Das Satiremagazin "Titanic" hatte unter dem Titel "Halleluja im Vatikan - Die undichte Stelle ist gefunden!" den Papst von vorn und hinten gezeigt - einmal mit gelbem, einmal mit braunem Fleck auf der Soutane. Dagegen ging Benedikt XVI. am Dienstag rechtlich vor - wegen eines Verstoßes gegen das Persönlichkeitsrecht. Über eine Anwaltskanzlei erwirkte er vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen das Magazin. "Titanic" darf sein aktuelles Heft nun nicht mehr verkaufen.
Wie der Fall rechtlich einzuordnen ist, was er für Folgen hat - und warum er das Vorgehen des Heiligen Vaters nicht für sonderlich klug hält, darüber sprachen wir mit Udo Vetter. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt betreibt die Seite lawblog.de, das bekannteste Rechts-Blog Deutschlands.
Frage: Herr Vetter, wir sind ein bisschen in Sorge. Darf man noch Witze über den Papst machen?
Udo Vetter: Selbstverständlich sind Witze über den Papst nach wie vor zulässig. Im Fall der "Titanic" ist das Landgericht Hamburg aber offenbar davon ausgegangen, dass die Grenzen der Satirefreiheit überschritten wurden.
Kunst ist in Deutschland schrankenlos
Frage: Das sehen Sie anders?
Udo Vetter: Im Gegensatz zur Meinungsfreiheit, die in den allgemeinen Gesetzen ihre Grenzen findet, ist die Kunst in Deutschland schrankenlos. Das besagt das Grundgesetz. Und Satire ist nun einmal eine Form der Kunst. Man benötigt also eine viel höhere Rechtsverletzung, um gegen Kunst oder Satire vorzugehen.
Frage: Beim Papst-Titelbild scheint das der Fall gewesen zu sein, oder? Immerhin hat das Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen die "Titanic" erlassen.
Udo Vetter: Das Landgericht Hamburg ist für seine meinungs- und kunstfreiheitsfeindliche Rechtsprechung bekannt. Deshalb ziehen ja auch Kläger aus der ganzen Welt ausgerechnet nach Hamburg, wenn sie Derartiges durchsetzen wollen. Schuld daran ist auch der sogenannte Fliegende Gerichtsstand. Der macht es jedermann möglich, vor ein Gericht seiner Wahl zu ziehen, wenn er gegen eine Veröffentlichung rechtlich vorgehen will. So wie jetzt eben der Papst.
Frage: Die Titanic-Redaktion will sich gegen die einstweilige Verfügung wehren. Hat sie Chancen?
Udo Vetter: Durchaus. Ich gehe davon aus, dass die Verfassungsrichter ihren Hamburger Kollegen ins Stammbuch schreiben werden, dass wir hier nicht über Meinungsfreiheit, sondern über Kunstfreiheit sprechen.
Udo Vetter: "Vati-Leaks" könnte auch "undichter Vater" heißen
Frage: Und deren Grenzen überschreitet man nicht einmal, wenn man einem Papst Inkontinenz unterstellt?
Udo Vetter: Kunst hat auch die Aufgabe zu provozieren. Und in der ganzen Diskussion wird meiner Meinung nach viel zu wenig beachtet, dass die Titanic hier nichts anderes als einen pubertären Wortwitz gemacht hat. Vati-Leaks kann man nun einmal auch mit "undichter Vater" übersetzen. Da fragt man sich schon, warum sich der Papst offensichtlich persönlich getroffen fühlt.
Frage: Jedenfalls wehrt er sich dagegen - erfolgreich.
Udo Vetter: Das wird für den Papst ein Pyrrhus-Sieg bleiben. Den Titanic-Titel allein hätte doch niemand groß beachtet. Durch den Rechtsstreit, der uns die kommenden Jahre beschäftigen wird, wird das Thema wieder und wieder in der Öffentllichkeit sein. Das ist der klassische Streisand-Effekt. Nein, da war der Papst wirklich schlecht beraten.