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Oscar Pistorius: Pistorius wegen fahrlässiger Tötung verurteilt - Reevas Freundinnen weinen

Oscar Pistorius

Pistorius wegen fahrlässiger Tötung verurteilt - Reevas Freundinnen weinen

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    Beim ersten Teil der Urteilsverlesung im Mordprozess um Oscar Pistorius weinte der Angeklagte. Am Freitag dagegen blickte er mit zusammengebissenen Zähnen starr geradeaus.
    Beim ersten Teil der Urteilsverlesung im Mordprozess um Oscar Pistorius weinte der Angeklagte. Am Freitag dagegen blickte er mit zusammengebissenen Zähnen starr geradeaus. Foto: Kim Ludbrook (dpa)

    Die Tränen kamen diesmal von der Zuschauerbank: Immer wieder hatte Oscar Pistorius während des sechsmonatigen Gerichtsprozesses wegen der Tötung seiner Freundin Reeva Steenkamp die Fassung verloren. Auch am Donnerstag brach er bei der Verlesung des Urteils in hemmungsloses Schluchzen aus. Doch als ihn Richterin Thokozile Masipa am Freitag wegen fahrlässiger

    Oscar Pistorius: Angeklagt wegen Mordes

    Die Tragödie um den Tod des 29-jährigen Models hat das Land gespalten und die ganze Welt in Atem gehalten. Fassungslos beobachteten alle, wie der südafrikanische Sprintstar vor einem Jahr am Valentinstag abgeführt wurde: In der Nacht zum 14. Februar hatte er Reeva Steenkamp mit vier Schüssen durch die geschlossene Toilettentür getötet. Er versicherte, dass er hinter der Tür einen Einbrecher gewähnt habe. Der Staatsanwalt Gerrie Nel war hingegen überzeugt, dass der Sportler nach einem Streit vorsätzlich getötet habe. Pistorius wird wegen Mordes angeklagt, bleibt aber auf Kaution in Freiheit.

    Öffentlicher Absturz eines Sportidols

    Der Fall Pistorius - eine Chronologie

    14. Februar 2013: Steenkamps Leiche wird in Pistorius' Wohnung gefunden. Der Sportler hatte die 29-Jährige durch die geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen aus einer seiner Schusswaffen getötet. Er wird festgenommen.

    15. Februar 2013: Bei einem ersten Gerichtstermin, bei dem Pistorius Mord an seiner Freundin zur Last gelegt wird, bestreitet er den Mordvorwurf.

    19. Februar 2013: Pistorius macht geltend, er habe hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und "furchtbare Angst" gehabt.

    22. Februar 2013: Pistorius wird gegen eine Kaution von umgerechnet 75.000 Euro freigelassen.

    März 2014: Zum Prozessauftakt sagt eine Zeugin aus, sie habe in der Tatnacht "schreckliche Schreie" einer Frau und Schüsse gehört. Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts.

    April 2014: Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche.

    30. Juni 2014: Nach sechswöchiger Pause, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen muss, erklären drei Psychiater und ein Psychologe, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig war.

    11. September 2014: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlages frei.

    12. September 2014: Pistorius wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen.

    21. Oktober 2014: Das Strafmaß wird verkündet: maximal fünf Jahre Gefängnis. Pistorius muss seine Haft sofort antreten.

    10. Dezember 2014: Die Berufung wird zugelassen.

    19. Oktober 2015: Pistorius wird auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig aus der Haft in den Hausarrest entlassen.

    3. November 2015: Im Berufungsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes

    3. Dezember 2015: Pistorius wird wegen Mordes schuldig gesprochen, der Fall wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.

    3. März 2016: Das Verfassungsgericht weist eine Beschwerde des Sportlers gegen den Schuldspruch zurück.

    6. Juli 2016: Pistorius wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er tritt seine Strafe sofort an. Sowohl Anklage als auch Verteidigung können Berufung gegen das Strafmaß einlegen.

    Nicht nur in Südafrika wird der Prozess mit heller Aufmerksamkeit verfolgt. Vor den Linsen der Kameras entfaltet sich ein Verfahren, das an Dramatik kaum noch zu überbieten ist: Ein Ankläger und ein Verteidiger, die ihren Spitznamen "Pitbull" und "Bullterrier" alle Ehre machen. Im Gegensatz dazu eine allseits respektierte und äußerst zurückhaltende Richterin - und der öffentliche Absturz eines 27-jähriges Sportidols, dessen Freundin tot und dessen Karriere ruiniert ist.

    Pistorius und Steenkamp: Das Traumpaar schlechthin

    Pistorius und Steenkamp waren drei Monate zusammen, als er sie erschoss. Die beiden galten als Glamour-Paar schlechthin: Der Ausnahmesprinter, dem mit elf Monaten beide Unterschenkel amputiert wurden und der trotzdem bei den regulären Olympischen Spielen in London antrat - und das blonde Model mit Jura-Abschluss, das sich gegen den Missbrauch von Frauen einsetzte.

    Das Bild vom strahlenden Helden Pistorius wird während der 41 Prozesstage gründlich demontiert. Von seiner früheren Selbstsicherheit ist nichts mehr zu sehen - stattdessen steht da ein schluchzendes Häuflein Elend mit versagender Stimme. Wenn die Schilderungen von Steenkamps Tod zu heftig werden, übergibt er sich in einen Eimer. Die Verteidigung beschreibt den 27-Jährigen als tief verunsicherten Menschen; er fühlt sich demnach wegen seiner Behinderung zutiefst verwundbar. Auch die Scheidung seiner Eltern und der frühe Tod seiner Mutter haben ihn schwer traumatisiert.

    Oscar Pistorius als Choleriker und Waffennarr

    Die Anklage hingegen schildert ihn als Choleriker und Waffennarr: Unter anderem berichtete ein Zeuge, wie Pistorius kurze Zeit vor dem Tod Steenkamps in einem vollbesetzten Restaurant die Waffe eines Freundes begutachtet. Dabei löste sich versehentlich ein Schuss und verfehlte nur knapp den Fuß eines anderen Freundes. Die Ironie der Geschichte: Als die Presse damals Wind von dem Zwischenfall bekam, war es Steenkamp, die ihn verteidigte. Im Nachhinein wurde er nun wegen fahrlässigen Waffengebrauchs verurteilt.

    Der Fall spaltet das von alltäglicher Gewaltkriminalität und Rassendiskriminierung zerrissene Land. Das Lager, das Pistorius nicht glaubt, wächst - zu ihm gehören auch Steenkamps Eltern Barry und June. Mit starrer Miene hat die Mutter den Prozess über sich ergehen lassen, am Freitag verlässt sie kopfschüttelnd den Saal. Vor dem Gerichtsgebäude sprechen Passanten von einer Bevorzugung der Reichen und Weißen.

    Richterin Masipa, selbst schwarz und in Armut aufgewachsen, lässt sich von den Diskussionen wenig beeindrucken. Dem Angeklagten bescheinigte sie zwar, ein schlechter und widersprüchlicher Zeuge gewesen zu sein. Doch mache ihn das noch nicht automatisch zu einem Mörder, sagt sie. AFP

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