Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Papst-Rücktritt: Wer folgt auf Benedikt XVI.?

Papst-Rücktritt

Wer folgt auf Benedikt XVI.?

    • |
    In rund zwei Wochen wird Benedikt XVI. zurücktreten. Jetzt wird spekuliert: Was kommt danach?
    In rund zwei Wochen wird Benedikt XVI. zurücktreten. Jetzt wird spekuliert: Was kommt danach? Foto: dpa

    "Papstschock". Die Schlagzeile aus der Tageszeitung Il Messaggero hängt an diesem Dienstag überall. Sie bildet einen krassen Gegensatz zur öffentlichen Stimmung in Rom. Denn auch die Ewige Stadt kennt den Fasching. Und der erinnert so gar nicht an einen „Schock“. Der sogenannte „fette Dienstag“, einer der Hauptfeiertage für Narren, wird mit Reiterumzügen gefeiert.

    Viele Kinder sind historisch kostümiert, als Damen im Reifrock oder als Cavaliere. Ganze Straßen sind mit Konfetti und Luftschlangen übersät. Nur vor den hohen Mauern des Vatikans, da hört in diesem Spaß der Spaß auf.

    Gerüchte machen nun die Runde

    Hinter den Mauern ist der „Papstschock“ spürbar. Und er sitzt tief, einen Tag, nachdem Benedikt XVI. überraschend seinen Rücktritt für den 28. Februar angekündigt hat. Am Montag noch war Feiertag im Vatikan und die meisten Büros blieben geschlossen. Nun aber wird diskutiert und debattiert. Man tuschelt und flüstert sich gegenseitig Dinge ins Ohr.

    So will die Tageszeitung La Stampa erfahren haben, dass Kardinaldekan Angelo Sodano den Papst nach dessen Rücktrittsankündigung in die Arme geschlossen hat. Benedikt sei daraufhin in seine Privatgemächer zurückgekehrt und in Tränen ausgebrochen.

    Die große Frage ist: Wer wird Nachfolger?

    Natürlich geht es jetzt um diese eine Frage: Wer wird Benedikts Nachfolger? Sie dürfte wohl alle beschäftigen: Kurienkardinäle und Erzbischöfe, Bischöfe und Prälaten, Sekretärinnen und Büroboten. Obwohl offiziell – wie Vatikansprecher Federico Lombardi in einer Pressekonferenz deutlich macht – so getan wird, als drehe sich die Vatikan-Welt ausschließlich um den ja noch amtierenden deutschen Papst und seine Termine, die er wahrzunehmen gedenkt, bis er am 28. Februar um 20 Uhr sein Appartement verlässt und vorläufig auf den Sommersitz nach Castel Gandolfo umzieht.

    In Wirklichkeit steht die Nachfolgefrage intern wohl längst im Mittelpunkt. Schließlich will jetzt jeder gerne wissen, wer sein neuer Chef wird. Was von alldem nach draußen sickert, lässt kein klares Meinungsbild zu. „Wer heutzutage wirklich danach strebt, Papst zu werden, das Oberhaupt von über einer Milliarde Katholiken, muss ein Irrer sein“, sagt jemand, der tagtäglich in die Organisation des umfangreichen Papstprogrammes eingebunden ist.

    Scheidender Papst hinterlässt unerledigte Dinge

    Das sei ein Kreuz von Anfang an mit all den Herausforderungen, Problemen und der massiven Kritik von allen möglichen Seiten, mit denen heutzutage ein Pontifex konfrontiert werde. Und dann gebe es ja auch eine Reihe von Dingen, die Benedikt XVI. unerledigt zurücklasse – nicht nur religiöse.

    Papst Benedikt: Stationen seines Lebens

    Joseph Aloisius Ratzinger wird am 16. April (Karsamstag) des Jahres 1927 in Markl (Oberbayern) geboren.

    Ratzinger wächst mit seinen beiden Geschwistern Georg und Maria in einem religiös geprägten Elternhaus auf.

    Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wird Joseph Ratzinger 1945 als Flakhelfer eingezogen.

    Ratzinger studiert von 1946 bis 1951 Philosophie und Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising und an der Universität München.

    1951 wird Joseph Ratzinger im Freisinger Mariendom zum Priester geweiht. Als Priester leitete er 30 Jahre die Regensburger Domspatzen.

    Ratzinger habilitiert 1957 in München über "Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura". Ab 1959 ist er Professor in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg.

    1977 beruft Papst Paul VI. Ratzinger zum Erzbischof von München und Freising. Er wählt als bischöfliches Motto "Mitarbeiter der Wahrheit".

    Papst Johannes Paul II. betraut ihn 1981 mit der Leitung der Römischen Glaubenskongregation, durch die er sich den Ruf eines Hardliners erwirbt.

    Nach dem Tod des Papstes Johannes Paul II zelebriert Ratzinger 2005 die Totenmesse für den Verstorbenen und leitet das Konklave zur Wahl eines neuen Papstes.

    Ratzinger wird nach nur 26 Stunden im vierten Wahlgang zum 265. Papst gewählt. Er trägt fortan den Namen Benedikt XVI.

