Die Uhr tickt. Das gilt generell fürs Leben und erst recht für das Gute, das dem Bösen immer mindestens einen Schritt hinterher hechelt. Im Münchner Polizeiruf „Bis Mitternacht“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) hat Überflieger-Ermittlerin Elisabeth „Bessie“ Eyckhoff (Verena Altenberger) nur noch zwei Stunden Zeit, um einen mutmaßlichen Serientäter in die Ecke zu verhören. Alternative: keine Beweise, Tür auf, gute Nacht. Wobei das Patriarchat in der Mordkommission ihr nicht mal die vollen zwei Stunden gönnt. Bessie hat ihre erste Krise, und der Polizeiruf gleich mit.
Die Geschichte basiert auf dem Buch „Abgründe: Wenn aus Menschen Mörder werden“ von Josef Wilfling – jenem legendären Münchner Kriminalkommissar, der unter anderem die Morde an Walter Sedlmayr und Rudolph Moshammer mit aufklärte. Sie erzählt keinen konkreten Fall nach, aber stützt sich auf zwei von Wilfling thematisierte Grundfragen: Unter welchem Druck stehen Kripo-Beamtinnen und -Beamte, wenn sie eine verdächtige Person unter Zeitdruck zu einem Geständnis bewegen und andernfalls laufen lassen müssen? Und welche Verhörmethoden ergeben Sinn, wenn, wie hier, der böse Bube psychisch krank, aber zugleich hochintelligent ist?
Der "Polizeiruf" aus München schwächelt wie Bessie Eyckhoff
Beeindruckend stoisch in der Rolle des Studenten Jonas: Thomas Schubert. Der sitzt von Minute eins an auf seinem Stuhl, nippt am Wasser-Becherchen, sagt Sätze wie „Das sind Vorträge, die meinem geistigen Niveau nicht entsprechen“ und wähnt sich auf der sicheren Seite. Die Ermittler haben ja nichts gegen ihn in der Hand. Nun soll die nach nur vier Fällen in die Mordkommission berufene Bessie ihm entlocken, dass er ein gestörtes Verhältnis zu Frauen hat und in regelmäßigen Abständen mit einem Messer auf sie einsticht. Dass sie scheitert, liegt auch an ihrem neuen Chef, der sie fallen lässt („Frau Eyckhoff schwächelt“) und dafür lieber den alten Ermittler-Haudegen Josef Murnauer (mit albernem Karl-Malden-Gedächtnishut: Michael Roll) einfliegen lässt.
Der "Polizeiruf"-Regisseur kann es eigentlich
An diesem Punkt hat der immerhin von Regie-Altmeister Dominik Graf als Kammerspiel inszenierte Krimi seinen Makel: Das gestörte Binnenverhältnis darf sich nicht ausleben. Die Heldin kotzt sich im wahrsten Sinne des Wortes aus, taucht dann aber erst mal mehr oder weniger ab. Plötzlich rückt das Verhältnis Murnauer-Jonas in den Mittelpunkt, die sich aus einem früheren Verhör kennen. Und hinter der Glasscheibe zappeln die (männlichen) Kollegen samt Staatsanwältin herum wie das Fußball-Volk in der Fankurve. Wenigstens darf Bessie zurückkehren.
Dann ist Mitternacht und die Zeit läuft ab. Zwei Stunden Handlung in 90 Minuten erzählt. Hat man auch nicht jeden Sonntagabend im Ersten. Na ja.