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Pandemie: Die Stadt, die niemals schläft? Wie das Virus New York verändert

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Die Stadt, die niemals schläft? Wie das Virus New York verändert

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    Der Alltag ist seit Wochen geprägt vom Corona-Ausnahmezustand.
    Der Alltag ist seit Wochen geprägt vom Corona-Ausnahmezustand. Foto: dpa

    Es ist ein strahlend klarer Frühsommer-Nachmittag in New York. An der Kreuzung von Park Avenue und Broadway spielt ein Jazz-Trio. Menschen bleiben stehen, hören zu, plaudern. Gleich in der Nähe machen Jugendliche mit ihren BMX-Rädern und Skateboards Kunststücke. Auch eine Handvoll Polizisten sind an diesem Tag hier, die Hemden aufgeknöpft, die Mützen in der Hand. New York, die früher so pulsierende US-Metropole, erinnert derzeit stellenweise an eine mexikanische Kleinstadt während der Siesta.

    Vor drei Monaten noch hätte zur Rushhour niemand an der Kreuzung von Park Avenue und Broadway angehalten. Der nahe U-Bahn-Schacht, in dem alle Hauptlinien des Netzes zusammenlaufen, hätte im Minutentakt Menschenmassen ausgespuckt. Fahrradkuriere hätten sich zwischen hupenden Taxis hindurch gewunden. Nichts dergleichen. Der Lärm der Stadt, der Verkehrslärm, der vor Corona noch allgegenwärtig war, fehlt. New York ist seine Hektik abhandengekommen.

    Seit kurzem sind Bekleidungs-, Elektronik- und Sportzubehör-Geschäfte wieder geöffnet. Einkaufsmeilen wie die Fifth Avenue oder das Boutiquenkarree SoHo wirken trotzdem wie ausgestorben. Wer etwas braucht, bestellt online und holt die Ware am Bordstein ab.

    Die Kulturszene in New York wird unter Corona leiden

    Alleine in den Parks ist mehr los. Selten war es so voll in den 113 Quadratkilometern Grün New Yorks. Im Riverside Park zum Beispiel ist oft kein Durchkommen mehr. Zusammengekommen ist die Stadtgesellschaft zuletzt auch bei den Protestveranstaltungen der vergangenen Wochen. Etwa die gegen Rassismus und Polizeigewalt. Zu beobachten waren dabei Momente, an denen sich die angestaute Energie der Stadt zu entladen schien. Doch das Alltagsleben ist nach wie vor immer geprägt vom coronabedingten Ausnahmezustand: Der Times Square ist verbarrikadiert. Wer in ein Büro oder in ein Geschäft am Broadway zwischen der 42. und der 50. Straße will, muss einen Ausweis vorzeigen. In der U-Bahn herrscht eine beklemmende Stimmung. Ob sich das schnell ändern wird? Zumindest soll die Rückkehr in die Normalität bis August in vier Phasen voranschreiten.

    „Es wird von allem weniger geben“, sagt der österreichische Direktor des Metropolitan Museum of Art, Max Hollein. „Weniger Besucher. Weniger Ausstellungen. Weniger Events.“ Der Galerist Alexander Grey glaubt, dass die New Yorker Kunstszene lokaler, vielleicht sogar provinzieller wird. „Wir müssen uns auf New Yorker Künstler und auf New Yorker Sammler konzentrieren.“

    Viele finden: New York ist jetzt besser als vor der Pandemie

    Dass es von allem weniger geben wird im New York nach der Krise, das findet allerdings nicht jeder schlimm. Manche meinen gar, dass New York jetzt schon besser sei als vor der Pandemie. „Ich fühle mich in der Stadt so wohl wie seit vielen Jahre nicht mehr“, sagt etwa der Schriftsteller und Psychotherapeut Jeremiah Moss.

    Moss ist seit Jahren ein scharfer Kritiker des Luxus-New-York mit seiner extremen sozialen Ungleichheit und dem ewig schrumpfenden Freiraum für Kreativität. Er findet, dass New York in den vergangenen Wochen menschlicher geworden sei. Wohltuend ruhiger auch, weil die Touristen fehlen und die Super-Reichen regelrecht aus der Stadt flohen. Unter denen, die in der Metropole ausharren mussten, herrsche eine Solidarität, wie es sie lange nicht gegeben habe. So genießt Moss das Flanieren in einer Stadt, von der es einst hieß, sie schlafe nie. Und in der nun irgendwie die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.

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