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Pretoria: Fall Pistorius geht in die zweite Runde: Gibt es eine härtere Strafe?

Pretoria

Fall Pistorius geht in die zweite Runde: Gibt es eine härtere Strafe?

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    Pistorius droht eine höhere Strafe.
    Pistorius droht eine höhere Strafe. Foto: Kevin Sutherland (dpa)

    Der 3. November ist ein Schicksalstag für Oscar Pistorius. Dann steht in Bloemfontein die Berufung der Staatsanwaltschaft zur Verhandlung an, die ein härteres Urteil gegen den 28-Jährigen erreichen will. Dem einstigen Spitzenathleten, der am Valentinstag 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp erschossen hat und wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, könnte danach eine Rückkehr in seine Haftzelle in Pretorias Kgosi Mampuru II bevorstehen. 

    Zur Zeit sitzt er den Rest seiner bisherigen Strafe in der Luxusvilla seines Onkel Arnold in Pretorias Diplomatenviertel Waterkloof ab - im Hausarrest.

    Fünf Richter werden darüber entscheiden müssen, ob es dabei bleibt. Nach ein paar Tagen soll das Urteil in schriftlicher Form vorliegen. "Sie müssen entscheiden, ob er beim Abfeuern der Schüsse hätte vorhersehen können, dass jemand sterben könnte", sagt Adrie Hechter, ein auf Strafrecht spezialisierter Anwalt aus Bloemfontein. 

    Dem wohl berühmtesten Behindertensportler der Welt droht eine Verurteilung wegen Mordes und eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren, wenn die Juristen diese Frage positiv beantworten. "Es ist extrem schwierig das Ergebnis vorherzusagen", gibt Hechter zu.

    Oscar Pistorius: Vom Star zum verurteilten Verbrecher

    Oscar Pistorius hat eine steile Karriere und einen extrem tiefen Fall hinter sich: 2012 startete er als erster beinamputierter Sportler der Olympia-Geschichte bei den Olympischen Spielen. Er wurde Achter mit der Staffel über 4 x 400 Meter und kam als Einzelstarter bis ins 400-Meter-Halbfinale. Bei den Paralympics holte er Doppel-Gold.

    Jetzt muss er unter den Augen einer an jedem Detail interessierten Öffentlichkeit erst mal sein Leben neu ordnen und strenge Auflagen erfüllen - angefangen bei einem kompletten Alkoholverbot über Sozialstunden bis zur Pflicht, eine Arbeit anzunehmen. 

    Der frühere Paralympics-Star - ihm wurden als Kind beide Unterschenkel amputiert - tötete seine Freundin mit vier Schüssen durch eine geschlossene Toilettentür, so viel ist klar. Im Prozess gab er an, dahinter einen Einbrecher vermutet zu haben. Im Oktober 2014 wurde er dafür zu fünf Jahren Haft verurteilt - zu wenig für so eine Tat, fanden Kritiker des Urteils. 

    Der Fall Pistorius - eine Chronologie

    14. Februar 2013: Steenkamps Leiche wird in Pistorius' Wohnung gefunden. Der Sportler hatte die 29-Jährige durch die geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen aus einer seiner Schusswaffen getötet. Er wird festgenommen.

    15. Februar 2013: Bei einem ersten Gerichtstermin, bei dem Pistorius Mord an seiner Freundin zur Last gelegt wird, bestreitet er den Mordvorwurf.

    19. Februar 2013: Pistorius macht geltend, er habe hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und "furchtbare Angst" gehabt.

    22. Februar 2013: Pistorius wird gegen eine Kaution von umgerechnet 75.000 Euro freigelassen.

    März 2014: Zum Prozessauftakt sagt eine Zeugin aus, sie habe in der Tatnacht "schreckliche Schreie" einer Frau und Schüsse gehört. Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts.

    April 2014: Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche.

    30. Juni 2014: Nach sechswöchiger Pause, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen muss, erklären drei Psychiater und ein Psychologe, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig war.

    11. September 2014: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlages frei.

    12. September 2014: Pistorius wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen.

    21. Oktober 2014: Das Strafmaß wird verkündet: maximal fünf Jahre Gefängnis. Pistorius muss seine Haft sofort antreten.

    10. Dezember 2014: Die Berufung wird zugelassen.

    19. Oktober 2015: Pistorius wird auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig aus der Haft in den Hausarrest entlassen.

    3. November 2015: Im Berufungsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes

    3. Dezember 2015: Pistorius wird wegen Mordes schuldig gesprochen, der Fall wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.

    3. März 2016: Das Verfassungsgericht weist eine Beschwerde des Sportlers gegen den Schuldspruch zurück.

    6. Juli 2016: Pistorius wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er tritt seine Strafe sofort an. Sowohl Anklage als auch Verteidigung können Berufung gegen das Strafmaß einlegen.

    Wie auch immer das Berufungsverfahren in Bloemfontein ausgehen wird: Für die Familie des Opfers hat oberste Priorität, über den Verlust der Tochter hinwegzukommen. Reeva Steenkamps Vater Barry wünscht sich ein Treffen mit dem 28-Jährigen Pistorius, um endlich einen Abschluss zu finden. Sollte sich die Chance dazu ergeben, erklärte Barry Steenkamp im südafrikanischen Fernsehen, so würde er das tun - auch auf die Gefahr hin, dass er bei dem Treffen vermutlich gar nichts zu sagen hätte. 

    Reevas Mutter June hat ebenfalls betont, dass sie keine Rachegedanken gegen Pistorius hege. Sie hatte zwei Tage nach Pistorius' Haftentlassung in den Hausarrest an der früheren Schule ihrer Tochter in der Hafenstadt Port-Elizabeth eine Rede vorgetragen, die ihre Tochter ursprünglich am Tag ihres Todes hatte halten wollen. Mit einer Stiftung für Opfer von häuslichem Missbrauch will June Steenkamp nun versuchen, im Sinne ihrer Tochter künftig gesellschaftliche Akzente zu setzen. In einem Land wie Südafrika mit seiner weit verbreiteten Gewalt will sie vor allem Mädchen und Frauen nach Übergriffen wieder auf die Beine helfen. dpa

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