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Pretoria: Finale im Pistorius-Prozess: Richterin verkündet das Strafmaß

Pretoria

Finale im Pistorius-Prozess: Richterin verkündet das Strafmaß

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    Im Pistorius-Prozess rückt die Entscheidung über das Strafmaß näher.
    Im Pistorius-Prozess rückt die Entscheidung über das Strafmaß näher. Foto: Alon Skuy (dpa)

    Für Südafrikas Paralympics-Star Oscar Pistorius kommt 20 Monate nach der Erschießung seiner Freundin nun die Stunde der Wahrheit: Richterin Thokozile Masipa verkündet am Dienstag, ob sie der Forderung der Anklage nach zehn Jahren Gefängnis nachkommt oder welches andere Strafmaß sie für die fahrlässige Tötung des Models Reeva Steenkamp festlegt.

    Pistorius-Ureil: Möglich ist auch nur Hausarrest und gemeinnützige Arbeit

    Der Fall Pistorius - eine Chronologie

    14. Februar 2013: Steenkamps Leiche wird in Pistorius' Wohnung gefunden. Der Sportler hatte die 29-Jährige durch die geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen aus einer seiner Schusswaffen getötet. Er wird festgenommen.

    15. Februar 2013: Bei einem ersten Gerichtstermin, bei dem Pistorius Mord an seiner Freundin zur Last gelegt wird, bestreitet er den Mordvorwurf.

    19. Februar 2013: Pistorius macht geltend, er habe hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und "furchtbare Angst" gehabt.

    22. Februar 2013: Pistorius wird gegen eine Kaution von umgerechnet 75.000 Euro freigelassen.

    März 2014: Zum Prozessauftakt sagt eine Zeugin aus, sie habe in der Tatnacht "schreckliche Schreie" einer Frau und Schüsse gehört. Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts.

    April 2014: Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche.

    30. Juni 2014: Nach sechswöchiger Pause, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen muss, erklären drei Psychiater und ein Psychologe, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig war.

    11. September 2014: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlages frei.

    12. September 2014: Pistorius wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen.

    21. Oktober 2014: Das Strafmaß wird verkündet: maximal fünf Jahre Gefängnis. Pistorius muss seine Haft sofort antreten.

    10. Dezember 2014: Die Berufung wird zugelassen.

    19. Oktober 2015: Pistorius wird auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig aus der Haft in den Hausarrest entlassen.

    3. November 2015: Im Berufungsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes

    3. Dezember 2015: Pistorius wird wegen Mordes schuldig gesprochen, der Fall wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.

    3. März 2016: Das Verfassungsgericht weist eine Beschwerde des Sportlers gegen den Schuldspruch zurück.

    6. Juli 2016: Pistorius wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er tritt seine Strafe sofort an. Sowohl Anklage als auch Verteidigung können Berufung gegen das Strafmaß einlegen.

    Pistorius hatte die 29-Jährige in der Nacht auf Valentinstag 2013 durch eine geschlossene Toilettentür seiner Villa bei Pretoria erschossen. Die Richterin folgte seiner unter Tränen vorgebrachten Beteuerung, er habe hinter der Tür einen Einbrecher vermutet. Sie wies die Mordanklage zurück und sprach den beinamputierten Paralympics-Sieger am 12. September lediglich der fahrlässigen Tötung schuldig.

    Darauf stehen nach südafrikanischem Recht maximal 15 Jahre Haft. Da keine Mindeststrafe vorgeschrieben ist, könnte Richterin Masipa (67) den 27-Jährigen auch nur zu Hausarrest und gemeinnütziger Arbeit verurteilen - so die Forderung der Verteidigung.

    Chefankläger: "Zehn Jahre sind da Minimum"

    Pistorius' Anwalt Barry Roux hatte am Freitag in seinem Schlussplädoyer erklärt, sein Mandant bedauere sein fahrlässiges Verhalten zutiefst. Er sei keineswegs "der kaltblütige Mörder", als den ihn die Staatsanwaltschaft dargestellt habe.

    Der Sportler könne nicht verwinden, dass er aufgrund eines "tragischen Irrtums" den Tod seiner Geliebten verursacht habe. Seine Bestrafung habe daher gleich nach den Schüssen auf die Toilettentür begonnen. "Sollte er ins Gefängnis kommen, würde ihn dies brechen."

