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Oscar Pistorius: Fahrlässige Tötung: Oscar Pistorius erhält sein Wunsch-Urteil

Oscar Pistorius

Fahrlässige Tötung: Oscar Pistorius erhält sein Wunsch-Urteil

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    Oscar Pistorius ist kein Mörder - auch wenn sich Familie und Freunde von Reeva Steenkamp ein anderes Urteil gewünscht hätten.
    Oscar Pistorius ist kein Mörder - auch wenn sich Familie und Freunde von Reeva Steenkamp ein anderes Urteil gewünscht hätten. Foto: Alon Skuy, dpa

    Die Richterin hatte ihr Urteil noch gar nicht gesprochen, da begann Reeva Steenkamps Mutter June die Freundinnen ihrer getöteten Tochter zu trösten. Ausgerechnet sie, in deren Gesicht sich der Schmerz am tiefsten gegraben hatte, versuchte die Fassung zu bewahren.

    Und so legte sie ihren Arm um die Schultern der weinenden Gina und Kim Myers, mit denen Reeva in Johannesburg bis zu ihrem Tod gelebt hatte. Die jungen Frauen hatten sich ein Foto von Steenkamp an die Bluse gesteckt. Sie wollten Gerechtigkeit für die Freundin.

    Und sie hatten das Gefühl, dass ihr diese verweigert wurde. Richterin Thokozile Masipa bat den Angeklagten Oscar Pistorius nach ihrer zwei Tage dauernden Urteilsbegründung aufzustehen. Und sie urteilte, wie es sich schon am Donnerstag abgezeichnet hatte – fast ausschließlich zugunsten des Mannes, der seine Freundin erschossen hatte.

    Pistorius' Familie ist erleichtert

    Es habe sich um fahrlässige Tötung und nicht Mord oder Totschlag gehandelt. Auch von den drei Verstößen gegen das Waffengesetz sei seine Schuld nur in einem Fall bewiesen.

    Pistorius nahm das Urteil gefasst auf. Einige Verwandte umarmten ihn, doch niemand zeigte die Freude über das äußerst glückliche Urteil allzu offen. Die Familie war sich bewusst, dass übertriebene Freude als pietätlos gegenüber Steenkamps Hinterbliebenen gewirkt hätte.

    Schaulustige rufen Reevas Namen

    Der Fall Pistorius - eine Chronologie

    14. Februar 2013: Steenkamps Leiche wird in Pistorius' Wohnung gefunden. Der Sportler hatte die 29-Jährige durch die geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen aus einer seiner Schusswaffen getötet. Er wird festgenommen.

    15. Februar 2013: Bei einem ersten Gerichtstermin, bei dem Pistorius Mord an seiner Freundin zur Last gelegt wird, bestreitet er den Mordvorwurf.

    19. Februar 2013: Pistorius macht geltend, er habe hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und "furchtbare Angst" gehabt.

    22. Februar 2013: Pistorius wird gegen eine Kaution von umgerechnet 75.000 Euro freigelassen.

    März 2014: Zum Prozessauftakt sagt eine Zeugin aus, sie habe in der Tatnacht "schreckliche Schreie" einer Frau und Schüsse gehört. Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts.

    April 2014: Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche.

    30. Juni 2014: Nach sechswöchiger Pause, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen muss, erklären drei Psychiater und ein Psychologe, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig war.

    11. September 2014: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlages frei.

    12. September 2014: Pistorius wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen.

    21. Oktober 2014: Das Strafmaß wird verkündet: maximal fünf Jahre Gefängnis. Pistorius muss seine Haft sofort antreten.

    10. Dezember 2014: Die Berufung wird zugelassen.

    19. Oktober 2015: Pistorius wird auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig aus der Haft in den Hausarrest entlassen.

    3. November 2015: Im Berufungsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes

    3. Dezember 2015: Pistorius wird wegen Mordes schuldig gesprochen, der Fall wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.

    3. März 2016: Das Verfassungsgericht weist eine Beschwerde des Sportlers gegen den Schuldspruch zurück.

    6. Juli 2016: Pistorius wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er tritt seine Strafe sofort an. Sowohl Anklage als auch Verteidigung können Berufung gegen das Strafmaß einlegen.

    In Südafrika gab es gewissermaßen zwei Prozesse. Der in der Öffentlichkeit, die angesichts der Live-Übertragung jedes Detail analysierte, wenn auch mit geringem juristischen Wissen. Hier verlor Pistorius. Als er das Gericht von Polizisten abgeschirmt verließ, da waren unter den hunderten Schaulustigen viele, die Reevas Namen riefen oder sangen.

    Letztlich aber zählte natürlich in Pretoria der eigentliche Prozess, dem Richterin Thokozile Masipa vorsaß und bei dem Beweise zählten. Für eine Verurteilung wegen Mord oder Totschlag reichten diese nach Ansicht der 66 Jahre alten Juristin schlicht nicht aus. Fahrlässige Tötung lässt nun ein für viele Südafrikaner kaum denkbares Szenario als realistisch erscheinen.

    Das Strafmaß liegt wie bei kaum einem anderen Urteil im Ermessen der Richterin. Es erlaubt eine langjährige Gefängnisstrafe, aber auch eine Bewährungsstrafe. Masipa könnte neben der Tatsache, dass Pistorius nicht vorbestraft war, seine Behinderung als mildernden Umstand geltend machen.

    Geht die Staatsanwaltschaft in Berufung?

    Die Staatsanwaltschaft sei enttäuscht, sagte der Sprecher der Behörde Nathi Mncube. „Aber erst, nachdem das Strafmaß feststeht, können wir unsere Möglichkeiten abwägen und schauen, ob es weitere Schritte geben kann.”

    Berufung legt in Südafrika normalerweise nur die Verteidigung ein, jedoch hat auch die Anklage dazu die Möglichkeit, wenn sie einen Verfahrensfehler vermutet. Und zumindest die Interpretation, dass es sich nicht um Totschlag handelte, ist umstritten.

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