    2013 tritt er nach acht Jahren im Amt freiwillig von seinem Pontifikat zurück - ein bisher einmaliger Vorgang. Benedikt wohnt fortan zurückgezogen in einem Kloster im Vatikan.

    2020 besucht Ratzinger seinen schwer erkrankten Bruder in Regensburg. Dieser stirbt kurz darauf.

    Der Vatileaks-Skandal etwa sei mit der Verurteilung des geständigen Kammerdieners Paolo Gabriele nur zum Teil aufgedeckt – und um manch anonymem Mitschuldigen hänge der Mantel des Schweigens. Auch das Problem rund um die Vatikanbank IOR, deren vom Papst ernannter Chef entlassen wurde, schreie geradezu nach jener Aufklärung, die Benedikt beabsichtigt, aber bisher nicht erreicht habe, heißt es.

    Welche Richtung schlägt der Papstnachfolger ein?

    Und dann gibt es die Fragen, die immer gestellt werden, wenn der Papststuhl neu besetzt wird. Müsste nicht jetzt ein Afrikaner oder ein Lateinamerikaner ran, dort, wo die Kirche viel stärker ist und es nicht kriselt wie in Europa? Müsste man nicht endlich den Progressiven in der Kirche entgegenkommen und einen jüngeren Papst wählen, der Verständnis hat für Forderungen wie eine Lockerung des Zölibats oder die Zulassung von Frauen zum Priesteramt?

    Stichwort Sedisvakanz

    Mit dem Ende des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. beginnt am 28. Februar um 20 Uhr die Zeit der Sedisvakanz.

    Das ist die Zeit, in der das Amt des Papstes nicht besetzt ist - normalerweise vom Tod des Kirchenoberhaupts bis zur Wahl seines Nachfolgers.

    Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und heißt wörtlich übersetzt «leerer Stuhl». Nach kirchlichem Verständnis sitzt der Papst auf dem Stuhle Petri.

    Der Glaubenslehre zufolge ist der Papst der Nachfolger des Apostels Petrus, den Jesus von Nazareth nach dem Matthäus-Evangelium als ersten Kirchenführer eingesetzt hatte.

    Während der Sedisvakanz leitet das Kardinalskollegium die Kirche. Seine Befugnisse sind aber auf Aufgaben und Entscheidungen beschränkt, die nicht aufgeschoben werden können.

    Von Päpsten erlassene Gesetze dürfen in dieser Zeit nicht korrigiert oder abgeändert werden. Die zwischenzeitliche Verwaltung der Kirche übernimmt der Kardinalkämmerer (Camerlengo) mit drei Kardinal-Assistenten.

    Das Kardinalskollegium bereitet vor allem die Wahl des neuen Papstes vor. Während der Sedisvakanz werden spezielle Münzen und Medaillen geprägt.

    Nur: Daran glauben die wenigsten. „Die Ratzingerianer werden im Konklave die Oberhand haben“, sagen italienische Medien voraus – unter Berufung auf ihre Kontakte im Vatikan.

    Mehrheit im Konklave ist aus Europa

    Niemand spricht darüber, wie die in Rom derzeit anwesenden Kardinäle hinter verschlossenen Türen die Lage sondieren, inwiefern sie schon dabei sind, mit ihren Mitbrüdern in aller Welt über das Profil des künftigen Papstes zu reden oder gar Namen austauschen – über Twitter vielleicht oder Facebook.

    Fest steht nur eines: Die Mehrzahl der Konklave-Teilnehmer sind Europäer. Entsprechend werden sie dort viel zu sagen haben.

    „Papstschock“. Den gibt es auch deshalb, weil Benedikt XVI. seinen Kardinälen eine zusätzliche dicke Nuss zu knacken gegeben hat. Weil er nämlich mit seinem Rücktritt einen Präzedenzfall schafft. „Er hat eine Bresche geschlagen, die seine Nachfolger nutzen können“, sagt der deutsche Kirchenrechtsexperte Prälat Markus Graulich.

    Ab sofort kann jeder künftige Pontifex vorzeitig zurücktreten, ist also ein potenzieller Papst auf Zeit.

    Junger Papst mit Option auf Rücktritt?

    Das könnte die Kardinäle dazu ermutigen, jüngere Purpurträger in Erwägung zu ziehen, die dann nicht so lange amtieren würden wie der 1978 als 58-jähriger Kardinal Karol Wojtyla gewählte Johannes Paul II. 27 Jahre lang folgte die Kirche seinem Kurs. Das war auch ein Grund dafür, mit Kardinal Ratzinger 2005 einen wesentlich älteren Petrus-Nachfolger zu küren. Ob die Kardinäle nun solche Strategien entwickeln werden? Im und rund um den Vatikan ist das jedenfalls ein Thema.

    Von Marktl nach München: Papstorte in Bayern

    In Marktl am Inn ist er geboren, in Freising machte er seine ersten wissenschaftlichen Schritte, in München-Freising war er Erzbischof: Papst Benedikt XVI. ist fest verwurzelt in seiner bayerischen Heimat.

