lebenslang hinter Gittern.
    Auch der Angeklagte Marvin N. (links) muss lebenslang hinter Gittern. Foto: Britta Federsen, dpa

    Es ist eine Terminologie, der sich auch der Bundesgerichtshof (BGH) schon bedient habe. „Das Mordmerkmal ist auch dann erfüllt, wenn der Täter Mittel einsetzt, die das Leben anderer gefährden können, weil er die Risiken nicht abschätzen kann.“ Die Täter hätten die erlaubte Geschwindigkeit um mehr als das Dreifache überschritten. Der Ku’damm sei eine Hauptverkehrsstraße, auf der auch nachts Fußgänger und Autos unterwegs seien. „Keine Landstraße in Mecklenburg-Vorpommern oder im Emsland.“ Konsequenterweise entzog das Gericht den beiden lebenslänglich den Führerschein.

    Marvin N. nahm es wie betäubt zur Kenntnis. Er hatte das Rennen nicht begonnen, Hamdi H. hatte ihn herausgefordert. Doch weil die Anklage auf Mord lautet, trifft ihn die Strafe mit derselben Härte. Die Anwälte der Raser wollen die Begründung nicht akzeptieren. Nach der Urteilsverkündung kündigte der Verteidiger von Hamdi H. an, er werde in Revision gehen. Politische Signalwirkung hat das Urteil schon.

    Härtere Strafen für Raser

    Nach einer Reihe tödlicher Unfälle hat der Bundesrat im Herbst einer Gesetzesinitiative zugestimmt, die deutlich härtere Strafen vorsieht. Wer illegale Rennen fährt, muss dann mit bis zu zwei Jahren Haft rechnen. Gibt es Todesopfer, drohen zehn Jahre. Der Entwurf liegt dem Bundestag vor, neben einem ähnlichen Entwurf, den der Bundesverkehrsminister eingebracht hat.

    Für unsere Region hat die Polizei keine exakten Zahlen dazu, wie häufig illegale Autorennen stattfinden. Erst am Samstagabend aber hat eine Zivilstreife in Augsburg zwei Raser aus dem Verkehr gezogen. Sie hatten zuvor an einem illegalen Tuning-Treffen in Gersthofen (Kreis

    Vergangenes Jahr war ein 23-Jähriger aus dem Kreis Günzburg in Ulm zu 6000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Er hatte einen Radfahrer erfasst und schwer verletzt, als er mit dem getunten 250-PS-Wagen seines Vaters durch die Innenstadt raste. Ob er sich mit einem anderen Fahrer ein Rennen lieferte, ist bis heute nicht klar. Im Dezember 2015 waren zwei 22-jährige Männer viel zu schnell in Kaufbeuren unterwegs. Dabei gefährdeten sie einen anderen Autofahrer, der Anzeige erstattete. mit sari, jsn

    Kommentar: Dieses Urteil ist hoffentlich eine Abschreckung für Raser 

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