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Pistorius-Prozess: Oscar Pistorius drohen zehn Jahre Haft

Pistorius-Prozess

Oscar Pistorius drohen zehn Jahre Haft

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    Im Pistorius-Prozess rückt die Entscheidung über das Strafmaß näher.
    Im Pistorius-Prozess rückt die Entscheidung über das Strafmaß näher. Foto: Alon Skuy (dpa)

    Zehn Jahre lang soll Südafrikas Paralympics-Star Oscar Pistorius nach dem Willen der Staatsanwaltschaft im Gefängnis für die fahrlässige Tötung seiner Freundin büßen. „Zehn Jahre sind das Minimum“, sagte Chefankläger Gerrie Nel am Freitag vor dem Obersten Gericht in Pretoria. Die Gesellschaft erwarte eine harte Gefängnisstrafe. Richterin Thokozile Masipa hatte den 27-Jährigen im September bereits für schuldig befunden, am Dienstag will sie nun das Strafmaß verkünden.

    Möglich wären bis zu 15 Jahre Haft, aber auch nur ein deutlich kürzerer Hausarrest. Pistorius hatte seine 29-jährige Freundin in der Nacht zum 14. Februar 2013 durch eine geschlossene Toilettentür in seiner Villa nahe Pretoria erschossen.

    In seinem Schlussplädoyer wies der Staatsanwalt Forderungen der Verteidigung scharf zurück, Pistorius lediglich unter Hausarrest zu stellen und ihm gemeinnützige Arbeit aufzuerlegen. Die Vorstellung, dass Pistorius dann in der Luxusvilla seines Onkels wohnen und erneut als Profisportler viel Geld verdienen könnte, nannte Nel angesichts des Leids der Opfer-Familie „schockierend“.

    Oscar Pistorius und die Frage der Strafe

    Die Tötung eines Menschen sei auch dann eine schlimme Tat, wenn sie fahrlässig erfolgt, erklärte Nel. Pistorius hat beteuert, die Person hinter der Tür für einen Einbrecher gehalten zu haben. Die Richterin akzeptierte dies und wies die von Staatsanwalt Nel erhobene Anklage wegen Mordes aus Mangel an Beweisen zurück. Für Mord hätte Pistorius obligatorisch eine lebenslange Haftstrafe bekommen – in der südafrikanischen Rechtspraxis 25 Jahre. Der Staatsanwalt erklärte jetzt, wenn das Gericht den Angeklagten nicht so hart bestrafe, wie die Öffentlichkeit zu Recht erwarte, könne dies negative Rückwirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben.

    Bei der Bestimmung des Strafmaßes müsse das Leid der Familie des Opfers stärker berücksichtigt werden, als die Gefühle und die Behinderung von Pistorius. „Die Familie wird den Verlust nie verwinden.“

    Zuvor hatte Verteidiger Barry Roux dringend von einer Gefängnisstrafe für Pistorius abgeraten. Der Behindertensportler habe echte und tiefe Reue gezeigt und er leide zutiefst darunter, dass er unter tragischen Umständen versehentlich seine Freundin Reeva Steenkamp erschossen habe. Pistorius, der wieder in einem dunklen Anzug und mit einem schwarzen Trauerschlips erschienen war, brach während des Plädoyers zum wiederholten Mal in Tränen aus.

    Der Fall Pistorius - eine Chronologie

    14. Februar 2013: Steenkamps Leiche wird in Pistorius' Wohnung gefunden. Der Sportler hatte die 29-Jährige durch die geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen aus einer seiner Schusswaffen getötet. Er wird festgenommen.

    15. Februar 2013: Bei einem ersten Gerichtstermin, bei dem Pistorius Mord an seiner Freundin zur Last gelegt wird, bestreitet er den Mordvorwurf.

    19. Februar 2013: Pistorius macht geltend, er habe hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und "furchtbare Angst" gehabt.

    22. Februar 2013: Pistorius wird gegen eine Kaution von umgerechnet 75.000 Euro freigelassen.

    März 2014: Zum Prozessauftakt sagt eine Zeugin aus, sie habe in der Tatnacht "schreckliche Schreie" einer Frau und Schüsse gehört. Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts.

    April 2014: Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche.

    30. Juni 2014: Nach sechswöchiger Pause, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen muss, erklären drei Psychiater und ein Psychologe, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig war.

    11. September 2014: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlages frei.

    12. September 2014: Pistorius wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen.

    21. Oktober 2014: Das Strafmaß wird verkündet: maximal fünf Jahre Gefängnis. Pistorius muss seine Haft sofort antreten.

    10. Dezember 2014: Die Berufung wird zugelassen.

    19. Oktober 2015: Pistorius wird auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig aus der Haft in den Hausarrest entlassen.

    3. November 2015: Im Berufungsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes

    3. Dezember 2015: Pistorius wird wegen Mordes schuldig gesprochen, der Fall wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.

    3. März 2016: Das Verfassungsgericht weist eine Beschwerde des Sportlers gegen den Schuldspruch zurück.

    6. Juli 2016: Pistorius wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er tritt seine Strafe sofort an. Sowohl Anklage als auch Verteidigung können Berufung gegen das Strafmaß einlegen.

    Roux verwies auch auf das in afrikanischen Gesellschaften verwurzelte humanistische Prinzip des „Ubuntu“. Es bevorzugt Vergebung und Wiedergutmachung durch Leistungen für das Gemeinwohl gegenüber Rache und Vergeltung. Dieser Grundsatz möge für kleinere Vergehen anwendbar sein, erwiderte der Staatsanwalt. „Aber dies hier ist ein sehr schwerwiegender Fall“.

    Pistorius sei doch schon ein gebrochener Mann, erklärte Roux am vierten Tag der Strafmaß-Anhörungen. Das Gefängnis würde ihn endgültig brechen. „Er hat alles verloren“, sagte Roux. „Er hat einen Menschen verloren, den er liebte, seine Selbstachtung, die meisten seiner Freunde, all sein Geld.“

    Direkt an die Richterin gewandt, fragte der Anwalt: „Ist das ein Mensch, den sie aus der Gesellschaft entfernen müssen? Wir sagen: Nein.“ (dpa)

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