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Pokern: Von illegalen Turnieren und Männlichkeit

Pokern

Von illegalen Turnieren und Männlichkeit

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    Pokern boomt auch in Deutschland. Der neue Glücksspiel-Trend bereitet Suchtexperten Sorge.
    Pokern boomt auch in Deutschland. Der neue Glücksspiel-Trend bereitet Suchtexperten Sorge. Foto: dpa

    In deutschen Städten sind in den vergangenen Jahren Spielhallen mit Automaten wie Pilze aus dem Boden geschossen. "Den eigentlichen Boom aber erlebt seit etwa zehn Jahren Poker", sagt Professor Tilman Becker, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim, im Gespräch mit unserer Zeitung.

    Prominente wie Boris Becker werben für das Pokerspiel

    Prominente wie Namensvetter Boris Becker werben dafür massiv, in TV-Kanälen wie ProSieben oder Sport1 gibt es Sendungen wie Stefan Raabs "TV Total Pokerstars.de Nacht". Fürs Pokern im Internet geben deutsche Spieler Schätzungen zufolge inzwischen rund 340 Millionen Euro pro Jahr aus, sagen Experten. Damit habe Online-Poker die Online-Sportwetten, deren Umsatz bei knapp 300 Millionen Euro im Jahr liegt, überholt. Nach Ansicht des Glücksspielforschers Becker, der in Hohenheim Donnerstag und Freitag ein internationales Symposium zum Thema "Sucht- Betrugs- und Kriminalitätspotenzial von Glücksspielen" ausrichtet, entfaltet das Pokerspiel ein "hohes Suchtpotenzial": "Bei Lotto ist es relativ gering. Bei Poker oder Automatenspielen groß."

    Eine halbe Million Deutsche leidet an Spielsucht

    Etwa eine halbe Million Menschen leiden Becker zufolge in Deutschland derzeit an Spielsucht: Tendenz zunehmend. Davon wieder loszukommen sei nicht einfach. "Das ist wie bei einem Alkoholiker." Worin liegt die Faszination dieses

    Die Männlichkeit unter Beweis stellen: Vor allem junge Männer pokern

    Besonders für junge Männer ist Pokern den Experten zufolge darum so attraktiv. "Denn es geht auch darum, seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen. Man will den anderen überlegen sein - und bei einem schlechten Blatt gilt es, keine Schwäche zu zeigen", sagt Musalek. Ein großer Gewinn sei gefährlich. Man möchte ihn wiederholen. Zwangsläufig komme es dann zu Verlusten, die man wieder ausgleichen will. An dieser Stelle müsse man aufpassen, nicht die Kontrolle zu verlieren. Wichtig ist, sein Spielverhalten genau zu beobachten, und nicht zu glauben, dass nur die anderen spielsüchtig werden können, sagt Becker. Eine Abhängigkeit ließe sich dabei an unterschiedlichen Faktoren bemessen: "Wer Pokern einfach nicht mehr sein lassen kann, Schulden anhäuft und Entzugserscheinungen beim Nicht-Spielen hat, der sollte sich auf jeden Fall in Behandlung begeben", betont der Experte.

    Ist Poker mehr Können oder mehr Glück?

    Bleibt die ewige Frage: Ist Poker mehr Können oder mehr Glück? Zu den Anhängern der ersten These gehört TV-Moderator Michael Körner: "Niemand wird verhehlen, dass Glück beim Poker hilfreich ist. Auch ein deutscher Fußballmeister hat im Laufe der Saison mal Glück." Am Ende gewinne jedoch derjenige, der die besten Entscheidungen getroffen hat. Professor Becker sagt: "Je ausgeglichener das Niveau der Spieler ist, eine umso größere Rolle spielt der Faktor Glück." Spielbanken sind in Deutschland die einzigen legalen Anbieter von Pokerspielen um Geld. Tilman Becker zufolge wächst aber vor allem der illegale Markt im Internet. Möglichkeiten, ihn zu unterbinden, habe der Staat, indem Geldströme zwischen Banken und Anbietern unterbrochen oder Internetseiten blockiert würden, so der Forscher. Ilona Füchtenschnieder-Petry, Vorsitzende des Fachverbands Glücksspielsucht, beobachtet die Entwicklung der Pokerszene mit Sorge. Zwar sei die Zahl der Süchtigen noch nicht so hoch wie bei Automatenzockern. Doch sie sagt: "Die offensive und irreführende Vermarktung des Spiels als Sport - befeuert durch Stars wie Boris Becker - ist fatal."

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