Der Deutsche Presserat verhängt keine Sanktionen gegen eine polizeikritische Kolumne der Tageszeitung taz. Die Polizei als Teil der Exekutive müsse sich gefallen lassen, von der Presse scharf kritisiert zu werden, begründete der Beschwerdeausschuss des Rates am Dienstag seine Entscheidung zu Hunderten Beschwerden gegen den Text. Der Presserat ist die freiwillige Selbstkontrolle der Presse, also von Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien. Die Gewerkschaft der Polizei kritisierte das Ergebnis.
Die Mitte Juni erschienene Kolumne der linken Tageszeitung mit Sitz in Berlin hatte bundesweit große Aufmerksamkeit erregt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte zeitweise erwogen, Strafanzeige gegen die Verfasserin zu stellen, was er letztlich aber nicht tat.
Kolumne der taz richtet sich gegen Polizei - Presserat sieht keinen Verstoß gegen Pressekodex
In der Kolumne "All cops are berufsunfähig" stellte die Autorin ein Gedankenspiel an, wo Polizisten arbeiten könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde, der Kapitalismus aber nicht. Zum Schluss hieß es in dem Text: "Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten." Polizei, Gewerkschafter und viele Politiker zeigten sich empört.
Der Presserat sieht die Kolumne von der Meinungsfreiheit gedeckt. Der Artikel ist demnach kein Verstoß gegen den Pressekodex, an dessen ethischen Standards sich die Medienbranche orientiert. "Die Mitglieder kamen mit überwiegender Mehrheit zu dem Schluss, dass der Text nicht gegen die Menschenwürde von Polizistinnen und Polizisten nach Ziffer 1 des Pressekodex verstößt, da sich die Kritik auf eine ganze Berufsgruppe und nicht auf Einzelpersonen bezieht", hieß es. Auch falle die Polizei anders als etwa Angehörige von religiösen oder ethnischen Minderheiten nicht unter den Diskriminierungsschutz des Kodex, weil die Polizei eine gesellschaftlich anerkannte Berufsgruppe sei. Der Presserat erklärte zudem: "Die Satire bezieht sich im Kern auf die gesellschaftliche Debatte über strukturelle Probleme bei der Polizei wie Rechtsradikalismus, Gewalt und Rassismus."
"Polizei auf der Halde" - Presserat hat fast 400 Beschwerden erhalten
Der Rat hatte fast 400 Beschwerden zu dem Text erhalten und ein Verfahren eingeleitet, das nun der Beschwerdeausschuss am Dienstag behandelte und entschied. Auch der Bundesinnenminister wandte sich an den Presserat. Zu den Sanktionen, die der Rat verhängen kann, zählen ein Hinweis, eine Missbilligung und die Rüge als härteste Folge. Eine öffentliche Rüge bedeutet, dass die betroffene Redaktion in einer ihrer nächsten Ausgaben diese veröffentlichen muss.
taz-Chefredakteurin Barbara Junge teilte zu der Entscheidung des Rates mit, die Zeitung habe sich kritisch und transparent mit dem Text und seinen Auswirkungen auseinandergesetzt. "Worüber wir jetzt reden müssen, ist etwas anderes", betonte sie. Nämlich, dass die Autorin "von einem rechten Mob bedroht" werde. Junge sagte auch: Man müsse darüber reden, was Rhetorik von CSU, Polizeigewerkschaften und Bundesinnenminister beigetragen habe.
Als Minister Seehofer angekündigt hatte, doch keine Strafanzeige zu stellen, wurde eine Begegnung von beiden Seiten in den Raum gestellt. Nach taz-Angaben ist die Chefredaktion bezüglich eines Gesprächs im Austausch mit dem Minister. Das Bundesinnenministerium teilte mit, dass man ein Treffen für Ende September vereinbart habe.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagierte mit Unverständnis auf die Entscheidung des Presserates. Mit der Kolumne sei "das Empfinden einer ganzen Berufsgruppe zutiefst verletzt" worden, erklärte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek. In dem Artikel seien die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten worden.
Bei der Staatsanwaltschaft Berlin waren nach dem Erscheinen der Kolumne zahlreiche Strafanzeigen gegen die Autorin eingegangen. Nach dpa-Informationen wird es voraussichtlich aber kein Ermittlungsverfahren geben. (dpa)
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