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Prozess: Gutachter sieht Ex-Sprinter Oscar Pistorius mental "am Ende"

Prozess

Gutachter sieht Ex-Sprinter Oscar Pistorius mental "am Ende"

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    Oscar Pistorius vor dem Gerichtsgebäude.
    Oscar Pistorius vor dem Gerichtsgebäude. Foto: Kevin Sutherland (dpa)

    Oscar Pistorius ist depressiv, paranoid und leidet an einem post-traumatischen Stresssyndrom. Das sagt zumindest der von seinen Verteidigern beauftragte psychologische Gutachter. Er zeichnet das Bild eines Mannes, der in Folge der tödlichen Schüsse auf seine damalige Freundin psychisch am Ende ist. "Sein Zustand ist gravierend", sagte Psychologe Jonathan Scholtz am Montag vor Gericht in Pretoria. 

    Oscar Pistorius zeigt Reue

    Er sei ein gläubiger Christ, der Reue zeige und eine Chance zur Resozialisierung verdient habe, sagte Scholtz. "Er betet immer noch jeden Tag", erklärte der Psychologe. Pistorius hat getötet, doch er ist auch ein Opfer - diese Botschaft will seine Verteidigung zu Beginn des Verfahrens zur Festlegung eines neuen Strafmaßes verbreiten. Ihm drohen mindestens 15 Jahre Haft. 

    Der Krimi um den wohl berühmtesten Behinderten-Sportler zieht sich schon mehr als drei Jahre. Der unterhalb der Knie amputierte Pistorius erschoss am Valentinstag 2013 seine damalige Freundin Reeva Steenkamp, ein aufstrebendes Model. Pistorius hatte ausgesagt, er habe mehrfach durch die Toilettentür seines Hauses gefeuert, weil er dahinter einen Einbrecher befürchtet habe. 

    Pistorius vergrub bei der Gerichtsanhörung in Pretoria sein Gesicht immer wieder in seinen Händen, als der Gutachter ihn praktisch als ein psychologisches Wrack darstellte. Reeva Steenkamps Eltern verfolgten die Ausführungen nahezu regungslos, auch die Bemerkung des Gutachters, dass Pistorius mit dem Tod seiner Freundin "nichts gewonnen hat". Der 29-Jährige sei psychisch "am Ende", sagte Scholz. 

    Ist Oscar Pistorius zu krank zum Aussagen?

    Der Gutachter forderte, Pistorius sollte in einem Krankenhaus behandelt und nicht zurück ins Gefängnis geschickt werden. Weil er so krank sei, könne er auch nicht vor Gericht aussagen. Darauf reagierte Staatsanwalt Gerrie Nel schon fast spöttisch. Wie könne es sein, dass Pistorius in einem Fernsehinterview über den Fall reden könne, nicht aber vor Gericht? 

    Scholtz versicherte auch, dass das Risiko eines Rückfalls zu gewalttätigem Handeln bei Pistorius "sehr gering" sei. Doch auch davon war Nel nicht zu überzeugen. Angesichts der Schwere seiner beschriebenen psychologischen Erkrankungen sei nur schwer zu glauben, dass er keine Gefahr mehr für die Gesellschaft darstelle, sagte Nel. Scholtz entgegnete, Pistorius habe ein festes Jobangebot von einer Kinderhilfsorganisation. "Er würde sein Leben nun gerne der Hilfe für andere Menschen widmen."

    Die Anhörung zur Festlegung des Strafmaßes soll noch bis zum Freitag dauern. Pistorius war 2014 in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Die Strafe wurde nach einem Jahr in Hausarrest umgewandelt. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein und erzielte Ende 2015 in zweiter Instanz eine Verurteilung wegen "Mordes", was im deutschen Rechtssystem dem Totschlag entspricht. Darauf stehen in Südafrika bei nicht einschlägig vorbestraften Tätern mindestens 15 Jahre Haft, maximal 20.

    In Südafrika empfanden viele Menschen das Urteil der ersten Instanz zu fünf Jahren Haft wegen fahrlässiger Tötung als zu milde. In der schwarzen Bevölkerungsmehrheit sahen viele darin den Beweis, dass vermögende Weiße vor Gericht immer noch besser wegkommen als Schwarze. 

    Pistorius waren als Kind wegen eines Gen-Defekts beide Unterschenkel amputiert worden. Doch trotz seiner Behinderung legte er eine steile Sport-Karriere hin, in Südafrika avancierte der zähe Sprinter zu einem Nationalhelden. "Früher zählte er Präsidenten und königliche Hoheiten zu seinen Bekanntschaften", sagte Scholtz. Doch die Schüsse vom 14. Februar 2013 hätten seiner Karriere ein jähes Ende bereitet und ihn zu einer Hassfigur gemacht. "Ich kann mit Sicherheit sagen, dass sein Absturz von enormem Ausmaß war." Von Jürgen Bätz, dpa

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