Mitten in der Fastenzeit durchlebt die gesamte katholische Weltkirche in diesem Jahr eine Entbehrung der besonderen Art. Ab Donnerstagabend steht sie ohne Oberhaupt da, weil ihr eigentlich auf Lebenszeit gewählter Papst Benedikt XVI. zurücktritt. In dieser Zeit der sogenannten Sedisvakanz, also der Zeit ohne Papst, gelten im Vatikan und darüber hinaus besondere Regeln.
Personalausdünnung
Mit dem Beginn der Sedisvakanz scheiden fast alle Leiter der vatikanischen Behörden aus ihren Ämtern, auch Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der zweite Mann im Kirchenstaat nach dem Papst. Im Amt bleibt etwa der Camerlengo, der über die Finanzen der Kirche wacht - derzeit ebenfalls der Italiener Bertone. Auch sein Stellvertreter, viele hohe Verwaltungs- und Justizvertreter sowie die Kirchendiplomaten in aller Welt behalten ihre Posten.
Interimsleitung
Stichwort Sedisvakanz
Mit dem Ende des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. beginnt am 28. Februar um 20 Uhr die Zeit der Sedisvakanz.
Das ist die Zeit, in der das Amt des Papstes nicht besetzt ist - normalerweise vom Tod des Kirchenoberhaupts bis zur Wahl seines Nachfolgers.
Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und heißt wörtlich übersetzt «leerer Stuhl». Nach kirchlichem Verständnis sitzt der Papst auf dem Stuhle Petri.
Der Glaubenslehre zufolge ist der Papst der Nachfolger des Apostels Petrus, den Jesus von Nazareth nach dem Matthäus-Evangelium als ersten Kirchenführer eingesetzt hatte.
Während der Sedisvakanz leitet das Kardinalskollegium die Kirche. Seine Befugnisse sind aber auf Aufgaben und Entscheidungen beschränkt, die nicht aufgeschoben werden können.
Von Päpsten erlassene Gesetze dürfen in dieser Zeit nicht korrigiert oder abgeändert werden. Die zwischenzeitliche Verwaltung der Kirche übernimmt der Kardinalkämmerer (Camerlengo) mit drei Kardinal-Assistenten.
Das Kardinalskollegium bereitet vor allem die Wahl des neuen Papstes vor. Während der Sedisvakanz werden spezielle Münzen und Medaillen geprägt.
Offiziell wird die Kirche während der Sedisvakanz vom Kardinalskollegium, also letztlich allen 208 derzeit lebenden Kardinälen, geleitet. Viel zu sagen haben sie allerdings nicht. Lediglich allgemeine Aufgaben und Entscheidungen, die keinen Aufschub dulden, dürfen sie anpacken. Von Päpsten erlassene Gesetze dürfen nicht korrigiert oder abgeändert werden. Dies gilt auch für das Regularium zur Papstwahl, die das Kardinalskollegium vorzubereiten hat.
Gläubige sollen für segensreiche Wahl beten
Kongregationen
Den Kern der Kirchenleitung in der Übergangszeit bildet eine sogenannte Sonderkongregation aus dem Camerlengo und drei weiteren Kardinälen, die per Los bestimmt werden und alle drei Tage wechseln. Sie setzt auch fest, wann erstmals das gesamte Kardinalskollegium zur Generalkongregation zusammentritt, um die Papstwahl vorzubereiten. Die Generalkongregation tagt täglich im Apostolischen Palast und wird von Kardinaldekan Angelo Sodano geleitet.
Geheimhaltungseid
Alle Kardinäle, die an der Generalkongregation teilnehmen, müssen mit einem Eid auf das Evangelium schwören, die geltenden Vorschriften zu achten und Geheimhaltung zu üben. Dies gilt auch für Teilnehmer, die älter sind als 80 Jahre und deswegen nicht mehr an der Wahl des neuen Papsts teilnehmen dürfen. Die Kardinäle schwören unter anderem, dass sie "alles streng geheim halten werden, was sich in irgendeiner Weise auf die Wahl des Papsts bezieht".
Gebetsermahnung
Auch einfachen Katholiken in aller Welt kommt während der Sedisvakanz eine Aufgabe zu. Sie sind angehalten, für eine rasche, einmütige und segensreiche Wahl des neuen Papsts zu beten. Der Vatikan geht davon aus, dass dies auf den März beschränkt sein wird. Bis spätestens zum 20. März, aller Voraussicht nach aber wesentlich früher, soll das Konklave aus nach jüngstem Stand 115 Kardinälen unter 80 Jahren zur Papstwahl zusammentreten. Bis Ostern soll der neue Papst feststehen.
Ende der Amtszeit am Albaner See
Drei Stunden vor dem offiziellen Ende seiner Amtszeit will Papst Benedikt XVI. am Donnerstagnachmittag zu einem Ort aufbrechen, der ihm im Lauf der Jahre besonders ans Herz gewachsen ist: die päpstliche Sommerresidenz Castel Gandolfo am Albaner See in der südöstlichen Umgebung der italienischen Hauptstadt.
Die Residenz, die damit elf Hektar größer als der Vatikan selbst ist, gehört nicht zu Italien, sondern ist exterritoriales Gebiet, vergleichbar mit einer Botschaft. Die zentralen Bauten des Komplexes stammen aus dem 17. Jahrhundert. Im Besitz des Vatikans ist die Anlage seit dem Jahr 1929, als Italien sie dem Kirchenstaat im sogenannten Lateranvertrag zuerkannte.
Nach zwei Monaten soll das das ehemalige Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan, wohin Benedikt XVI. sich zurückziehen will, fertig renoviert und für seinen Bezug bereit sein. AFP, AZ