Alexander Horn möchte man nicht zum Gegner haben. So freundlich und gewandt der 38-Jährige auch auftritt. Es braucht nur wenig Fantasie für die Vorstellung, wie er sein Gegenüber mit Intelligenz, Rhetorik und einem durchdringenden Blick in die Enge treibt. Keine schlechten Voraussetzungen für seinen Job: Horn ist Profiler. Als Leiter der Operativen Fallanalyse der Polizei in Bayern versucht er, aus den Tatumständen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit eines Täters zu ziehen und somit den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen.
Spuren am Tatort, Umfeld des Opfers
"Wir müssen uns die gesamten Umstände anschauen. Täter zeigen oft sehr bizarre, sehr außergewöhnliche Verhaltensweisen. Wir nehmen alle Informationen, bewerten sie und ziehen daraus unsere Schlüsse", umreißt Horn in wenigen Worten seine tägliche Arbeit. Dahinter stecken natürlich viele einzelne Schritte: Von der genauen Rekonstruktion der Tat über die Frage nach dem Motiv bis hin zu dem Versuch, Alter, Wohnort und Persönlichkeit des Täters zu skizzieren. Dafür nutzen die Spezialisten die Erkenntnisse der Rechtsmedizin, sichten die Spuren am Tatort, überprüfen das Umfeld des Opfers und ziehen Statistiken zu Rate.
Meist Sexualmödern auf den Fersen
Das Klischee aus den Fernsehserien habe nur bedingt etwas mit der Realität zu tun, betont Horn. "Es gibt bei uns nicht den einzelnen Profiler, der rausgeht zum Tatort, dort die Augen schließt und dann die Eingebung hat." Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: "Das funktioniert nicht, ich hab's in den vergangenen 15 Jahren vergeblich versucht."
Dass Fallanalytiker kein Job für zarte Gemüter ist, räumt Horn unumwunden ein. Meist hat er es mit gefährlichen Sexualmördern zu tun. "Es gibt nichts, was es nicht gibt", resümiert er, und hinter all der Nüchternheit blitzt kurz die Fassungslosigkeit auf. Zwar könne man sich auch an grauenhafte Anblicke etwas gewöhnen, beruhigt Horn schnell. Und das Team fange sich gegenseitig auf. Dennoch: "Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Der Blick auf die Menschen und die Welt verändert sich schon. Aber man muss sich bewusst machen, dass das nur ein kleiner Ausschnitt aus der Realität ist."
Fälle wie der "Maskenmann" bleiben im Kopf
Wirklich abschalten - das klappt nur selten. Fünf, sechs Fälle betreut Horns Team meist parallel. Etwa genauso viele begleiten ihn über Jahre hinweg, sind im Hinterkopf immer präsent. So wie der Fall "Dennis". Der Junge verschwand 1995 aus einem Zeltlager in Schleswig-Holstein. Erst in diesem Februar wurde der als "Maskenmann" bekanntgewordene Täter, der sich nachts in die Zimmer seiner Opfer schlich, wegen Mordes und sexuellen Missbrauchs verurteilt. Horn war - für einen Profiler ungewöhnlich - bei der Vernehmung dabei. Als der Täter nach all den Jahren gestand, konnte er erst einmal gar nichts fühlen, weder Erleichterung noch Freude.
"Hochstresssituationen" nennt Horn solche Momente, und die haben er und seine Kollegen oft. Zum Ausgleich trieben auffallend viele Profiler Ausdauersport. Für den schlanken und hochgewachsenen Horn ist ein stabiles Privatleben der entscheidende Ausgleich.
Lehre beim FBI
Der 38-Jährige ging damals gleich nach dem Abitur zur Polizei. Bald betreute er ein Pilotprojekt zur Täterprofilerstellung. "Das war ein völlig neues Feld, in Deutschland gab es das bis dato eigentlich nicht", erinnert sich Horn, der deshalb bei den US-Kollegen vom FBI und in Kanada in die Lehre ging. Inzwischen wird er selbst immer wieder zur Hilfe gerufen, wenn seine Kollegen wie im Fall "Dennis" nicht weiterkommen. Wie lange er den Job noch durchhält, vermag Horn allerdings nicht zu sagen. Viele Kollegen hätten nach einigen Jahren massiven Burnout. dpa/AZ