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Per "Aufschwunglok" ins "Idealland"

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Per "Aufschwunglok" ins "Idealland"

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    Per «Aufschwunglok» ins «Idealland»
    Per «Aufschwunglok» ins «Idealland» Foto: DPA

    Das Miniatur Wunderland in Hamburg, die größte Modellbahnanlage der Welt, baut gerade nach offiziellen Vorgaben aus Berlin die Wahlprogramme der Parteien nach. Auf einem Quadratmeter, im Maßstab 1:87, können CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke winzige Visionen ausleben und ihr "ideales Land" präsentieren. Am 9. September, zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl, wird die Ausstellung "Utopia" in der Speicherstadt eröffnet.

    Ein Parteiprogramm als Miniaturmodell - geht das? Am Anfang war die Skepsis bei den Modellbauern riesig. "Wir hatten große Angst, dass wir hinterher sechs gleiche Modelle bauen", erzählt Inhaber Frederik Braun. Die "Angst vor dem Einheitsbrei" nennt das sein Bruder Sebastian Drechsler: "Am liebsten hätte ja jede Partei glückliche Bürger, Wohlstand, eine saubere Umwelt, hochgebildete Junge und gut versorgte Alte." Doch der 27-Jährige war überrascht von der Vielfalt der Entwürfe. "Die Parteien lassen sich schon in ihre Seele schauen. Die trauen sich was und zeigen auch Ecken und Kanten."

    Auslöser für "Utopia" war laut Braun die niedrige Wahlbeteiligung bei der Europawahl. Also überlegten die Geschwister, ob sie "die dehnbaren Politikerfloskeln" nicht als Bilder anschaulich machen könnten. "In meinen Augen war das eine fast unlösbare und ziemlich gemeine Aufgabe", erzählt Braun. Doch die Parteien reagierten prompt und begeistert. Die CSU forderte sogar ein eigenes Stück Land, unabhängig von der CDU. "Vielleicht auch, weil CSU-Chef Horst Seehofer als passionierter Modellbahner gilt." Der Aufwand für das Projekt ist enorm, etwa 3000 Arbeitsstunden veranschlagt Braun für alle sechs Modelle. "20 bis 30 Köpfe investieren hier viel Zeit."

    Und wie sehen sie aus, die "Traumländer" der Parteien? Die FDP - ihr Modell ist am weitesten - schickt eine "Aufschwunglok" an einem "Paragrafenwald" und einer "Oase der Freiheit" vorbei, die Fenster des verwahrlosten Arbeitsamts sind mit Brettern vernagelt. Ein "Museum für erfolglose Politik der Vergangenheit" und eine "Mehr- Netto-Allee" sollen entstehen. Das liberale Lieblingswort, die "Deregulierung", wird mit einer Liegewiese auf einem Hausdach anschaulich. Keine unnötigen Verbote, soll das heißen.

    Im Idealland der Grünen dürfen klitzekleine Sonnenblumen und eine Windenergieanlage nicht fehlen. Eine Frau aus der Führungsetage eines mittelständischen Unternehmens hält eine Präsentation, und auf dem Marktplatz schlendern zwei Männer mit ihrem Kinderwagen: Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft ist im Alltag angekommen. Und wenn Banker von Glaspalästen aus auf eine Großdemonstration mit Fahnen jeglicher Couleur - ob Gewerkschafts- oder Friedensfahnen - schauen, ist man im Land der Linken angekommen. In dem Protest seien "alle Minderheiten und Wütenden vereint", erklärt Drechsler.

    Die SPD setzt mit einer Backsteinbrücke für Drechsler auf die "sozialromantische Idee": "Es gibt keine Reichen- und Armenviertel mehr." Ein Hausboot steht für vielfältige Lebensformen, Autos sind nirgends zu sehen, auf Südbalkonen eines roten Studentenwohnheims mit begrüntem Dach wird gelernt. Und wird die Quadriga vom Brandenburger Tor - mit blau-weiß angemalten Säulen - abmontiert und von der Bavaria ersetzt, heißt das mit aller Macht: "Berlin braucht mehr Bayern". Findet zumindest die CSU in ihrem Traumland. Dort rückt ein Trachtenumzug das Brauchtum in den Mittelpunkt, und "Laptop und Lederhose" sind zu sehen. "Hier eint die Bierbank", betont Drechsler.

    Nur die CDU hat den Wunderland-Machern nicht erlaubt, ihr Konzept vorab zu veröffentlichen. Bisher steht fest: Es soll ein Rausch in schwarz-rot-gold werden. Mit 10 000 bis 15 000 kleinen Figuren in den Deutschland-Farben will die Partei zeigen, dass sie die Menschen eine, in der Mitte soll mit großen weißen Lettern "Wir" stehen. Auf viel Begeisterung stößt das Konzept im Wunderland nicht - "Thema verfehlt", heißt es knapp. Aber Änderungen sind ja noch möglich.

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