Schüler und Lehrer müssen sich nach den Herbstferien warm anziehen. Um Ansteckungen mit Corona in der Schule zu vermeiden, soll regelmäßig in relativ kurzen Abständen gelüftet werden. Bei sinkenden Temperaturen wird das zunehmend unangenehm.
Lehrervertreter und Bildungspolitiker rufen deshalb zum Anziehen nach dem "Zwiebelprinzip" auf. "Für die kalten Monate werden jetzt Pullover, Schals und Decken zur Grundausstattung der Schülerinnen und Schüler gehören", sagte die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, der "Bild"-Zeitung. Der Philologenverband vertritt die Gymnasiallehrer. Schüler und Lehrer sollten sich schichtweise anziehen. Es gelte das "Zwiebelprinzip", sagte Lin-Klitzing der Deutschen Presse-Agentur.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte, begeistert sei niemand davon, aber es werde wohl kein Weg daran vorbeiführen, wenn man alle 20 Minuten bei Minusgraden lüften müsse.
Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hatte sich vor ein paar Tagen in einem Brief an die Schüler seines Bundeslandes gewandt und sich für die Einhaltung der Corona-Regeln bedankt. Zum Thema Lüften schrieb Tonne: "Seid also bitte darauf vorbereitet, dass es zwischendurch etwas kühler wird und zieht euch warm genug an bzw. habt eine Jacke oder einen Pullover zum Überziehen dabei."
ALLE 20 MINUTEN 3 BIS 5 MINUTEN FENSTER AUF
Räume regelmäßig zu lüften, ist eine empfohlene Maßnahme im Kampf gegen die Ausbreitung von Sars-CoV-2. Es wird davon ausgegangen, dass man sich über kleinste Schwebeteilchen, sogenannte Aerosole, die sich über die Atemluft im Raum verteilen, anstecken kann. Die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) hatte im September zu dem Thema Wissenschaftler aus Virologie, Hygiene und Strömungsmechanik angehört. Diese hatten sich dafür ausgesprochen, Klassenzimmer im 20-Minuten-Takt für 3 bis 5 Minuten stoßzulüften und während der Pausen zusätzlich die Türen für Durchzug zu öffnen. Der Einsatz mobiler Luftreinigungsgeräte in Schulräumen wurde grundsätzlich nicht für nötig befunden, sofern sich in den Räumen die Fenster richtig öffnen lassen.
Im Umweltbundesamt wird eine Handreichung zum Lüften für alle Schulen im Bundesgebiet erarbeitet. Diese soll am Donnerstag pünktlich zur nächsten Konferenz der Kultusminister vorgelegt werden. Die Handreichung werde auf vier Seiten den Stand der Empfehlungen zum Thema und zum möglichen Einsatz von Luftreinigungsgeräten zusammenfassen, sagte ein Sprecher am Montag.
DAS PROBLEM MIT DEN FENSTERN
Lehrervertreter hatten in der Vergangenheit immer wieder bemängelt, dass die Sache mit dem Lüften ja gut und schön sei, aber dass sich viele Fenster in den Schulen gar nicht öffnen oder höchstens ankippen ließen. Manche sind aus Sicherheitsgründen zugenagelt oder zugeschraubt. Eine Abfrage des Schulministeriums im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen hatte ergeben, dass jede zehnte Schule wegen "baulicher Mängel" Probleme bei der notwendigen Belüftung einiger Unterrichtsräume hat.
CO2-MESSGERÄTE MIT LÜFTUNGSANZEIGE
Der Lehrerverband fordert schon länger den Einsatz von Luftfilteranlagen und CO2-Messgeräten in Schulen, die anzeigen, wenn zu viel ausgeatmetes Kohlendioxid - und damit auch Aerosole - in der Luft sind und dringend gelüftet werden muss. Bayern gehe hier voran, sagte Meidinger. Das Kultusministerium in München hatte angekündigt, 37 Millionen Euro für solche Kohlendioxid-Ampeln und für Luftfilter, dort wo Lüften über die Fenster nicht geht, bereitzustellen.
ERKÄLTUNGSGEFAHR DURCH LÜFTEN?
Klar ist, wenn alle 20 Minuten die Fenster für fünf Minuten weit aufgerissen werden, dürften bei manchem Schüler und Lehrer die Zähne klappern, und es gibt Befürchtungen, dass das sogar die Gefahr für Infekte erhöht. Die Sorge hält HNO-Arzt Bernhard Junge-Hülsing vom Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte für unberechtigt. Es gebe keine Hinweise darauf. Im Gegenteil sei es wahrscheinlicher, sich in einem schlecht gelüfteten Raum bei anderen anzustecken.
CORONA-SCHULJAHR BISHER
Insgesamt lief der Schulbetrieb bisher verhältnismäßig normal. Rückmeldungen aus den Bundesländern zum Monatsanfang hatten gezeigt, dass mehrere Zehntausend der insgesamt rund 11 Millionen Schüler in Deutschland wegen Corona-Fällen oder Verdachtsfällen vorübergehend nicht am Präsenzunterricht teilnehmen konnten. Komplette Schulschließungen gab es nur vereinzelt. Nach den Erfahrungen im Frühjahr haben die Kultusminister der Länder und auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) es zur obersten Priorität erklärt, Schulen und Kitas jetzt offenzuhalten. Allerdings hatte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor ein paar Tagen auch schon wieder die Möglichkeit eines Schichtbetriebs ins Spiel gebracht.
Meidinger sagte: "Wir sollten alles dafür tun, dass der Präsenzunterricht in vollen Klassen weiter möglich ist." Die Kultusminister seien in der Pflicht, die entsprechenden Bedingungen dafür zu schaffen.
© dpa-infocom, dpa:201012-99-910709/4 (dpa)
Umweltbundesamt zum Lüften in Corona-Zeiten