    Marktl: In der Stadt am Inn ist Joseph Ratzinger am 16. April 1927 als Sohn des Gendarmeriemeisters Joseph und seiner Frau Maria geboren worden. Nach seiner Wahl zum Papst kommt großer Rummel in Marktl auf, von der Papst-Torte bis zum Papst-Bier sind dort viele Souvenirs zu kaufen. Bei seinem Bayern-Besuch 2006 stattet Benedikt XVI. seiner Taufkirche St. Oswald einen Besuch ab.

    Traunstein: Hier besucht er das Studienseminar St. Michael. Die Familie hat im nahen Hufnagel ein Haus bezogen. Später wird Ratzinger Traunstein als seine Heimatstadt bezeichnen, da die Eltern zuvor oft umgezogen sind. Im Zweiten Weltkrieg wird Ratzinger als Flakhelfer eingezogen und gerät kurzzeitig in US-Gefangenschaft, bleibt aber unverletzt. Nach dem Krieg legt er in Traunstein sein Abitur ab.

    Freising: In der geschichtsträchtigen Domstadt beginnt Ratzinger 1946 ein Theologiestudium. Sein Ziel ist es, Priester zu werden. Schon als Student gilt er als außergewöhnlich begabt. 1951 wird er zusammen mit seinem Bruder Georg zum Priester geweiht. In seiner Promotion geht es um den Kirchenlehrer Augustinus. An der philosophisch-theologischen Hochschule Freising lehrt er von 1957 an Dogmatik, ehe er an die Uni Bonn wechselt.

    Regensburg: 1969 erhält Ratzinger einen Ruf nach Regensburg. An der jungen Universität lehrt er Dogmatik und Dogmengeschichte. Im Vorort Pentling hat lässt er sich ein Haus bauen. Seine Eltern und seine Schwester Maria sind auf dem Pentlinger Friedhof begraben. Sein Bruder Georg, einst Leiter der Regensburger Domspatzen, lebt in Regensburg.

    München: Joseph Ratzinger verbringt einen Teil seines Theologiestudiums in München, später arbeitet er als Kaplan in zwei Pfarreien der Landeshauptstadt. 1977 muss der mittlerweile renommierte Professor den Hörsaal verlassen und auf einem Bischofsstuhl Platz nehmen: Er wird zum Erzbischof von München-Freising ernannt. Fünf Jahre später folgt der Ruf nach Rom, Kardinal Ratzinger wird Präfekt der Glaubenskongregation.

    Der Kölner Erzbischof Joachim Meisner, 79, findet, „nicht älter als 70“ solle der neue Papst sein. Sein Berliner Kollege Rainer Maria Woelki, 56, scheint da eher unschlüssig zu sein: „Mitte 60, Anfang 70 oder Ende 60“, sagt er.

    Jeder hält seinen Landsmann für den geeignetsten Papst

    Logisch, dass auch schon viele Namen kursieren, sehr viele. Vor allem wird die nationale Karte gespielt. Die Italiener möchten nach zwei ausländischen Päpsten wieder einen Landsmann. Der Mailänder Kardinal Angelo Scola, 71, sei auch der Favorit von Papst Benedikt, will so mancher wissen. Die Franzosen sähen gern den an der römischen Kurie tätigen Kardinal Jean Luis Tauran, 70. Von den fernen Philippinen verlautet, jetzt sei einer der ihren dran. Luis Antonio Tagle etwa.

    Der 55-jährige Erzbischof von Manila, seit dem vergangenen Jahr im Kardinalsstand, wird von Beobachtern als Hoffnungsträger in der katholischen Kirche gesehen. Er gilt als dynamisch und charismatisch, bei den Gläubigen in seiner Heimat, aber auch in der römischen Kirchenzentrale. Ob er Chancen hat, ist allerdings fraglich.

    Es wird viel gebetet und wenig geredet

    Pedro Odilo Scherer, 64, aus Brasilien und Oscar Rodriguez Maradiaga, 74, aus Honduras sowie zwei Nordamerikaner und zwei Afrikaner werden ebenfalls genannt. Einen deutschen Papst wird es jetzt lange Zeit nicht mehr geben, heißt es zwar. Doch ein Deutschsprachiger hätte durchaus Chancen – der Wiener Kardinal und Ratzinger-Schüler Christoph Schönborn, 68.

    In der kommenden Woche, wenn die Fastenzeit schon begonnen hat, sind zunächst geistliche Exerzitien im apostolischen Palazzo angesagt. Dort wird viel gebetet und wenig geredet. Die Kardinäle kommen täglich in einer prachtvollen Kapelle zusammen, um sich tiefsinnige Predigten anzuhören.

    Gemeinsam mit Papst Benedikt, der dann darüber hinaus keine Termine haben wird und selbst die Generalaudienz ausfallen lässt. Seine nächste und letzte wird am 27. Februar sein. Einen Tag vor dem Rücktritt.

    Icon Galerie
    18 Bilder
    Benedikt XVI. ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Von 2005 wird er der zum Papst ernannt und Deutschland jubelt. 2013 tritt er zurück. Das gab es zuvor erst einmal.
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden