Edgar Selge mag keine Telefoninterviews. Er sieht beim Gespräch gerne seinem Gegenüber in die Augen und schlürft dabei einen Caffè Lungo bei einem Münchner Italiener. Die Leute im Restaurant schauen immer wieder etwas verstohlen herüber, sie wissen, dass dieser Mann kein Unbekannter ist. Doch hat er nicht einen Arm zuviel?
Als einarmiger Kommissar Tauber im „Polizeiruf“ wurde der Schauspieler, der am Dienstag 70 Jahre alt wird, eines der bekanntesten TV-Gesichter der Republik. Nach 20 Episoden beerdigte Selge 2009 die kultverdächtige Serienfigur: „Je mehr ich mit dieser Rolle in der Öffentlichkeit identifiziert wurde, desto wichtiger war es aufzuhören“, sagt er. Selge verkörperte den vor allem an sich selbst leidenden Kriminalisten so überzeugend, dass er noch nach seinem Abschied auf der Straße von Menschen angesprochen wurde, die sich darüber freuten, dass er zwei Arme habe, wie er einmal dem Playboy erzählte.
Edgar Selge war Schauspieler des Jahres 2016
Seit er den Serienjob aufgab, spielt Selge wieder mehr Theater. Ein fulminanter Erfolg war die Theater-Adaption von Michel Houellebecqs umstrittenem Roman „Unterwerfung“ am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Darin spielt er in einem dreistündigen Monolog alle fünf handelnden Figuren, ein Kraftakt. „Die Leute rennen geradezu hinein, das Stück war von Anfang an ausverkauft“, sagt Selge. 2016 wurde er für diesen Abend von der Zeitschrift „Theater heute“ zum „Schauspieler des Jahres“ gewählt und erhielt obendrein den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“. Zwei von zahlreichen Auszeichnungen, die er im Verlauf seiner nun schon mehr als 40 Jahre währenden Karriere eingeheimst hat.
Das Studium und die Liebe
Die Schauspielerei war Selge, Sohn eines Gefängnisdirektors im westfälischen Herford, nicht in die Wiege gelegt. Nach einem Philosophie- und Klavierstudium gelang ihm der Sprung an die renommierte Otto-Falckenberg-Schule in München, die deutsche Theater-Talentschmiede schlechthin. Sein erstes Engagement führte ihn 1975 ans Berliner Schillertheater, anschließend arbeitete er fast 20 Jahre an den Münchner Kammerspielen und gastierte am Wiener Burgtheater, am Münchner Resi, am Zürcher Schauspielhaus und bei den Salzburger Festspielen.
Zuletzt war er fester Gast am Schauspiel Stuttgart, zusammen mit seiner Frau Franziska Walser, Tochter des Schriftsteller-Granden Martin Walser. Die beiden hatten sich während des Schauspielstudiums kennen und lieben gelernt. Selge und Walser haben einen Sohn und eine Tochter. Jakob ist ebenfalls Schauspieler und derzeit am Schauspiel Bielefeld engagiert, Maria feiert Erfolge als Tänzerin.
Selge bekam zahlreiche TV-Rollen
Mit einer Rolle in Helmut Dietls „Rossini“ begann 1997 Selges Karriere als TV- und Filmdarsteller. Er war regelmäßiger Gast in Krimiserien wie „Tatort“, „Der Alte“ oder „Derrick“, spielte in Streifen wie „Angsthasen“, der 2007 als Komödie des Jahres gefeiert wurde, oder „Feuchtgebiete“ nach Charlotte Roche. (dpa)