    Staatsanwalt Gerrie Nel erwartet hingegen, dass die Richterin Pistorius so bestrafe, wie dies die Mehrheit der Südafrikaner wolle. "Zehn Jahre sind das Minimum", sagte der Chefankläger in seinem Schlussplädoyer. Falls Pistorius mit Hausarrest in der Luxusvilla seines Onkels davonkomme, wäre dies angesichts des Leids der Opfer-Familie "schockierend".

    Südafrika kritisiert Richterin wegen Urteil

    Südafrikanische Juristen äußerten unterschiedliche Vermutungen zu Art und Umfang der Strafe. Einige erwarten ein hartes Urteil, nachdem die Richterin massiv dafür kritisiert worden war, dass sie Pistorius nicht des Mordes schuldig gesprochen hatte. Dafür hätte er obligatorisch lebenslänglich erhalten müssen. Andere Experten verwiesen darauf, dass

    Der Strafrechtsexperte Professor André Thomashausen von der Johannesburger Kanzlei Werth Schröder Inc. schließt nicht völlig aus, dass die Richterin Pistorius mit Sozialdienst - zum Beispiel auf der Farm seines Onkels in Mosambik - davonkommen und sich danach in den Ruhestand versetzen lasse. Andererseits könne sie "ihm acht Jahre aufbrummen, um zu beweisen, dass sie eben doch unabhängig ist", sagte er.

    Das ist Oscar Pistorius

    Geburtsdatum: 22. November 1986

    Geburtsort: Sandton/Südafrika

    Behinderung: Pistorius wird durch einen Gendefekt ohne Wadenbeine und äußere Fußseiten geboren. Im Alter von elf Monaten werden ihm beide Beine unterhalb der Knie amputiert.

    Größte Erfolge: - Paralympics 2004 in Athen Gold über 200 m, Bronze über 100 m; - Paralympics 2008 in Peking Gold über 100, 200 und 400 m; - Paralympics 2012 in London Gold über 400 und 4 x 100 m, Silber über 200 m Weltmeisterschaften 2011 in Daegu Halbfinale über 400 m Olympische Spiele 2012 in London Halbfinale über 400 m

    Wichtige Entscheidungen: 14. Januar 2008: Der Leichtathletik-Weltverband IAAF entscheidet, dass seine Karbon-Prothesen Pistorius Vorteile verschaffen und er deshalb nicht an den Olympischen Spielen in Peking teilnehmen darf.

    16. Mai 2008: Der Internationale Sportgerichtshof CAS hebt die IAAF-Entscheidung wieder auf. Pistorius verpasst aber die sportliche Qualifikation für die Spiele in Peking.

    8. August 2011: Pistorius wird zusammen mit dem Sprinter Jason Smyth als erster behinderter Sportler für eine Leichtathletik-WM nominiert.

    4. August 2012: Pistorius startet als erster beinamputierter Sportler der olympischen Geschichte bei den Spielen in London.

    Am wahrscheinlichsten ist für Thomashausen, dass das Strafmaß zwischen fünf und sechs Jahren liegen wird. Dann könne er nach spätestens drei Jahren zur Bewährung nach Hause.

    Oscar Pistorius darf noch Berufung einlegen

    Dass der Pistorius-Fall, der weltweit Aufsehen erregt hat, mit der Verkündung des Strafmaßes zu den Akten gelegt wird, ist allerdings nicht sicher. Sollte es zu weit von den jeweiligen Forderungen der Anklage und der Verteidigung abweichen, könnten beide Seiten Berufung einlegen. Dies wäre unmittelbar nach der Bekanntgabe möglich oder noch bis zu zwei Wochen danach.

    Daher wird damit gerechnet, dass Pistorius - wenn überhaupt - frühestens nach Ablauf dieser Frist ins Gefängnis müsste. Sollte Berufung eingelegt werden, würde dies die Vollstreckung der Strafe aussetzen. Bis zur Verhandlung vor dem Obersten Gericht Südafrikas könnten zwei Jahre vergehen, schätzen Experten. In dieser Zeit würde Pistorius weiter auf Kaution in Freiheit bleiben können. dpa/AZ

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