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Oscar Pistorius: Gericht entscheidet heute über Schicksal von Oscar Pistorius

Oscar Pistorius

Gericht entscheidet heute über Schicksal von Oscar Pistorius

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    Oscar Pistorius hat nie bestritten, seine Freundin getötet zu haben. Aber handelte er mit Vorsatz?
    Oscar Pistorius hat nie bestritten, seine Freundin getötet zu haben. Aber handelte er mit Vorsatz? Foto: TJ Lemon (dpa)

    Richterin Thokozile Masipa muss darüber entscheiden, ob der 27-Jährige in der Nacht zum Valentinstag 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp vorsätzlich erschoss oder aus Angst vor einem Einbrecher in Panik handelte. Pistorius argumentiert, er habe im Badezimmer einen Fremden vermutet. Beobachter rechnen damit, dass der beinamputierte Paralympics-Star einer Gefängnisstrafe kaum entgehen wird. Der Prozess in Pretoria hatte vor rund sechs Monaten begonnen.

    In Südafrika ist es üblich, aber nicht zwingend, dass ein Richter das Urteil erst am Ende seiner Ausführungen bekanntgibt. Es sei sogar möglich, dass Masipa ihre Entscheidung erst am Freitag verkündet, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Nathi Mncube, der Nachrichtenagentur dpa.

    Das Strafmaß dürfte ohnehin erste mehrere Wochen nach dem Urteil bekanntgemacht werden. In der Zwischenzeit können Freunde und Familie des Angeklagten beim Gericht um Milde bitten.

    Für Oscar Pistorius sind vier Szenarien denkbar

    Richterin Masipa hatte sich während des Verfahrens nie anmerken lassen, zu welcher Entscheidung sie tendiert. Sie führte die Verhandlung ruhig und bestimmt - gleichwohl meldete sie sich nur selten selbst zu Wort.

    Der Fall Pistorius - eine Chronologie

    14. Februar 2013: Steenkamps Leiche wird in Pistorius' Wohnung gefunden. Der Sportler hatte die 29-Jährige durch die geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen aus einer seiner Schusswaffen getötet. Er wird festgenommen.

    15. Februar 2013: Bei einem ersten Gerichtstermin, bei dem Pistorius Mord an seiner Freundin zur Last gelegt wird, bestreitet er den Mordvorwurf.

    19. Februar 2013: Pistorius macht geltend, er habe hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und "furchtbare Angst" gehabt.

    22. Februar 2013: Pistorius wird gegen eine Kaution von umgerechnet 75.000 Euro freigelassen.

    März 2014: Zum Prozessauftakt sagt eine Zeugin aus, sie habe in der Tatnacht "schreckliche Schreie" einer Frau und Schüsse gehört. Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts.

    April 2014: Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche.

    30. Juni 2014: Nach sechswöchiger Pause, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen muss, erklären drei Psychiater und ein Psychologe, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig war.

    11. September 2014: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlages frei.

    12. September 2014: Pistorius wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen.

    21. Oktober 2014: Das Strafmaß wird verkündet: maximal fünf Jahre Gefängnis. Pistorius muss seine Haft sofort antreten.

    10. Dezember 2014: Die Berufung wird zugelassen.

    19. Oktober 2015: Pistorius wird auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig aus der Haft in den Hausarrest entlassen.

    3. November 2015: Im Berufungsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes

    3. Dezember 2015: Pistorius wird wegen Mordes schuldig gesprochen, der Fall wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.

    3. März 2016: Das Verfassungsgericht weist eine Beschwerde des Sportlers gegen den Schuldspruch zurück.

    6. Juli 2016: Pistorius wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er tritt seine Strafe sofort an. Sowohl Anklage als auch Verteidigung können Berufung gegen das Strafmaß einlegen.

    Seit den Plädoyers von Staatsanwalt Gerrie Nel und Verteidiger Barry Roux hatte die 66-Jährige vier Wochen Zeit, um sich ihr Urteil über den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse in der Tatnacht zu bilden. Verlassen konnte sie sich dabei fast nur auf Indizien, Gutachten und Zeugenaussagen.

    Für Pistorius, der 2012 mit seinem Olympia-Start auf Prothesen in London weltweit Furore machte, sind vier Szenarien denkbar: Im für Pistorius schlimmsten Fall könnte sie entscheiden, dass der Sportler seine Freundin nach einem Streit vorsätzlich und kaltblütig tötete. Als Höchststrafe könnte Masipa lebenslang Gefängnis verhängen - in der Regel kann der Verurteilte dann erst nach 25 Jahren um Gnade bitten. Die Richterin hat allerdings beim Strafmaß einen großen Ermessensspielraum.

    Sah Oscar Pistorius sich selbst in Gefahr?

    Masipa könnte auch entscheiden, dass Pistorius zwar rational handelte und bewusst schoss, sich aber selbst in Gefahr sah. Das Urteil könnte dann "Mord ohne Vorsatz" lauten. Das südafrikanische und das deutsche Strafrecht unterscheiden sich, die Begriffe sind nicht ganz deckungsgleich.

    Oder Masipa folgt der Linie der Verteidigung, die besagt, dass Pistorius seit Jahren unter Ängsten leidet und in besagter Nacht ohne seine Beinprothesen aus einem Reflex heraus schoss, um sein Leben zu retten. Das Urteil könnte lauten: "culpable homicide" (in etwa: fahrlässige Tötung). Auch ein Freispruch wäre möglich, gilt aber als unwahrscheinlich.

    Eine Prognose über den Ausgang des spektakulären Prozesses wagt derzeit fast niemand. Grundsätzlich ist von einer lebenslangen Gefängnisstrafe bis zur Bewährungsstrafe alles möglich. Die Richterin hat im südafrikanischen Justizsystem viel Handlungsfreiheit.

    Oscar Pistorius lebt bei seinem Onkel

    Wenn Pistorius schuldig gesprochen wird, kann er bis zur Verkündung des Strafmaßes zunächst in das Haus seines Onkels zurückkehren, wo er lebt, seit er im vergangenen Jahr auf Kaution aus der Haft entlassen wurde. Wird er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, kann er erneut einen Antrag auf Kaution stellen. Möglicherweise wäre er dann bis zum Ende eines Berufungsverfahrens in Freiheit - dies kann bis zu einem Jahr dauern. (dpa)

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