Wieder mal ein Abschied. Fast zwangsläufig, bei der Masse an Fernsehkommissaren. Der lässigste Abgang wurde 2007 für den Münchner „Tatort“-Assistenten Carlo Menzinger ins Drehbuch geschrieben. „Jetzt schaut’s halt ned so“, sagt er seinen Chefs Batic und Leitmayr, steigt erst in einen Jaguar, dann samt üppiger Erbschaft ins Flugzeug nach Thailand, um dort ein Hotel zu eröffnen. Fast Routine ist der tödliche Abgang. Franziska in Köln, Nadeshda in Münster, zuletzt Lessing in Weimar.
Jetzt hat Schauspielerin Maria Simon nach zehn Jahren in der Rolle von Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski keine Lust mehr auf „Polizeiruf 110“. Mit dem, was sie um sich herum erlebe und reflektiere, sei bei Krimi, Mord und Totschlag für sie nicht mehr der richtige Platz, sagt Simon. André Kaczmarczyk wird sie ersetzen.
"Polizeiruf 110"-Kommissarin Olga Lenski hat ihren Job satt
Einmal also noch hinein in die menschlichen Abgründe. Autor und Regisseur Christian Bach bereitet Simon im "Polizeiruf 110" heute einen authentischen Abschied. Auch Lenski hat ihren Job im deutsch-polnischen Grenzgebiet satt. Die emotionale Wüste, das schwierige Verhältnis zu Partner Adam Raczek (Lucas Gregorowicz), vor allem: Tochter Alma, die sie viel zu sehr vernachlässigt. Mit „Monstermutter“, wie die Folge am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten heißt, ist ein Stück weit also auch sie gemeint – wobei der Titel ein bisschen arg nach theatralisch-erzwungener Alliteration klingt. „Rabenmutter“ reichte wohl nicht.
Hauptadressatin ist allerdings Louisa „Lou“ Bronski, Anfang 20, kaputtes Leben, durchdrungen von Enttäuschung, Hass und Gewalt; ein Gericht hat ihr nach einem bewaffneten Raubüberfall die Tochter entzogen. Kaum aus dem Gefängnis entlassen, sinnt sie auf Rache. Erst ersticht sie eine Behörden-mitarbeiterin, schießt dann auf einen Rechtsanwalt und nimmt schließlich Lenski als Geisel, um so ihre Tochter freizupressen.
"Polizeiruf 110" am Sonntag: "Monstermutter" ist erst Kriminalfall und dann Psychodrama
Darstellerin Luzia Oppermann geht in ihrer Rolle bis über die Schmerzgrenze hinaus. Das ist körperlich brutal, sprachlich derb, schauspielerisch aber famos. Was dazu führt, dass sie Maria Simon mit ihrer Wucht die große Bühne nimmt. Was zugleich Stärke und Schwäche des Krimis ist. Denn so bleibt die ohnehin gnadenlos introvertierte, mit sich ringende, nur minimalistische Mimik offenbarende Lenski ein menschliches Rätsel.
Stark dagegen das Wechselspiel zwischen den verzweifelten Versuchen von Raczek, die Kollegin aus den Händen der Entführerin zu befreien, und dem kammerspielgleichen Duell der verbitterten Mütter im Fluchtauto. Dort hat der Film auch seine besten Szenen, wird der Kriminalfall zum Psychodrama.
Natürlich läuft alles auf einen Showdown hinaus. Einer ohne Firlefanz. Was anderes hätte zu Lenski auch nicht gepasst.
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