Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Panama Papers: Steueroasen haben dramatische Folgen für die Demokratie

Panama Papers

Steueroasen haben dramatische Folgen für die Demokratie

    • |
    Die "Panama Papers" sollen belegen, dass Politiker, Stars und Kriminelle über Jahrzehnte eine panamaische Anwaltskanzlei genutzt haben, um Konten und Wertgegenstände zu verstecken.
    Die "Panama Papers" sollen belegen, dass Politiker, Stars und Kriminelle über Jahrzehnte eine panamaische Anwaltskanzlei genutzt haben, um Konten und Wertgegenstände zu verstecken. Foto: Oliver Berg/Symbolbild (dpa)

    Auf der anderen Seite türmen sich allein im aktuellen Fall der „Panama Papers“ rund 11,5 Millionen Dokumenten über die zwielichtigen Geschäfte mit Briefkastenfirmen – aus bloß einer von sehr vielen Kanzleien aus bloß einer von sehr vielen Steueroasen. Wenn es also auch nichts Offizielles zum Gesamtumfang gibt, lassen minimale Tiefenbohrungen wie die jetzige doch erahnen, wie riesig das düstere Labyrinth der globalen Geldströme tatsächlich ist. Und damit auch: wie mächtig.

    Der britische Journalist Nicholas Shaxon hat diese Untiefen in jahrelanger weltweiter Recherche ausgelotet. Die bestürzenden Ergebnisse hat er 2011 in dem Buch „Schatzinseln – Wie Steueroasen die Demokratie untergraben“ (Rotpunktverlag, 416 S., 24,50 ¤) veröffentlicht. Tief Luft holen, hier ist sein Befund:

    „Steueroasen sind keine exotischen und finsteren Nebenschauplätze der Weltwirtschaft, sie liegen vielmehr mitten im Zentrum. Die Hälfte des Welthandels durchfließt eine der Steueroasen; über die Hälfte der Bankvermögen sowie ein Drittel der ausländischen Direktinvestitionen multinationaler Konzerne werden ins Offshore-System geleitet; rund 85 Prozent der internationalen Bankgeschäfte und Anleiheemissionen finden in einer staatenlosen Offshore-Zone namens Euromarkt statt; und die Bilanzen der kleinen Inseln-Finanzzentren belaufen sich auf eine Summe von bis zu 18 Billionen Dollar, was etwa einem Drittel des weltweiten Bruttoinlandprodukts entspricht.

    Panama Papers: Größte Nutznießer sind Banken und ihre Großkunden

    Die größten Nutznießer dieses Systems sind nicht Terroristen, Schwarzmarkthändler, Prominente und Mafiosi – sondern Banken und ihre Großkunden sowie multinationale Konzerne. Bei Steueroasen geht es nicht nur um Steuern. Es geht um Flucht vor dem Gesetz, Flucht vor Kreditoren, Flucht vor ordentlichen Finanzmarktregulierungen – und vor allem Flucht vor demokratischer Kontrolle und Verantwortung. Schmutziges Geld, Offshore-Banking und Steueroasen gehören zu den dunkelsten Kapiteln in der Geschichte der Weltwirtschaft, sie sind entscheidend bei jedem bedeutsamen wirtschaftlichen Ereignis und jedem großen Finanzskandal.“

    Das alles untermauert Shaxon mit einer Vielzahl an zusammengetragenen Indizien nicht nur aus Panama, von den Cayman Inseln, Englands Kanalinseln, den Bahamas, Liechtenstein, Singapur … – aus den üblicherweise genannten Steueroasen also. Er zeigt auch, wie der Wettkampf der Vergünstigungen bis in die US-Provinz für Schupflochanbieter sorgt und warum die größten aller Schatzinseln im Herzen der Finanzwirtschaft liegen: die New Yorker Halbinsel Manhattan, die City of London, die Pariser Île de la Cité. Hier, anknüpfend an die aus der Kolonialzeit bewahrten Einflüsse, liegen die Hauptknotenpunkte dieses Untergrundnetzes. Und ob nun durch Verstecken privater Reichtümer oder durch bilanzfälschende Querverrechnungen in aufgesplitteten Konzernen – in diesem Netz wird den Staaten das Kapital entzogen, das sie zur Finanzierung der nationalen Solidarsysteme benötigen.

    Diese Flucht der Eliten hatte der Kalte Krieger Ronald Reagan im Gegeneinander der Systeme noch offen befürwortet, weil durch die „mobilen Mittel“ der Wohlstand verbreitet würde – also eigentlich das Kapital alle anderen Versuche der gesellschaftlichen Ordnung unterspült. Das aber unterspült mittlerweile auch das demokratische Fundament in den reichen Ländern, und es verhindert sogar die Ausbreitung des Wohlstands durch immer weiter zunehmende Konzentration des Kapitals.

    Shaxon rechnet anhand von Untersuchungen der Organisation Global Tax Integrity vor, wie allein im Jahr 2008 aus Entwicklungsländern 1,2 Billionen Dollar in Steueroasen transferiert wurden; und wie diese Zahl jährlich um 18 Prozent steigt; und dass im Vergleich insgesamt 100 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe pro Jahr in diese Länder fließen – ein geheime, fortwährende Plünderung.

    Was tun gegen Steueroasen?

    So verheerend das ist – was könnte helfen? Die OECD hat immerhin fast 100 Nationen dazu bewogen, ab diesem Jahr Steuerdaten von Unternehmen automatisch auszutauschen, darunter auch die Cayman Islands, die Bahamas, Singapur, Liechtenstein. Nicht aber Panama, wie sich überhaupt die amerikanische Einflusssphäre bislang versperrt. Trotzdem ist der Versuch der demokratischen Regulierung auch für Nicholas Shanxon das Gebotene.

    Man muss sich dabei aber über die Unübersichtlichkeit des Labyrinths im Klaren sein, bei der sich eine Firma samt Personal jederzeit spurlos in eine andere auflösen kann. Und über die Dimensionen: Es ist der Kampf gegen eine unsichtbare Weltmacht, die auch noch über einen Großteil des Geldes verfügt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden