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80. Geburtstag: Pianist Alfred Brendel hat sich aufs Schreiben verlegt

80. Geburtstag

Pianist Alfred Brendel hat sich aufs Schreiben verlegt

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    Pianist Alfred Brendel feiert seinen 80. Geburtstag
    Pianist Alfred Brendel feiert seinen 80. Geburtstag Foto: dpa

    Es mangelt heutzutage nicht an Pianisten, nicht an guten, nicht einmal an sehr guten. Und doch wird man, denkt man an Alfred Brendel, das Gefühl nicht los, als sei mit seinem Abschied vom Konzertpodium vor zwei Jahren eine Ära zu Ende gegangen - ein Zeitalter des Klavierspiels, das über geheimnisvoll verlaufende Fäden noch Verbindung zu den Göttern der Pianistik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts besaß.

    Dabei war Brendel, der an diesem Mittwoch seinen 80. Geburtstag begehen kann, zu seiner aktiven Zeit als Konzertpianist alles andere als ein Tastenlöwe. Im Gegenteil umwehte ihn immer ein Hauch von Intellektualität, gewiss befördert durch das Erscheinungsbild mit Professorenbrille und Denkerstirn. Spektakulär waren Brendels Interpretationen wohl kaum, um so mehr jedoch gekennzeichnet durch künstlerische Seriosität. Den Protz am Klavier zu geben, war seine Sache nicht. Und doch war sein Spiel nie verkopft und kalt, besaß Brendel vielmehr auf eine Weise, mit der nur wenige seiner Kollegen gleichzuziehen vermochten, die Fähigkeit zu berühren und die vorgetragenen Werke als vollkommen logisch erscheinende Fügungen erklingen zu lassen.

    Im Zentrum die Wiener Klassik

    Vor allem der Wiener Klassik galt sein Augenmerk, Mozart, Haydn und immer wieder Beethoven. Es mag, oberflächlich gehört, aufregendere Einspielungen der Sonaten Beethovens geben. Brendels Beethoven-Aufnahmen jedoch, die er mehrfach vorlegte, haben bis heute nichts von ihrer bezwingenden interpretatorischen Geste eingebüßt.

    Gleiches gilt für Schubert. Die Ausgewogenheit, die Verbindung von Klarheit und Geheimnis, hat nach wie vor nur wenig Konkurrenz. Nicht zuletzt hat Brendel immer auch eine Vorliebe für Liszt gepflegt, was bei einem doch eher zurückhaltend auftretenden Pianisten wie ihm nicht unbedingt als selbstverständlich galt. Brendel aber war für Liszt ein Anwalt, der eben nicht nur die pianistische Schauseite dieser Musik hervorkehrte, sondern auch auf deren allzu oft vernachlässigte Tiefenqualitäten verwies.

    Der Traum vom dritten Finger

    Als Brendel vor zwei Jahren aus freier Entscheidung vom Konzertieren ließ, dürfte er zu den ganz wenigen Pianisten gehört haben, die für eine solche Situation noch ein paar Pfeile in der Hinterhand hielten. Bei ihm ist es das Schreiben. Schon zu seiner Zeit als reisender Konzertpianist ist Brendel, der 1931 im nordmährischen Wiesenberg geboren wurde und seit 1971 in England lebt, immer wieder mit schriftlich niedergelegten klugen Betrachtungen über Musik und ihre Interpretation hervorgetreten. Doch der Pianist schreibt auch Gedichte, und gerne solche, die sich durch einen feinsinnigen, mitunter leicht skurrilen Humor auszeichnen. In der Sammlung "Ein Finger zuviel" etwa geht es um solch einen besagten dritten Finger, den man als Pianist während des Vortrags am Klavier als Reserve für besonders heikle Passagen nutzen kann.

    Dieses zweite, literarische Leben betreibt Brendel keineswegs im stillen Kämmerlein. Seitdem er sich als Pianist vom Podium verabschiedet hat, ist er häufig und mit sichtbarer Lust auf die Bühne zurückgekehrt als Rezitator der eigenen Texte. Gerade nach Österreich und Deutschland hat es ihn, der in einem Landhaus in Dorset im Westen Englands lebt, zuletzt häufig gezogen. An eine Rückkehr in die Lande, deren musikalische Tradition ihm so viel bedeutet, denkt er jedoch nicht. Von Stefan Dosch

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